Schwerpunkt ANNsichtssache. Gottfried Nusshold ist der Besitzer und Leiter der Annenbäckerei und des Annen Cafes. Wer seine Gäste sind und was er sich für die Zukunft der Annenstraße wünscht, erzählt er im Interview.
Vor dem Gebäude der Annenstraße 54 hängt ein blau-weißes Schild. „Annen Cafe” steht darauf. Selbst bei Minusgraden stehen darunter die Tische für die Gäste bereit, die rauchen möchten. Musik tönt außen und im Inneren. Gottfried Nusshold sitzt dort am Tresen und unterhält sich mit einem Stammkunden.
Was hat Sie dazu gebracht, Ihre Bäckerei in der Annenstraße aufzumachen?
Die Bäckerei Schnuderl davor gab es über 60 Jahre. 2008 ist Herr Schnuderl in Pension gegangen. Dann war das Objekt leer und nach Gesprächen mit der Grazer Wechselseitigen, der das Haus gehört, haben wir 2009 begonnen, umzubauen. Am 8. März 2010 haben wir eröffnet, nachdem ich ganz in der Nähe schon mein Büro und zwei weitere Filialen hatte.
Wie würden Sie die Gäste beschreiben, die das Annencafe regelmäßig besuchen?
Ein großer bunter Mix – vom Studenten bis zum Pensionisten. Zwei Mal im Monat kommt sogar der Pensionistenverein vom Griesplatz her. Viele Laufkunden, auch zwischen Roseggerhaus und Bahnhof, also wirklich ein bunt gemischtes Publikum.
Gibt es gewisse Speisen oder Gebäckssorten, die bei den Kunden und Kundinnen besonders gut ankommen?
Das Highlight ist das mürbe Kipferl. Durch den Krautgarten. Von der Arbeiterkammer bis zum Hartlauer und zur Laufkundschaft: Ohne mürbes Kipferl geht fast keiner raus. Die sind sehr groß und sehr gut. Aber es gibt natürlich auch andere Dinge, belegte Weckerln etwa, die wir frisch machen. Wir bereiten nichts vor, sondern es dauert ein, zwei Minuten und dann gehen man mit dem frischen Weckerl hinaus – belegt, wie man es braucht.
Was macht die Bäckerei beziehungsweise das Annencafe ihrer Meinung nach besonders?
Besonders ist vielleicht, dass wir nicht besonders sind. Man soll hier reinkommen und sich wohlfühlen, wie im Wohnzimmer. Das war vom ersten Tag an das Bestreben. Es scheint gelungen zu sein. Im März sind es 15 Jahre, die wir hier sind. Wir haben alle Höhen und Tiefen, Umbauten und Corona recht gut und schlecht überstanden und schauen positiv in die Zukunft.
Die Annenstraße ist seit vielen Jahren in ständigem Wandel, unter anderem durch regelmäßige Umbauten. Inwiefern konnten Sie diesen Wandel spüren?
Begonnen hat es eigentlich mit dem großen Umbau von 2011 auf 2012, wo die Annenstraße „verkehrsberuhigt“ wurde. Die Gehsteige, gerade auf unserer Seite, sind fast doppelt so breit, wie sie früher waren, mit dem Wermutstropfen: Parkplätze eliminiert. Weit über 100 sind weg. Dementsprechend hat auch die Frequenz gelitten und leidet heute noch.
In den Umbauphasen war es sehr schwierig. Wir hatten das Glück, dass viele Bauarbeiter hier waren, die einiges kompensiert haben. Mein Nachbar – das ist jetzt ein afghanisches Lokal – war über 30 Jahre eine Pizzeria. Wunderbar, gut gelaufen. Der war knapp vorm Zusperren, hat es dann doch noch geschafft. Nur mit Corona hat es dann nicht mehr gepasst. Aber beide Umbauten waren sicher nicht förderlich für Frequenz und Belebung der Annenstraße. Verkehrsberuhigt ist es trotzdem nicht. Es fahren alle fünf Minuten vier Straßenbahnlinien und wir haben den ganzen Verkehr stadteinwärts. Von ruhig keine Rede.
