Petra Mandl in ihrem Berufsbekleidungsladen

Petra Mandl: “Schön, dass es so ein Geschäft noch gibt”

Lesezeit: 3 Minuten

Schwerpunkt ANNsichtssache. Seit über 100 Jahren gibt es den Berufsbekleidungsladen in der Annenstraße, seit 25 Jahren führt ihn Petra Mandl. Im Interview spricht sie über die Glanzzeiten, den Wandel der letzten Jahrzehnte und ihre Hoffnungen für die Zukunft.

Bei einem Spaziergang durch die Annenstraße stößt man inmitten von Restaurants und Barbershops auf einen Berufsbekleidungsladen. Hinter dessen unscheinbarer Fassade versteckt sich ein Stück Grazer Stadtgeschichte: Seit mehr als einem Jahrhundert werden hier Generationen von Gastronom:innen, Mediziner:innen und Co. mit Berufsbekleidung versorgt. Petra Mandl hält den Charme des klassischen Fachgeschäfts am Leben.

Annenpost: Wie sieht die Berufsbekleidung einer Berufsbekleidungsverkäuferin aus? Worauf legen Sie Wert?

Petra Mandl: Ich lege besonders viel Wert auf das richtige Material. Das macht im Allgemeinen gute Kleidung aus. Außerdem wird sie kaum wo so sehr beansprucht wie im Beruf, wo sie teilweise täglich gewaschen wird.

Wie sah Ihr Weg in die Annenstraße aus? Wo waren Sie davor tätig?

Zuerst habe ich in Weiz die Ausbildung zur Damenschneiderin gemacht, danach habe ich in Eggenberg als Herrenschneiderin gearbeitet. Zu dieser Zeit habe ich einen kleinen Bruder bekommen, um den ich mich gekümmert habe und konnte dadurch nicht arbeiten. Als ich wieder nach einem Job gesucht habe, wurde ich bei der Firma Krottmayer fündig. Hier hat es mir gefallen, aber nach drei Jahren wollte Herr Krottmayer in Pension gehen. Ich hatte Angst, wieder arbeitslos zu sein. Ich bin zu ihm und habe gefragt, ob er mir das Geschäft übergeben würde, und wir wurden uns einig. Seit 1999 führe ich nun den Berufsbekleidungsladen.

Wer kommt denn so zu Ihnen ins Geschäft?

Wir haben Stammkund:innen, die seit Jahrzehnten bei uns einkaufen. Das sind hauptsächlich Privatpersonen, die Kleidung für ihren Beruf brauchen. Die meiste Kleidung verkaufen wir für die Arbeit in Apotheken oder in Küchen.

Was mögen Sie an Ihrem Job am liebsten?

Ich liebe die Beziehung zu meinen Kund:innen. Einen Satz bekomme ich dabei immer wieder zu hören: „Schön, dass es so ein Geschäft in der heutigen Zeit noch gibt.“ Das macht einem Freude.

Wie hat sich die Nachfrage nach Berufskleidung in den letzten Jahren verändert? Gibt es neue Trends oder Materialien, die besonders gefragt sind?

Dadurch, dass insgesamt mehr online bestellt wird, hat sich alles standardisiert. Früher musste der Kasack [Oberteil v.a. im medizinischen Bereich, Anm.] alle möglichen Ansprüche erfüllen. Es gab einen taillierten Schnitt, Revers, Schlitz, kleine Stickereien und weiß Gott was. Heutzutage gibt man sich mit dem Schlupfkasack zufrieden. Das einzig Individuelle kann noch die Farbe sein. Da ist einfach die Liebe zur Kleidung verloren gegangen, aber das merkt man schon, wenn man auf die Straße schaut.

Den Berufsbekleidungsladen leiten Sie seit dem Jahr 1999. In dieser Zeit hat sich vieles verändert. Welche Veränderung hat Ihr Geschäft am meisten beeinflusst?

[Das Linzer Unternehmen, Anm.] Strauß ist für viele der Untergang. Als großes Unternehmen haben sie ein immenses Angebot, mit schätzungsweise fünf verschiedenen Katalogen. Für Firmen ist es oft einfacher, sich hinzusetzen und aus den Katalogen auszuwählen, als ins Geschäft zu kommen. Es gibt heutzutage auch ein kleineres Angebot an Lieferanten. Mein bester Lieferant hat die Corona-Zeit nicht überstanden. Was nicht in Massen geht, produziert man nicht mehr.

Wie hat die Entwicklung der Annenstraße Ihr Geschäft beeinflusst?

Während des ersten großen Umbaus hat man uns die letzten zwei, drei Parkplätze genommen. Wer mehr einkauft, fährt mit dem Auto. Bei mir kaufen die Leute ja nicht nur ein Stück, sondern gleich für das ganze Jahr. Insofern wären mehr Parkplätze für mich ein Traum. Jedoch einer, der durch den jetzigen Zustand der Annenstraße nicht mehr zu erreichen ist.

Um welches Geschäft der Annenstraße, das schließen musste, tut es Ihnen am meisten leid?

Die „Willy Supper“-Filiale hier am Eck. Das war ein Anziehungspunkt. Er war nicht so teuer, aber ein guter Herrenausstatter. Genau dieses Niveau braucht man eben auch für die Berufsbekleidung. Der Laden ging leider mit der Kette im Jahr 2017 insolvent.

Gibt es etwas, das Ihnen an der Annenstraße von heute besser gefällt als an der von früher?

Nein, früher gab es so eine schöne Vielfalt an Geschäften. Außerdem wurde hier gebummelt. Die Leute, die mit dem Zug gekommen sind, sind früher am Bahnhof gar nicht in die Straßenbahn eingestiegen. Sie sind einfach zu Fuß in die Stadt gegangen. Heute fahren die Leute direkt zum Hauptplatz, weil sie meinen, dass sie in der Zwischenzeit eh nichts finden würden.

Wie stellen Sie sich die Zukunft Ihres Geschäfts in der Annenstraße vor?

Ich bin derzeit auf der Suche nach etwas Kleinerem. Hauptächlich, weil unser Hausherr nach der Corona-Zeit eine 15 Jahre rückwirkende Indexanpassung durchgezogen hat. An dem Laden will ich festhalten, solange es geht. Mit den vielen Leerständen in der Straße sollte das Finden eines neuen Standorts kein Problem sein.

Vielen Dank!

 

 

Titelbild: Petra Mandl in ihrem Berufsbekleidungsladen. – Foto: Anna Ganzer

Infobox
Die Ausstellung ANNsichtssache, kuratiert vom Masterstudiengang Ausstellungsdesign, setzt sich mit dem Potenzial und der Vielfalt der Annenstraße auseinander und präsentiert innovative Ideen und Visionen einer lebendigen Zukunft. Die Annenpost hat sich in diesem Rahmen auf den Weg gemacht und einen Blick hinter die Fassaden der Einkaufsmeile geworfen.

Wir haben mit Menschen aus sieben verschiedenen Geschäften gesprochen und ihre Geschichten festgehalten. Die Interviews werden in der Annenpost veröffentlicht und ausgewählte Fragen sind in der Ausstellung zu hören.

Hier geht es zu den weiteren Folgen.

 

Hi! Nach mehreren Praktika bei einer Zeitung konnte mich nichts mehr vom Weg zum Journalismus abbringen. Neben dem JPR-Studium findet man mich schreibend oder Magazine durchstöbernd in Grazer Cafés.

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