Copyright: Margit Steidl
Copyright: Margit Steidl

Die Zukunft der Stadt beginnt in Graz

Lesezeit: 2 Minuten

Letzte Woche haben in Graz zwei Konferenzen zur Zukunft der Stadt stattgefunden, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Obwohl beide versucht haben, dieselben brennenden Themen aufzugreifen.

Städte stehen weltweit massiv im Wandel. Sie verändern sich in unserer schnelllebigen Zeit in ihrer Größe, Vielfalt und Komplexität. Diesem Thema widmeten sich zwei besondere Veranstaltungen mit jeweils sehr unterschiedlichen Zugängen.

In der Grazer Stadhalle fand die Urban Future Global Conference (UFGC) statt, wo PolitikerInnen, StadtplanerInnen und ExpertInnen Themen wie Mobilität, Energiewirtschaft, Kommunikation und Stadtplanung erörterten und der Frage nachgingen, wie diese Städte „smarter“ und nachhaltiger gemacht werden. Mehr als 180 Vortragende aus vier Kontinenten stellten ihre Expertise der Öffentlichkeit vor.

Gleichzeitig zu diesem Expertenkongress ging in der Ateliergemeinschaft Printi im Grazer Annenviertel die Urban Future Bar  über die Bühne. Rund hundert Teilnehmer, darunter Experten, die auch als Vortragende an der UFGC im Messezentrum teilnahmen, debattierten über dieselben Themen wie in der Stadthalle. Der wirklich markante Unterschied war, dass im Annenviertel auch BürgerInnen der Stadt Ideen zur Entwicklung von Smart-Cities an konkreten Beispielen aus Graz erarbeiteten. Für die Frage, wie sich BewohnerInnen der Stadt aktiv in den Prozess einbinden können, gibt es noch keine konkrete Anwort. Daher stand das Lernen und Experimentieren bei der Urban Future Bar im Vordergrund, wohin gegen in der Stadthalle theoretische Modelle diskutiert wurden. Der Eintritt war im Printi frei, in der Stadthalle kostete das Standardticket für zwei Tage stolze 750 €. Das entspricht dem Gesamtbudget, das die Urban Future Bar im Printi benötigte.

Bilder von der Urban Future Bar im Atelier "printi"
Das Atelier „printi“, Transmedialer Arbeitsraum für verschiedenste Professionen, war gut gefüllt

Die Urban Future Bar schaffte aber genau diesen Spagat zwischen Expertisen und Bürgermeinungen. Vier Themenschwerpunkte – konkrete Entwicklungsprojekte in Graz – wurden zur Wahl gestellt und in Arbeitsgruppen analysiert und bearbeitet. Alle diese Stadtentwicklungsprojekte sind durch und mit BürgerInnenbeteiligung, also von unten nach oben (Bottom-Up) vor Ort entstanden. Bestes Beispiel dafür ist der Lendwirbel, der auch thematisiert wurde. Im Selbstverständnis dieses Stadtteilfestes findet sich die gemeinschaftliche Nutzung des Raumes der Stadt wieder. Die Gegend rund um Lendplatz und Südtirolerplatz verwandelt sich jedes Jahr im Mai für eine Woche zu einem „open-space“, also einem offenen städtischen Wohnzimmer, das aktiv zur Mitgestaltung der Stadt durch Ideen, Musik, Kunst und Gespräche einlädt. Die Annenpost berichtete auch heuer wieder live.

Bilder von der Urban Future Bar im Atelier "printi" copyright Margit Steidl
In Gruppen wurden konkrete Grazer Beispiele zur Stadtentwicklung durchdacht. copyright Margit Steidl

 

Die Komplexität der Herausforderungen für die Stadt von morgen ist unüberschaubar geworden. Diese Aufgaben allein durch und mit ExpertInnen umzusetzen, ohne die BürgerInnen der Stadt miteinzubeziehen, ist für die Veranstalter der Urban Future Bar undenkbar. So traf zum Beispiel Elke Rauth, stellvertretende Obfrau des Verein dérive für Stadtforschung, folgende pointierte Aussage : „Die EinwohnerInnen sind die Stadt, ohne diese zu berücksichtigen, wird man die Stadt nicht weiterentwickeln können“.

Derzeit wird in der Stadtentwicklung auf bürgerferne Formen gesetzt: PolitikerInnen und StadtentwickerInnen bestimmen, wie BürgerInnen an der Diskussion teilnehmen können und in welcher Form sie sich beteiligen dürfen. Das entspricht dem Top-Down- Prinzip, Entscheidungen werden von „oben“ nach „unten“ durchgesetzt. In der Realität sorgt mangelnde Mitbestimmung für keine hohe Zufriedenheit der Betroffenen, also der Bürger. Bestes Gegenbespiel für diese instrumentalisierte Form der Stadtentwicklung ist etwa Potsdam. Mit dem „Büro der Bürgerbeteiligung“ wurden konkrete Grundsätze beschlossen, wie die Stadtentwicklung unter der Berücksichtigung der Bedürfnisse der Bürger vonstatten gehen sollte. „Eine frühzeitige Einbeziehung der EinwohnerInnen fehlt derzeit oftmals. Sie ist jedoch erstrebenswert, damit Entscheidungen zu Fragestellungen gemeinsam erarbeitet werden und nicht im Nachhinein über schon beschlossene Sachverhalte debattiert wird,“ wie Nils Jonas vom Büro der Bürgerbeteiligung  im Rahmen der Urban Future Bar schildert. Weiters spricht der Experte von der „strukturierten Beteiligung“ einer Gruppe von gewählten Volkvertretern, Stadtpolitikern und Experten.

Daniel Moser, Mobilitätsexperte von Greenpeace Deutschland, hob ebenfalls das fehlende menschliche Element in der Stadtplanung hevor. „Mobilität und Transportwesen müssen den Verbraucher verstehen, um erfolgreich entwickelt zu werden. Die Technologie wirkt heutzutage nur wie ein selbstverständliches Gut, das ohne den Menschen gar nicht existieren würde. Demokratische Elemente müssen in die Debatte zur Smart-City-Entwicklung mit eingebracht werden,“ so der Experte abschließend.

Kreativ. Pragmatisch. Bedacht. Beschreibungen, die auf ihn zutreffen. Hat ein Händchen für die schönen Dinge im Leben. Zudem ein Liebhaber der elektronischen Musik.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

zwanzig − 19 =

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Vorherige Geschichte

Weihnachtsdruckerei im Annenviertel

Nächste Geschichte

Wonderlend – Adventmarkt mal anders zelebrieren

Letzter Post in VIERTEL(ER)LEBEN