Was ist eine Änderung, die es Ihrer Meinung nach braucht, um die Situation in der Annenstraße zu verbessern?
Das geht nicht in einem Satz, das würde einen Abend füllen. Man müsste sich von der Stadtpolitik verabschieden, von der ideologischen Einstellung und das Ganze von Oben sehen. Jeder hat eine gewisse Berechtigung, jeder hat ein gewisses Bedürfnis. „Chillen“ ist etwas sehr Schönes, aber dafür braucht man Zeit und manchmal auch Geld. Wir haben jetzt wunderschöne Eisentröge vor der Haustüre gegenüber, die sehr viel Geld gekostet haben – nur da chillt niemand. Es ist einfach „schiach“, auf Steirisch. Dazwischen gäbe es Möglichkeiten für Parkplätze. Darüber würde man nachdenken, sagt man seit einem halben Jahr. Da wäre Platz für wenigstens zwanzig, dreißig Parkplätze. Aber man geht zu sehr nur von seinem eigenen Klientel aus. Die Radfahrer haben eine wunderschöne Spur stadteinwärts. Stadtauswärts auch: Nur fahren fünfzig Prozent der Radfahrer auf der linken Seite. Möglich, dass es Engländer sind, weiß ich nicht genau.
Was wünschen Sie sich für die Annenstraße und für Ihr Lokal?
Für die Annenstraße? Man müsste eine Möglichkeit finden, vernünftige Parkplätze in der Nähe zu haben, verbunden mit dem öffentlichen Verkehrsmittel-Ticket. Also, Park-and-Ride zum öffentlichen Nutzen. Unter Leiner/Kika gibt es einige hundert Tiefgaragenplätze und die sind nicht voll, aber warum soll man dort reinfahren? So könnte man stehen bleiben, setzt sich in die Straßenbahn, fährt in die Stadt hinein, geht zum Kastner, trinkt einen Kaffee bei mir und fährt nach Hause.
Was macht die Annenstraße, trotz aller Probleme, so speziell, dass Sie das Lokal behalten?
Erstens ist es eine gewisse Liebe zu der Arbeit als solches. Es ist keine Arbeit, weil wenn es Arbeit wird, hör ich auf. Es muss Spaß machen. Es ist nicht so, dass wir keine Gäste haben. Wir haben sehr gute Gäste, in allen Facetten. Das macht eben den Spaß aus. Wenn man um sieben Uhr aufmacht und die ersten Mitarbeiter von der Arbeiterkammer kommen, ein bisschen verschlafen noch, und man seinen Spaß mit denen hat. Sie gehen raus und lachen. Ja, super. Hast heute schon etwas geschafft. Das geht eigentlich bis zum Abend so. Es sind weniger geworden, ja, aber es ist auch der eine oder andere dazugekommen.
Die Ausstellung ANNsichtssache, kuratiert vom Masterstudiengang Ausstellungsdesign, setzt sich mit dem Potenzial und der Vielfalt der Annenstraße auseinander und präsentiert innovative Ideen und Visionen einer lebendigen Zukunft. Die Annenpost hat sich in diesem Rahmen auf den Weg gemacht und einen Blick hinter die Fassaden der Einkaufsmeile geworfen. Wir haben mit Menschen aus sieben verschiedenen Geschäften gesprochen und ihre Geschichten festgehalten. Die Interviews werden in der Annenpost veröffentlicht und ausgewählte Fragen sind in der Ausstellung zu hören. Hier geht es zu den weiteren Folgen. Ausstellung ANNsichtssache
Eröffnung: 22. Jänner 2025, 19:00 Uhr
Wann: 23. bis 30. Jänner 2025
Wo: Annenviertler Büro zur Rettung der Welt, Annenstraße 20, 8020 Graz
Titelbild: Gottfried Nusshold im Annen Cafe. – Foto: Foroozan Bitarafhaghighi