Einst, heißt es, war die Annenstraße die Einkaufsstraße schlechthin. Heute machen ihr Leerstände und strukturelle Probleme zu schaffen. FH-Masterstudierende loten in der Ausstellung ANNsichtssache* Potenziale und innovative Ideen zur Verbesserung der Lage vor.
Was beim Betreten des Annenviertler Büros zur Rettung der Welt wie Schrott wirkt, ist es prinzipiell auch. Recycelte Alltagsgegenstände – ein Fernseher, ein Kanister und sogar eine Kaffeemaschine – finden sich am Beginn der Ausstellung „ANNsichtssache”. Studierende des FH-Masterstudiengangs Ausstellungsdesign haben die Not – kein Budget – zur Tugend gemacht und für die Gestaltung der Schau auf eigene Ressourcen, Willhaben und Leihobjekte der Grazer Materialhalle CirculART zurückgegriffen. Sogar ihre Zimmerpflanzen haben sie hierher gebracht.
Das Farbschema ist in schlichtes Grün-Weiß gehalten und verbindet alle Teile der Ausstellung. Auch eine plastische Infografik – aus Reifen und Ziegeln – und zwei Mitmach-Stationen gibt es zu entdecken.
Die Idee hinter ANNsichtssache
Studierende des FH-Instituts für Energie-, Mobilitäts- und Umweltmanagement in Kapfenberg lieferten die Grundlagen der Ausstellung. Im Rahmen einer Projektarbeit entwickelten sie Lösungsansätze für eine nachhaltige Umstrukturierung der Annenstraße. Auch Studierende des Architektur- und des Journalismus-Instituts – Mitglieder der Redaktion der Annenpost – waren beteiligt. Ziel war es, aktuelle Herausforderungen für die Entwicklung der Annenstraße aufzuzeigen – eine Straße, die sowohl durch ihre bewegte Geschichte als auch durch aktuelle Veränderungen geprägt ist.
„Die Annenstraße muss grüner und menschenfreundlicher werden. Es gibt ganz viele Projekte und Herausforderungen in dieser Straße. Es war uns ein Anliegen das noch einmal aufzurollen und zu erzählen“, sagt Sigrid Bürstmayer, Lehrende der FH JOANNEUM am Institut für Design und Kommunikation in Graz. Gemeinsam mit den FH-Dozenten Brian Luque Marcos, Martina König, Lucia Jarošová, Christoph Neuhold und Anke Strittmater hat sie das Projekt betreut. Die Ausstellung soll Aufmerksamkeit für die Annenstraße schaffen und Denkanstöße für künftige Entwicklungen geben.
ANNhalten und ANNhören
Die Ausstellung lädt zum Mitmachen ein. Hinter einem Vorhang wird man dazu „aNNgehalten”, den Klängen der Annenstraße zu lauschen. Alltägliche Geräusche wie vorbeifahrende Autos und Stimmen von der Annenstraße wurden aufgenommen, um die Atmosphäre einzufangen. Besucher:innen können zudem in alten Bildern, Karten und den „ANNdenken” der Straße stöbern. Historische Dokumente erzählen die Geschichte der Annenstraße, während kleine Pflanzen und selbstgestaltete Postkarten als Andenken mit nach Hause genommen werden können. Die Redaktion der Annenpost half bei der inhaltlichen Gestaltung und lieferte durch Interviews wertvolle Einblicke in den Wandel der Straße. Der Fokus lag auf ihren persönlichen Erfahrungen, darauf, wie sich der Kundenstamm verändert hat und auf möglichen Verbesserungen, die sie sich für die Annenstraße wünschen. Die Interviews sind sowohl in der Ausstellung als Hörstation als auch schriftlich in der Annenpost verfügbar.
Auf die Frage, welche Veränderungen in der Annenstraße geschehen müssten, antwortet Firat Akinci, Herrenfriseur im MGE’s Barbershop: „Ich würde mir wünschen, dass die Annenstraße renoviert wird, um wieder neu auszusehen. Und natürlich, dass gar keine Autos mehr durchfahren.” Gottfried Nusshold, Besitzer des Annencafes und der Annenbäckerei sieht das Potenzial jedoch woanders: „Man müsste eine Möglichkeit finden, vernünftige Parkplätze in der Nähe zu haben, verbunden mit dem öffentlichen Verkehrsmittel-Ticket.”
Auch die FH-Studierenden aus Kapfenberg kamen zum Schluss, dass es viele Verbesserungsmöglichkeiten gäbe. Die Hausfassaden sollten professionell gereinigt und begrünt werden. Mehr Sitzbänke aus Holz würden anliegende Plätze der Straße einladender wirken lassen und im Sommer besser kühlen als Metallbänke. Ein weiterer Vorschlag der Kapfenberger Studierenden ist die Annenstraße autofrei zu gestalten, um den Verkehr zu entlasten.
Eine Ausstellung ohne Budget
Die Ausstellungsgestaltung basiert auf dem Konzept von Anna Brodmann, Annabel Schipper, Elisabetha Fetsch, Katharina Betz und Lars Kähler, die im 3. Semester Ausstellungsdesign im Master studieren. „Wir wollten zeigen, dass man aus Dingen, die andere als Schrott betrachten, etwas Schönes und Nachhaltiges schaffen kann”, erklärt Katharina Betz. “Unsere Anfangsinstallation ist ein gutes Beispiel: Gegenstände aus dem Alltag symbolisieren unsere Vision einer grüneren Zukunft.“
Nach dem Abbau der Ausstellung werden alle Leihobjekte zurückgegeben und die Infotafeln weiterverwendet. Müll wird vermieden.
Die Herausforderungen des Projekts waren vielfältig – angefangen bei der Kommunikation innerhalb des 22-köpfigen Teams bis hin zum fehlenden Budget. „Es war nicht immer einfach, alles in Eigenregie zu organisieren. Wir mussten frühzeitig planen und kreative Lösungen finden, weil wir kein Budget hatten“, ergänzt Lisa Fetsch.
„Die Annenstraße muss grüner werden“
Auch Besucher:innen sind eingeladen in der Ecke „ANNvisieren“ ihre eigenen Ideen zur Gestaltung der Annenstraße zu teilen. Bereits nach kurzer Zeit fanden die ersten Vorschläge ihren Platz an der Wand. Am häufigsten wünschen sie sich eine begrünte und autofreie Annenstraße, bei der es um die Menschen gehen soll. Andere möchten mehr geplante Veranstaltungen und Aktivitäten in der Straße.
*Die Annenpost ist ebenfalls ein Projekt von Studierenden des Instituts für Journalismus und Digitale Medien der FH JOANNEUM. Die Annenpost ist an der Ausstellung ANNsichtssache mit einer Interviewreihe beteiligt.
Titelbild: FH-Studierende des Studiengangs Ausstellungsdesign – Foto: Eva Pretterhofer