Muhammed Dumanli moderiert am 28. November den Slam8020 im Orpheum. Warum wir alle Teil eines Mosaiks sind und wieso es in seinen Workshops nicht nur lustig zugeht, hat die Annenpost im Gespräch mit dem Slam-Meister erfahren.
von Nina Pachner und Anja Palme
Das SLAM KOLLEKTIV lädt zum zweiten Mal zum Slam8020 ins Orpheum. Hier wird unverfälschte Realität auf die Bühne gebracht. Wie auch schon bei der Premiere im Mai diesen Jahres bleibt das Konzept dasselbe: Poetry-Slammer:innen mit Migrationsgeschichte stehen im Rampenlicht und gestalten mit ihren Performances den Abend. Zu den Fixstarter:innen gehören dieses Mal: Elif Duygu aus Wien und Alieren Renkliöz, Journalist und poetischer Lyriker aus Tübingen. Als „Merhaba Oida!” hat Elif Duygu gemeinsam mit Mike Hornyik das Team-Finale des ÖSLAM24 im Oktober gewonnen. Muhammed Dumanli, Poetry-Slammer und Spoken-Word-Künstler, wird dabei als Moderator 8020 vertreten, also die Grazer Stadtviertel am rechten Murufer, und durch den Abend führen.
Klassenzimmer statt Bühne
„Jede:r ist gleich interessant, ich stehe nur unabsichtlich in der Öffentlichkeit“, sagt der Soziologie-Student während unseres Treffens bei einem Kaffee. Diese Präsenz nutzt der ehemalige österreichische U20-Meister im Poetry-Slam nicht nur für eigene Auftritte. Er arbeitet auch mit Kindern und Jugendlichen und verwandelt dafür Klassenzimmer in kleine Bühnen. Als Workshop-Leiter gibt er sein Wissen weiter und hilft den Teilnehmer:innen, ihre Identität und Persönlichkeit in Textform niederzuschreiben. Während seiner Moderationen erlebt man Muhammed als Redner, der das Publikum vor allem durch seinen Humor mitreißt. Seine Workshops sind aber selten lustig, viel mehr sind sie geprägt durch kritische und persönliche Inhalte. Ganz nach dem Motto „Lachen ist schön, aber weinen ist cooler“. Auch Dumanli selbst erzählt seine Geschichten lebensecht, wodurch es nicht selten auch eigene Emotionen auf die Bühne schaffen. Er möchte sich dadurch in der Gesellschaft sichtbar machen und auch andere dazu motivieren. In seinen Workshops lässt Muhammed nicht nur einen Teil von sich in jedem Klassenzimmer, sondern bekommt auch viel zurück. Schüler:innen drücken ihre Wertschätzung an ihn in Form von persönlichen Nachrichten oder Briefen aus, erzählt er.
Während unseres Gesprächs wühlt Muhammed in den Taschen seiner Jacke und zieht, nach kurzem Suchen, einen gefalteten Zettel heraus. Den Brief eines Mädchens aus seinem letzten Workshop. Er liest sich den Text leise vor und kämpft mit den Tränen. Die Geschichte des Mädchens erinnert ihn an seine eigene, die geprägt von der Suche nach Heimat in einem fremden Land ist. Den Raum für die großen Gefühle schafft er vor allem, in dem er sich in die Lage seines früheren Ichs versetzt und sich fragt, was ihn ermutigt hätte. Das reicht dann von einer Umarmung bis hin zu aufbauenden Worten. „Ich finde immer einen Teil von mir, wenn ich mit den Kids bin“, sagt Dumanli, dessen Familie kurdische Wurzeln hat.
Das Mosaik
Gerade in Zeiten, in denen unsere Gesellschaft mehr Spaltung erfährt, sei es wichtig, sich daran zu erinnern, dass hinter jedem Menschen eine individuelle Geschichte steckt. „Heutzutage erkennen wir nicht mehr das Menschliche im Menschen.“ Man werde als Teil einer Gruppe wahrgenommen und vergesse dabei das Individuum, so Muhammed Dumanli. Damit gemeint sind zum Beispiel rassistische Vorstellungen, die den Menschen als Teil einer fremden bedrohlichen Gruppe wahrnehmen. Dieses Thema behandelt er auch in seinem Text „Mosaik“ der unter anderem von Muhammed bei der Aktion „Frech gegen Rechts“ vorgetragen wurde. In seinen Texten schwingt häufig ein politischer Unterton mit. „Jede:r ist Teil des Mosaiks, das wir zusammengefügt die Menschheit nennen.” Um dieses Mosaik zusammenzusetzen, brauche es Sichtbarkeit und Raum für Gespräche: „Ich habe ein Haus für mich gebaut, weil ich das Bedürfnis nach einem Zuhause hatte, die Tür steht aber für jede:n offen.“
Titelbild: Muhammed Dumanli während seines Auftritts beim ÖSLAM24 – Foto: Stella Kager