Ein Shop, der Seinesgleichen sucht: Der BETTER RUN Scope Store in Graz ist auf Sprühdosen, Marker und urbane Kunst spezialisiert und gilt als erste Anlaufstelle für Sprayer:innen in Graz. Was den Shop zu einem wichtigen Treffpunkt der lokalen Graffiti-Szene macht und wo Graz in Sachen Street Art noch Nachholbedarf hat, erklärt Philo Jöbstl, selbst Sprayer und Mitarbeiter des Stores.
„Klein, aufstrebend, aber recht harmonisch.“ Dies sind die ersten Wörter, mit denen Philo Jöbstl die Grazer Graffiti-Szene beschreibt, während er hinter dem Verkaufstresen in Form eines ÖBB-Zuges mit der Aufschrift „City Hussle“ Spraydosen in ein Regal einsortiert.

Graffiti trifft Nachhaltigkeit
Fasziniert vom Stil und dem dahinter stehenden Freiheitsgedanken kam Jöbstl im Alter von zehn Jahren durch Freunde selbst zum Sprayen. Heute betreut er den BETTER RUN Scope Store in der Annenstraße. Seit etwas mehr als einem Jahr reiht sich der Shop zwischen Modegeschäften in das Bild der Straße ein – zuvor war er in der nahe gelegenen Strauchergasse beheimatet. Auch wenn die beiden Standorte nicht weit voneinander entfernt liegen, hat sich durch den Umzug einiges verändert.
So wurde etwa das Sortiment an Spraydosen und Markern deutlich erweitert. Nicht nur, um Künstler:innen für jedes Projekt das passende Werkzeug zu bieten, sondern auch, um die Graffiti-Kunst nachhaltiger zu gestalten. Kund:innen können mittlerweile zwischen High- und Low-Pressure-Dosen wählen, Farben mit unterschiedlicher Deckkraft und UV-Beständigkeit finden und dabei bewusst auf Marken setzen, die in Europa produzieren. Viele gängige Spraydosen werden außerhalb Europas hergestellt und müssen über weite Strecken transportiert werden. Eine umweltfreundlichere Alternative sind Hersteller, die zum Beispiel in Italien produzieren. Das reduziert nicht nur den CO₂-Ausstoß, sondern verspricht auch bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in der Produktion. Zudem führt der Store inzwischen Marker, die wiederbefüllbar sind und Farben auf Wasserbasis enthalten. Ein weiterer Schritt in Richtung nachhaltiger Graffiti-Kunst.

Ohne Shop keine Szene
Neben Hunderten von Spraydosen bietet der Store auch Kleidung, Magazine und Bücher, etwa zur Geschichte der Graffiti-Kunst, sowie wechselnde Ausstellungen verschiedenster Künstler:innen an. Besonders ist auch die sogenannte „Sketch-Ecke“: eine gemütliche Sitzecke, in der sich Kunstbegeisterte treffen können, um gemeinsam zu „sketchen“, also zu skizzieren oder zu zeichnen. Hin und wieder finden dort auch sogenannte „Sketch-Battles“ statt, bei denen die besten Zeichnungen gekürt werden.
So ist der Shop weit mehr als nur eine Einkaufsmöglichkeit – er dient als sozialer Treffpunkt für die Szene. „Man kennt sich recht schnell untereinander in der Community. Und genau für diese Community sind Shops wie der hier wichtig“, sagt Jöbstl. Die Szene brauche Orte, an denen man zusammenkommen könne, ebenso wie eine Anlaufstelle für Fragen rund um Graffiti-Kunst.
Vor der Eröffnung des Stores habe es lange keinen solchen Shop als Treffpunkt mehr gegeben und das sei deutlich spürbar gewesen: „Da geht plötzlich nichts mehr. Die Leute fangen selbstständig nicht mehr zum Sprühen an und es gibt niemanden, den man bei Fragen direkt kontaktieren kann. Seitdem es den Store gibt, merkt man schon wieder legal, wie auch illegal, ein starkes Wachstum und das ist wichtig.“

Konservatives Graz
Während illegale Arbeiten meist nicht gerne gesehen sind, wird auf legale Kunstwerke oft mit Zuspruch reagiert – selbst wenn oftmals die gleiche Botschaft dahintersteckt. Laut Jöbstl merke man deutlich, dass Graz im Vergleich zu Großstädten Graffiti noch eher konservativ gegenüberstehe. Speziell in Bezug auf legale Flächen zum Sprayen habe Graz noch Aufholbedarf. „Legale Flächen sind sehr wichtig, damit man einfach mal lernen kann, wie das Ganze funktioniert, ohne dass man seine Zukunft aufs Spiel setzen muss“, erklärt Philo. Gerade für junge Künstler:innen sei es wichtig, anfangs viel zu zeichnen, aber auch keine Scheu vor der Sprühdose zu haben, und dafür brauche es mehr Fläche, wo man sich einfach ausprobieren kann. So zum Beispiel auch die Fläche im Josef-Huber-Park, die im Herzen des Annenviertels die älteste Hall in Graz darstellt und Sprayer:innen einen Ort zum Üben, Austauschen und gemeinsam Kreativ-sein bietet.
Titelbild: Philo Jöbstl im Gespräch über die Grazer Graffiti-Szene. – Foto: Nico Kammeritsch