Anisleydis Rueda: "Ich hoffe, dass ich meine Stammkunden nicht verliere!"

Lendhaus vor dem Aus

Lesezeit: 2 Minuten
Nach nur einem Jahr steht die “Lendhausfamilie” ohne Zuhause da. Mit Jahresende müssen fünf Initiativen, darunter der Verein Lendwirbel, das Haus in der Grüne Gasse verlassen, um einem Hotelprojekt Platz zu machen.
Anisleydis Rueda: "Ich hoffe, dass ich meine Stammkunden nicht verliere!"
Anisleydis Rueda: „Ich hoffe, dass ich meine Stammkunden nicht verliere!“

Stolz steht sie hinter dem Verkaufstisch und begrüßt ihre Gäste mit einem strahlenden Lächeln. Anisleydis Rueda hat die Zeit im Lendhaus genossen. Die gebürtige Kubanerin ist seit einem Jahr die Besitzerin des Bio-Lebensmittelladens, der sich im Haus befindet. Für sie war es das erste eigene Geschäft. Über das unmittelbar bevorstehende Ende der etwas anderen WG, die sie sich mit vier anderen Vereinen in dem alten Fabriksgebäude in der Grüne Gasse teilt, ist sie sehr traurig. “Wir sind eine kleine Familie geworden.” Obwohl sie in längstens drei Monaten ausziehen muss, ist die lebhafte Anisleydis optimistisch und bleibt ihrem Motto treu: “Das Leben geht weiter!” Auf den Umzug bereitet sie sich zwar vor, allerdings hat sie noch keinen neuen Platz für das Geschäft gefunden. Sie hofft, möglichst in Lendplatznähe weitermachen zu können. Sonst würde sie viele ihrer Stammkunden verlieren, die ihren Laden im letzten Jahr liebgewonnen haben. Viele sind ihr ans Herz gewachsen – ob sie nun ihre Produkte kaufen oder einfach nur zum Reden vorbeikommen.

Ähnlich wie ihr geht es auch den Betreibern des Lendwirbels und der Vereine Urbanes Gärtnern, Transition und Alles Garten. Der frühere Rennfahrer Helmut Marko, dem das Gebäude gehört, will hier im nächsten Jahr mit dem Bau eines Hotels zu beginnen. Er hatte sich bereit erklärt, gegen einen geringen Beitrag das Gebäude den Lendwirbel-Organisatoren bis 2016 zur Verfügung zu stellen. Das Lendhaus selbst wurde schließlich als Gemeinschaftsprojekt gestartet. Rueda wird vor allem den freundschaftlichen Umgang, den alle miteinander pflegen, vermissen. “Unsere Türen sind füreinander immer offen. Sogar kubanische Abende habe ich in den großen Gemeinschaftsräumen veranstalten können. Das hat allen viel Spaß gemacht. Eine große Abschiedsparty ist auch geplant”, sagt sie.

20151001084747
Auch die Zukunft des Lendhauses zerrinnt förmlich.

“Hier hatten wir Raum für Ideen“
Der Abschied kommt früher als ursprünglich geplant. Marko hat die Baugenehmigung für sein Hotel vorzeitig erhalten. Bis zum 31. Dezember müssen nun alle Bewohner ausziehen. Ab 2016 soll hier Markos – nach dem Augarten- und dem Schloßberghotel – drittes Hotel in Graz entstehen. Das für den neuen Komplex verantwortliche Architektenbüro spricht von einem Projekt, das auch die Nachbarschaft und Kunst nicht außen vor lässt.

Manuel Schöndorfer, der für das bunte Treiben am alljährlichen Lendwirbel mitverantwortlich ist und seit einem Jahr im Lendhaus arbeitet, sieht die Zwischennutzung  in der Grüne Gasse als Erfolg. Ein fixer Ort hat die Planung für ihn einfacher gemacht. “Hier hatten wir Raum für Ideen”, sagt er. Er verbindet mit dem Gebäude sein Ideal: “Es mangelt in Graz an Platz, um sich austoben zu dürfen. Wir brauchen mehr öffentliche Räume.”

Neustart
Andreas Flach, Obmann des Vereins Lendwirbel, sieht das Problem hingegen weniger in mangelndem Leerstand als in der Bereitschaft der Besitzer. “In den meisten Fällen stehen Bauten vor dem Abriss jahrelang leer, weil es an Mut fehlt, diese an alternative Zwischenmieter zu vergeben.” Gerade deshalb ist Flach dankbar, dass Helmut Marko ihnen das Gebäude überhaupt zur Verfügung gestellt hat. Flach hofft darauf, dass weitere diesem Beispiel folgen. Seiner Meinung nach hat das Projekt Lendhaus bewiesen, dass Übergangslösungen, bei denen Mieter in leerstehende Häuser vorübergehend einziehen, funktionieren können. “Dass wir irgendwann ausziehen müssen, war von Anfang an klar. Dass alles doch ein Jahr früher zu Ende geht, kam überraschend.”

Die bunte Community will in Zukunft zusammenbleiben. Sie wünschen sich ein Lendhaus 2.0 mit großen Räumlichkeiten in Lendplatznähe.

Text von: Isadora Wallnöfer, Tanja Unterweger, Johanna Wöß, Robert Szeberényi, Markus Steinrisser

Optimistin, Bücherwurm und Meisterin im schnell reden. Reist gern und viel - am allerliebsten nach Irland. Geht niemals ohne Musik aus dem Haus.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

sechzehn − vierzehn =

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Vorherige Geschichte

Letzte Ernte im Niesenbergergarten

Nächste Geschichte

Federleichte Faltenwürfe

Letzter Post in VIERTEL(ER)LEBEN