Ein Viertel, vier Weltreligionen

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Ob jüdisch, muslimisch, christlich oder buddhistisch: Nirgendwo sonst in Graz haben so viele verschiedene Religionsgemeinschaften ihre Gebetshäuser und Glaubenszentren wie im Annenviertel. Wie funktioniert das Mit- und Nebeneinander der verschiedenen Welt- und Paradiesansichten?
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Die Friedensbotschaft wurde vom Geläut der Mariahilferkirche untermalt

Es blinkt kurz, dann läuft in weißer Leuchtschrift eine Botschaft über die gewölbte Fassade des Kunsthauses: As-salam alaikum – Peace be upon you – Friede sei mit euch – Que la paix soit sur vous. Vor dem Eingang des Gebäudes hat sich eine Gruppe von Menschen versammelt, die zu dem vorbeigleitenden Schriftzug aufsieht. Eine Frau verteilt Kerzen unter den Umstehenden, ein Jugendlicher hält eine regenbogenbunte Peace-Fahne in den Händen, junge Musliminnen wärmen sich die Hände an den Kerzenflammen.

Es ist der Tag vor dem Menschenrechtstag, und die IRG Graz, die Islamische Religionsgemeinde Graz für das Bundesland Steiermark, hat zu einem „Lichtermeer für den Frieden“ geladen. Im Gedenken an die Opfer von Terror und Gewalt weltweit, insbesondere diejenigen, die den Anschlägen in Paris, dem Libanon, Nigeria und Mali zum Opfer gefallen sind. Zwar hat die muslimische Gemeinde die Veranstaltung organisiert, doch mitgetragen wird sie von mehreren in Graz vertretenen Glaubensgemeinschaften. Es ist eines von vielen interreligiösen Events, die regelmäßig in der steirischen Landeshauptstadt stattfinden. Die Feier wird mit einem buddhistischen Ritual eröffnet, zwischen den Reden der einzelnen ReligionsvertreterInnen singen die Anwesenden christliche und muslimische Lieder. Hermann Miklas, Superintendent der Evangelischen Kirche Steiermark, meint mit Blick auf die Kerze in seinen Händen: „Verbreitet Licht, aber widersteht der Versuchung, zu zündeln!“ Und in seiner Abschlussrede sagt Ali Kurtgöz, Vorsitzender der Islamischen Religionsgemeinde Graz für das Bundesland Steiermark, zu den anderen ReligionsvertreterInnen gewandt: „Die Kultur des Miteinanders und des Dialogs ist der einzige Weg zum Frieden.“

Um genau diese Kultur ist es in Graz gut bestellt, meint Nicola Baloch vom Afro-Asiatischen Institut: „In Graz gibt es eine lange Tradition des Dialogs“, erklärt sie. Über ihr Büro läuft der Großteil der interreligiösen Zusammenarbeit in der Stadt. „Egal welche Feste und Feiern – es gibt immer die gegenseitige Einladung der Religionsgemeinschaften. Und das passiert besonders im Annenviertel, wo so viele auf einem Platz vertreten sind, natürlich verstärkt.“

Maria und Buddha

In Gries und Lend sind tatsächlich vier Weltreligionen vertreten, eine Vielfalt, die man sonst in keinem anderen Viertel der Stadt findet. Neben den verschiedenen christlichen Konfessionen haben hier auch die muslimische, die jüdische und die buddhistische Gemeinschaft ihre Gebetshäuser und Glaubenszentren.

