Die Vorstadtwindn und der Volksgartenpark

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Der Kiosk am Volksgarten hat den Wandel des Parks vom Familienpark zum „Drogenbrennpunkt“ miterlebt – als verdeckte Ermittlungszentrale der Polizei, Vierteltreffpunkt aber auch als finanzieller Verlierer. Die Betreiberin erzählt uns die Geschichte des Parks.

Schon seit den 70er Jahren steht der Kiosk im Volksgartenpark

Der Verein „Sicher leben in Graz“ (Die Annenpost berichtete) hat es sich zum Ziel gemacht, die Stadt sicherer zu machen. Beginnen will er dabei beim Volksgartenpark, dem angeblichen Drogen-Hotspot von Graz. Aber ist der schlechte Ruf der Gegend wirklich gerechtfertigt? Magdalena Kaufitsch nimmt uns mit auf einen Spaziergang durch den Park. 15 Jahre hat sie den Kiosk am Volksgarten, gemeinsam mit ihrer Schwester, betrieben. Einen richtigen Namen hatte der Kiosk trotz all der Jahre nie. „Wir nennen ihn ‚Das Standl‘, manche Gäste ‚Vorstadtwindn‘. Aber meistens hieß es bei den Gästen einfach „Wir gehen ‚zur Sonja‘, das ist meine Schwester.“ Viele Stammgäste wurden mit der Zeit zu Familienfreunden und sahen ihre Töchter aufwachsen. Diese Gäste waren es, die dem Kiosk auch in der Krise die Treue gehalten haben. „So wie der Ewald“, lacht sie. „Der Ewald war immer da“. Trotzdem hat der Betrieb in den letzten Jahren einen Großteil seiner Gäste verloren. Der schlechte Ruf des Volksgartenparks wirkte sich verheerend aus. Die Leute begannen, die Gegend zu meiden.

Nur wenige Leute bleiben jetzt sitzen, das magere Hauptgeschäft kommt mittlerweile von der Laufkundschaft. „Unsere Gäste haben einfach Angst bekommen“, erklärt sie. Denn es gibt im Kiosk keine Vorhänge, die zugezogen werden können – Die einzigen Sitzgelegenheiten gibt es im Gastgarten. Hier ist man mitten drinnen. Auch früher habe es zwar gelegentlich Drogendeals im Park gegeben, erzählt Magdalena Kaufitsch. Verändert habe sich aber die Offensichtlichkeit. „Denn wenn man damals nicht wusste, was dort passierte, bekam man es auch nicht mit. Heute passieren Drogendeals und Schlägereien auch tagsüber. Teilweise ziehen Drogensüchtige sogar Lines von den Parkbänken -vor den Augen der Gäste.“ Auch die restliche Gastronomie um den Park würde leiden. Sogar ein Bordell hat angeblich Ärger wegen illegaler Prostitution im Volksgarten. Der Standort Volksgartenpark, der früher das Geschäft belebt hat, hat ihm nun das Genick gebrochen. Die Schwestern müssen verkaufen.

Magdalena Kaufitsch: „Ich habe die Freude an der Arbeit verloren!“

Die multikulturelle, gemütliche Atmosphäre machte den Park in den 90ern zum idealen Standort für die Pläne der Schwestern. Auch privat verbrachten sie viel Zeit im Viertel. Als Familienbetrieb übernahmen sie den Kiosk, auch die Eltern halfen anfangs noch mit. Sie bauten um und vergrößerten. Schnell gab es nicht mehr nur Eis und Süßwaren, wie es heute noch auf dem Schild am Kiosk geschrieben steht, sondern auch kleine Imbisse. Das Geschäft lief von Anfang an gut, auch Magdalenas Kinder verbrachtem viel Zeit auf ihrem „riesigen Spielplatz“ Volksgartenpark neben dem elterlichen Betrieb. Bedenken hatte sie dabei nie.

Im Park gab es einen Eislaufplatz, Krampusläufe und sogar lange einen Christkindlmarkt am Rande des Parks. Der Kiosk mittendrinnen sei ein Treffpunkt des Viertels um den Lendplatz gewesen – jeden Tag geöffnet, oft auch bis spät in die Nacht. Hier habe man sich ausgetauscht und den neuesten Vierteltratsch erzählt. „Das Viertel um den Lendplatz hat manchmal fast etwas Dörfliches. Man kennt die Leute und erzählt sich auch viel.“ Die Schwestern veranstalteten mehrtägige Sommerfeste mit Live-Bands und Frühshoppen, es wurden Grillabende organisiert und Karten gespielt. „Es war eine schöne Zeit“, sagt sie lächelnd. Doch vor vier Jahren haben sie damit aufgehört, denn die Gäste fehlen.

„Die Atmosphäre im Park hat sich drastisch verändert“, sagt Magdalena. Der Park würde nicht mehr richtig gepflegt werden, wo früher Blumen wuchsen, sei es heute kahl. Auch der ehemalige Zebrastreifen vor dem Kiosk wurde versetzt, man versuche den Park so gut wie möglich zu umschiffen, meint sie. Versucht habe man zwar viel, um die angespannte Stimmung im Park zu beruhigen, doch wirklich verändert hätte sich nichts. Die Polizei fühle sich wohl machtlos gegen die aufkommende Kriminalität. „Denn man kann gar nicht so schnell schauen, wie die Dealer weg sind, wenn Polizei naht. Und wenn sie einen erwischen, steht halt morgen ein anderer da.“  Ein Erlebnis vergisst sie jedoch nicht: Als die Schwester bei einer Massenschlägerei im Park die Polizei gerufen hatte, wäre die erste Frage der Polizei gewesen: „Sind auch Inländer involviert?“

Auch als versteckte Ermittlungszentrale der Polizei diente das „Standl“ schon. „Oft wurden wir gefragt, ob wir dieses beobachtet oder jenes gesehen hätten. Sogar zivile Polizisten setzten sich ab und an mit Fernglas und Headset in den Gastgarten. Wir waren halt immer mitten drinnen.“ Doch auch selbst von der Kriminalität betroffen war der Familienbetrieb. Magdalena zeigt auf Einbruchspuren am Kiosk. „Geld haben wir nie im Kiosk aufbewahrt, aber Zigaretten haben sie mitgenommen.“ Der Kiosk selbst diente sogar als Drogenversteck: Dealer platzierten mehrmals ihre Drogenpakete in der Dachrinne.

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In den letzten fünf Jahren wurde mehr als zehn Mal in den kleinen Kiosk eingebrochen

Wichtig ist ihr jedoch zu betonen, dass auch in anderen Parks die selben Probleme herrschen. Denn es sei viel mehr ein allgemeines Problem der Drogenpolitik der Stadt. Doch der Volksgartenpark habe in besonderer Weise fragwürdigen Ruhm erlangt. Aber weder strengere Kontrollen noch Lockerung der Drogengesetze sieht Magdalena dabei als Lösung. Vielmehr solle man mehr auf die kriminell Gewordenen eingehen. „Diese Leute sind ja fast wie verloren und sehen keine Perspektive.“ Wichtig wäre es hier anzupacken und den Menschen Alternativen aufzuzeigen. Vielen, vor allem jungen Menschen, sei einfach langweilig. Man müsse die Jugendlichen beschäftigen. „Denn die Gegend um den Lendplatz ist doch eigentlich so ein schönes Viertel!“

 

Wenn Eva nicht gerade im Annenviertel recherchiert, steckt sie ihre Nasen am liebsten in Bücher, geht ins Theater oder verreist. In ein paar Jahren wahrscheinlich in Berlin anzutreffen.

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