Immer mehr Verkehr, immer weniger Marktstände. Durch die Neuregelung der Annenstraße hat sich die Verkehrssituation noch verschärft, sagt Wolfgang Krainer, ÖVP Bezirksvorstand Lend. Wird der Lendplatz zu einem Platz für Autos statt für Menschen?
Historischer Rückblick
Betrachtet man die Geschichte des Lendplatzes, sieht man, dass der Verkehr schon immer eines der Hauptmerkmale des Platzes war. Zuerst durch den Handel per Schiff auf der Mur, dann durch die Komerzialstraße, wie Gerhard M. Dienes und Karl Albrecht Kubinzky in ihrem Buch „Der Lendplatz-Geschichte und Alltag“ zeigen. Diese führte von Wien über die Grazer Wiener Straße und den Lendplatz nach Triest. Der einstige „Dorfplatz“ entwickelte sich schnell zum Transitplatz und rund herum entstanden sehr viele Gasthäuser. Zum täglichen Treiben gehörten damals Soldaten, Händler und Frächter, die aus allen Ecken des österreichischen Reiches kamen. Die zahlreichen Soldaten wurden zuerst bei Bürgern, ab 1748 in der Lendkaserne untergebracht. In dem denkmalgeschützten Haus befindet sich heute die Polizeiinspektion Lendplatz.
Es entwickelte sich eine multikulturelle Gesellschaft, deren Leben rund um den Lendplatz stattfand, der im 17. Jahrhundert geplant und angelegt worden ist. Die sackartige Form des Platzes entstand durch die natürliche Begrenzung durch einen ehemaligen Murarm von Osten und das „Feuerbachl“ von Westen. Der Name des Platzes kommt aus der Schifffahrt. Das „Anlenden“ bezeichnet die Sicherung eines Schiffes ans Ufer. Zum Gedenken an die Pestopfer wurde 1680 die Pestsäule errichtet. Heute steht die Pestsäule am westlichen Rand des Lendplatzes und hat im Lauf der Geschichte ihren angestammten Platz in der Mitte verlassen.
Marktwesen
Bekannt war der Hauptplatz des Viertels als Marktplatz, an dem bis zu 250 offiziell eingetragene Marktstände ihre Waren anboten. Der Markt diente als Lebensmittelnahversorger der Bewohner. Ende des 19. Jahrhunderts entstand die Markthalle, die zur Hälfte heute noch erhalten ist.
Als jedoch die Eisenbahn die Komerzialstraße als Hauptverkehrsweg der Monarchie ablöste, verlor der Lendplatz rasant an Bedeutung. Dieser Funktionsverlust führte zu einer kompletten Neuorientierung der Nutzung. Von da an erfreute er sich großer Beliebtheit als Veranstaltungsort von Jahrmärkten und sogenannten „Fetzenmärkten“, den Vorgängern der heutigen Flohmärkte.
Im 20. Jahrhundert begann sich der Lendplatz Richtung Osten, und damit zur Altstadt hin, zu öffnen. Bis 1962 war der Lendplatz auch in das Straßenbahnsystem der Stadt eingegliedert. Heute gibt es stattdessen ein großes Angebot an Buslinien.
Feuerwehr und Umbau 1999
Eine lange Tradition hat die Hauptzentrale der Feuerwehr am Lendplatz. Bereits 1877 wurde sie vom Ökonomiegebäude am Mariahilferplatz aus Platzgründen umgesiedelt. In der Zwischenzeit wurde das Gebäude häufig um- und, nach 1944, auch wieder aufgebaut. Die von Graffitikünstlern wie Neo besprühten Tore der Wagenhallen sind ein Unikat.
Mit der Neugestaltung des Lendplatzes, sollte er wieder mehr ein Platz des urbanen Lebens und der Kommunikation statt des Verkehrs werden. Dafür wurde die Ostseite des Platzes verbreitert, Bäume wurden gepflanzt und im Norden entstand eine begrünte Verkehrsinsel. Auch die Verkehrsführung wurde im Bereich der Stockergasse, der Keplerstraße und der Platzmitte neu konzipiert und breite Radfahrstreifen in beide Richtungen geschaffen. Auf dem Marktplatz entstanden mehrere rote Kuben, die Cafés, fixe Marktstände und Lokale beherbergen. Der damalige Stadtrat Franz Josel ( FPÖ) meinte nach der Fertigstellung, der Platz sei ein „Platz für Menschen“ geworden und seine Funktion als Verkehrsdrehscheibe trotzdem erhalten geblieben.
„Wenn man einen Platz beleben will, muss man alles Statische weggeben und schauen dass er dynamisch wird“, sagt Wolfgang Krainer. Seiner Meinung nach ist das am Lendplatz durchaus gelungen umgesetzt worden. Die Neugestaltung war notwendig und hat viel Positives gebracht, sagt er. Als Beispiele nennt er unter anderem die neue Verkehrsführung und die Auslagerung einiger „Standeln“ aus der Markthalle in die roten Kuben. Kritisch blickt Wolfgang Krainer auf den Umgang mit den alten Kastanienbäumen im Süden des Platzes. Die Bäume wurden gefällt und durch neue ersetzt. Dabei wurde der Bodenbereich rund um den Stamm verkleinert. Der Boden bietet dadurch nicht genug Nährstoffe und die Bäume sterben ab. Deshalb mussten in den letzten Jahren schon mehr als 10 der neuen Bäume wieder ausgetauscht werden. Während im Norden eine gute Lösung für die Begrünung gefunden wurde, so gibt es im Süden des Lendplatzes Handlungsbedarf.
Gegenwart
Und heute? Der Lärmpegel und die hektische Atmosphäre laden nicht gerade zum Verweilen ein. Im Gegensatz zum Verkehr sind die Stände am Bauernmarkt weniger geworden und Lebensmittelkonzerne haben die Nahversorgung übernommen. „Die Markthalle gehört dringendst und großzügig saniert“, merkt Wolfgang Krainer an, denn dort hat sich schon beim Umbau nichts verändert. Außerdem wäre es nötig, ein Konzept für die Müllentsorgung zu gestalten. Im Moment haben die Betriebe nicht die Möglichkeit den Müll zu trennen und ordnungsgemäß zu entsorgen. Hier braucht es dringend eine Lösung, erklärt Krainer.
Positiv ist die Entwicklung des Lendplatzes als regelmäßiger Veranstaltungsort. So finden unter anderem im Mai der „Lendwirbel“ und von Juni bis August lateinamerikanische Tanzveranstaltungen statt. Im August ist das Harley Davidson Treffen seit 2011 ein Fixpunkt, und im September laden die Veranstalter zu einem dreitägigen Herbstfest ein. Besonders machen den Lendplatz laut Wolfgang Krainer neben dem Bauernmarkt und den Veranstaltungen vor allem die Geschäftsleute. Sie seien sehr engagiert und jeder mache sich Gedanken darum, wie man den Platz noch attraktiver für das Publikum machen kann.
Besucht man den Lendplatz am Markttag, dann lässt sich sogar der Verkehrslärm ausblenden. Geschäftiges Treiben und fröhliches Geplauder übertönen die Motorengeräusche. Der südliche Teil des Lendplatzes mit den Marktständen, den Geschäften in der Markthalle, den verschiedenen Cafés und Lokalen ist ein „Platz des urbanen Lebens“ und zumindest ein kleiner Bereich gehört hier den Menschen und nicht dem Verkehr.