Anja M. Wohlfahrt, Co-Intendantin des Theater am Lend, greift in ihrer neuen Arbeit das Thema Schwangerschaftsabbruch auf. Wie sie sich in „Voll Lieab“ mit dem Thema auseinandersetzt und warum sie findet, dass Abtreibungen legal sein sollten.
Autor:innen: Albert Formanek und Theresa Kapper
Klatschen. Leichter Nebel liegt in der Luft. Das Licht geht an. Anja M. Wohlfahrt kommt auf die Bühne und spricht allen Beteiligten ein Lob aus. Zum ersten Mal überhaupt konnte sie das Gesamtwerk ihrer Produktion „Voll Lieab” sehen. Die Performance, die wir bei der Nullerprobe gesehen haben, wirft in den ersten Minuten viele Fragen auf, die Spannung bleibt aufrecht. Nach und nach nimmt die Handlung Form an und entwickelt sich zu einem Spiegel der Gedanken und Gefühle, die Frauen in Zeiten einer ungewollten Schwangerschaft und eines Schwangerschaftsabbruchs überkommen. Am 19. Dezember hat das Stück Premiere am Theater am Lend.
Von der Idee zur Performance
„Ich hab mich massiv aufgeregt, dass der einzige Arzt, der in Vorarlberg Abtreibungen durchführt, in Teilpension geht”, erzählt Anja Wohlfahrt. „Da hab ich mich gefragt: Was kann ich machen?” Wohlfahrts Antwort: ein Theaterstück. Die Recherche startete Wohlfahrt mit einem Social-Media-Aufruf an Menschen, die eine Abtreibung erlebt haben. Fünf Frauen meldeten sich und sprachen über ihre Erfahrungen. Gemeinsam mit der Regisseurin und Drehbuchautorin Sophia Barthelmes baute Wohlfahrt aus den anonymisierten Interviews dann das Konzept für eine Performance. Ein Sprechchor und eine Darstellerin bringen “Voll lieab” auf die Bühne des Theater am Lend. Es ist das erste eigene Stück, das Wohlfahrt dort zur Aufführung bringt, seit sie gemeinsam mit Christian Winkler im Herbst auch die künstlerische Leitung übernommen hat.
Zwischen Betroffenheit und Debatte
Emotional sei es den Frauen während der Interviews ganz unterschiedlich gegangen, erinnert sich Wohlfahrt. Einige weinten, andere hatten das Bedürfnis, sich zu entschuldigen, wieder andere zeigten sich erleichtert. Ein Thema, das die Betroffenen besonders belastete, war die Zugänglichkeit. In der Steiermark gibt es momentan nur drei Stellen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Ein privates Ambulatorium in der Herrengasse, eine Gynäkologin in Graz West und das Universitätsklinikum LKH Graz. Das wirft die Frage auf, wie niederschwellig der Zugang sein soll.
Anja Wohlfahrt ist sich sicher: „Es braucht einen Kompromiss, damit das wirklich funktioniert.“ Gegner:innen werde es immer geben, verschiedene Meinungen seien auch total ok. Man müsse aber anerkennen, dass Menschen aus verschiedenen Gründen abtreiben möchten. Aktuell sind Schwangerschaftsabbrüche in Österreich illegal, aber seit den 1970er-Jahren durch die Fristenregelung straffrei. „Abtreibungen werden immer stattfinden, die Frage ist nur: Finden diese im Hinterzimmer statt?“, fragt Wohlfahrt.
Sie ist der Meinung, dass Abtreibungen legalisiert werden sollten. Die Kosten für die Behandlung sollten außerdem von der Krankenkasse übernommen werden. Diese belaufen sich laut Büro für Frauengesundheit und Gesundheitsziele der Stadt Wien auf 490 bis 640 Euro (Stand: Jänner 2021). Wohlfahrt hält das Beratungsgespräch im Vorfeld für gut, um den Frauen im Prozess beizustehen und kritische Stimmen zu beruhigen. Laut Wohlfahrt muss sich in Bezug auf das Thema Abtreibung aber noch viel verändern. Wichtig sei hier vor allem, über das Thema zu reden und Frauen eine Stimme in diesem Diskurs zu geben.
Abtreibungsmöglichkeiten in der Steiermark:
Femina-Med Zentrum für Schwangerschaftsabbruch, Herrengasse 9 / 2. Stock, 8010 Graz
Univ. Klinik für Frauenheilkunde, Auenbruggerplatz 4, 8036 Graz
Dr.Karina Lorenz, Karl-Etzel-Weg 2, 8053 Graz
Fragen Sie auch direkt bei Ihrer Gynäkologin*Ihrem Gynäkologen nach einem Schwangerschaftsabbruch.
Termine „VOLL LIEAB“:
Uraufführung: 19.12.2024 um 20.00 Uhr
Weitere Termine: 20.12.2024, 09. | 10. | 11. | 16. | 17. | 18.01.2025 um 20.00 Uhr
Titelbild: Der Chor verfolgt die Hauptdarstellerin über das ganze Stück. – Foto: Theresa Kapper