Ein Garten voller Kulturen

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Ein Gespräch mit Kulturstadträtin Lisa Rücker über Kultur im Annenviertel: Wie sie zum Thema Niesenberger-Schließung steht, warum das Viertel „gentrifiziert“ wird und was Kulturen mit Blumentöpfen gemeinsam haben.

Frau Stadträtin, sind klassische Kunst- und Kulturangebote für jeden leistbar?

Teilweise. Es gibt zum Glück für Leute mit geringem Einkommen den Kulturpass. Damit können sie viele Einrichtungen gratis besuchen. Ich glaube aber auch, dass Klassik auf eine Barriere in Köpfen stößt, sie hat den Mief des Verstaubten. Es gibt aber einige spannende Initiativen, die das ändern wollen, zum Beispiel indem junge KomponistInnen und MusikerInnen auftreten. Generell ist aber eine Hürde da, die etwas mit den Eintrittspreisen zu tun hat. Styriarte muss man sich leisten können. Das stimmt.

Wo findet man niederschwelligen Zugang zur Kultur?

Ich bin überrascht davon, wie viele Projekte mit speziellen Zielgruppen arbeiten. Zum Beispiel gibt es in den Stadtbibliotheken Theateraufführungen für Kinder, die sonst nie in den Genuss von Kulturangeboten kommen würden. Der Verein JUKUS unter der Leitung von Ali Özbas arbeitet zum Beispiel mit kurdischen und türkischen, aber auch österreichischen Jugendlichen zu den Themen Literatur und Film. Ich denke, was immer in diese Richtung passiert, ist zu unterstützen, dazu gehören für mich auch Initiativen wie der Lendwirbel.

Das Kulturzentrum Niesenberger muss schließen. Werden Sie unterstützen, dass es in dieser oder einer ähnlichen Form an einem anderen Ort weitergeht?

Ich bin mit den Leuten dort ständig in Kontakt. Das Niesenberger wird zugesperrt weil es als Ort nicht veranstaltungstauglich ist. Feuerpolizeiliche Regeln können nicht eingehalten werden und die notwendigen Investitionen wären zu hoch. Es werden aber sicher neue Orte gefunden und erobert, das muss eine Stadt aushalten, dass solche Dinge von selbst entstehen. Eine Kultur, wie sie im Niesenberger entstanden ist, kann man nicht verordnen. Das Schwierige daran ist, dass unsere Gesetzgebung enorm enge Schranken setzt. Dadurch stirbt das Lebendige in der Stadt. Natürlich ist die Sicherheit wichtig, aber das Gesetz soll nicht nur Dinge verhindern, sondern es ermöglichen, Veranstaltungen unter optimalen Bedingungen zu machen. Dafür kämpfe ich politisch.

Lisa Rücker im Interview
Wie bewerten Kunst- und Kulturschaffende das Annenviertel als Standort?

Ich glaube, dass es jeder Bereich anders bewertet. Die Galerien sind hauptsächlich auf der rechten Murseite, aber es wandern natürlich immer mehr Dinge hinüber. Diese Aufwertung heißt Gentrification (dt.: Gentrifizierung), dafür ist typisch, dass Künstler und Kreative zuerst angezogen werden. Das Risiko ist, dass die Mieten steigen, weil Investoren das Gebiet entdecken und in bessere Wohnqualität investieren. Im Annenviertel kann man hoffentlich durch bewussten Einfluss verhindern, dass das massiv passiert.  Das Viertel soll keine leere Hülle für die klassischen Marktgeschäfte werden.

Glauben Sie, die Gentrifzierung hat bereits begonnen? Im Herbst wurden Wohnungen im Lend bereits mit „Wohnkomfort im Annenviertel“ beworben, obwohl das eigentlich ein Kunstwort ist.

Ich hab das Plakat auch gesehen. Ja und Nein. Wenn man Gentrifizierung als etwas rein Negatives sieht, dann hat sie schon begonnen, nämlich damit, dass dort neue Wohnungen entstehen. Ich halte es für wichtig, dass in einer Gegend unterschiedliche Schichten wohnen. Natürlich bin ich froh, wenn sich Besserverdiener dort ansiedeln und sich wohlfühlen. Gleichzeitig sollen aber Leute mit niedrigem Einkommen weiterhin im Annenviertel wohnen. Nachdem dort der Bahnhof ist und rundherum auch Gegenden, die nicht so „locker aufzuwerten“ sind, denke ich, dass die Mischung bleiben wird.

Zu einer anderen Definition von Kultur: Im Annenviertel wohnen viele Nationen Tür an Tür und bringen ihre eigenen Kulturen mit. Findet da viel Vernetzung statt oder bleiben die Gruppen unter sich?

Beides. Man soll sich über die eigenen Grenzen hinwegsetzen und mit anderen Kulturen beschäftigen. Auf der anderen Seite ist es wahrscheinlich wichtig, sich trotzdem mit den eigenen kulturellen Traditionen zu identifizieren, um Heimat in dem fremden Land zu finden. Ich sehe es so: Viele Kulturen – viele Blumentöpfe, aber alles zusammen funktioniert als Garten. Man fühlt sich in seinem Blumentopf zu Hause, aber man ist trotzdem neugierig auf das Andere.

Dankeschön.

 

Lisa Rücker im Interview

[box]Lisa Rücker wurde am 10. Mai 1965 in Salzburg geboren. 2003 wurde sie Grazer Gemeinderätin, von 2008 bis 2013 war sie Bürgermeister-Stellvertreterin. Sie lebt im Annenviertel und ist seit Jänner 2013 als Stadträtin für die Bereiche Umwelt, Gesundheit und Kultur zuständig.[/box]

 

 

Anna Felbers größtes Hobby lag einmal unterm Weihnachtsbaum. Die Gitarre hat sechs Saiten, eine Ukulele nur vier. Wieso kompliziert, wenn es einfach geht? Musikalisches Interesse entstand in einer Musikschule. Die Ukulele lernte sie im Selbststudium.
Die 19 jährige träumt, nach der Ausbildung in der PR-Abteilung einer Firma zu arbeiten. Dass sie nun an der FH studiert, hat sie dem Zufall zu verdanken. Und einer Schulfreundin. Dankbar ist sie ihr in jedem Fall.

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