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Gemeinsam für den Frieden

Außer ihrem Stupa, einer Art Schrein, der im Volksgarten aufgestellt ist, hat die buddhistische Gemeinschaft auch ihr She Drup Ling-Zentrum direkt am Südtirolerplatz. Im Treppenaufgang steht eine barocke Marienstatue, zu ihren Füßen liegen liebevoll drapierte Plastikblumen. Nur einen Schritt weiter findet sich eine goldene Buddhastatue auf der Fensterbank. Barbara Klell vom Zentrum quittiert das mit einem Schmunzeln. „Die Statue war schon immer da – sie gehört zu unserem Haus einfach dazu“, sagt sie lächelnd. „Wir Buddhisten haben keinen Missionsanspruch.“ Das Annenviertel, „das da draußen“, spielt im Leben der Gemeinde allerdings keine Rolle. Nur eines wünsche sie sich, meint Barbara Klell: „Die Kinder im Volksgarten sollen aufhören, auf dem Stupa herumzuklettern!“

„Von einer Verwurzelung im Annenviertel kann man heute nicht mehr reden“, meint auch Luka Girardi vom Israelitischen Kultusverein Graz. „Während vor dem Holocaust viele Grazer Juden und Jüdinnen in der Nähe der Synagoge wohnten, sind sie heute über Graz, die Steiermark, das Südburgenland und Kärnten verstreut.“ Die historische Verbindung der Synagoge mit dem Viertel habe heute kaum mehr Bedeutung, so Girardi.

„Vor Gott gibt es keine Klassifizierungen nach Ethnien“

Eine Gemeinschaft, für die das Annenviertel sehr wohl eine Rolle spielt, ist die der katholischen Andräkirche. „Vor kurzem gab es bei einer Feier Fürbitten in zwölf Sprachen!“, betont Pfarrer Hermann Glettler die Internationalität seiner Gemeinde. Besonders Gläubige aus Nigeria und Ghana sind stark vertreten. Das der Kirche angeschlossene Lerncafé wird hauptsächlich von muslimischen Kindern genützt. „Vor Gott gibt es keine Klassifizierungen nach Ethnien“, meint der Pfarrer dazu. Die interreligiöse Zusammenarbeit im Viertel sieht er im Großen und Ganzen positiv. „Wir treffen uns, pflegen gute nachbarschaftliche Beziehungen bis hin zu echten Freundschaften und haben im Bezirk einen Abend gemeinsamen Betens im Jahr.“ Allerdings: „Zur Zeit geht in Graz von muslimischer Seite kaum eine Initiative zum Dialog aus, ausgenommen die bosnische Gemeinde und die Jugendinitiativen“, schildert Hermann Glettler seine Wahrnehmung. „Das ist eine Ungleichheit, die mich stört.“

Vonseiten der muslimischen Gemeinden verweist man auf eine Vielzahl gemeinsamer Initiativen und Projekte, etwa den Trialog, also die Zusammenarbeit von Juden, Christen und Muslimen, oder eine interreligiöse Dialoggruppe. „Es finden auch mehrmals im Jahr Tage der offenen Tür statt, um unseren Mitmenschen einen Einblick in den Alltag der Vereine und Moscheen zu gewähren und ihnen aus erster Hand Informationen zu geben, damit Vorurteile abgebaut werden können“, meint Ali Kurtgöz. Unter dem Dachverband der IRG, der er vorsitzt, ist der Großteil der muslimischen Einrichtungen in der Steiermark organisiert. „Wie man so schön sagt:  man fürchtet, was man nicht kennt. Deshalb ist es wichtig, aufeinander zuzugehen und miteinander zu reden, denn: durch‘s red‘n kommen d‘Leut zamm!“

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Im Anschluss an das Lichtermeer fand im Space 04 ein Konzert statt

Vor dem Kunsthaus ist es mittlerweile kalt geworden. Die Menschen stellen ihre Kerzen auf den Stufen ab und beginnen, sich in alle Richtungen zu zerstreuen. Manche gehen in Richtung der Straßenbahnhaltestelle, andere zieht es in das warme Foyer des Kunsthauses. Dort findet an diesem Abend ein Konzert statt. Es spielt ein interreligiöses Ensemble.

 

 

liebt alles mit punkten, knusperkeks-schokolade und die kunst von frida kahlo. redet viel, gern und laut. lacht noch lauter. zeichnet und schreibt aus leidenschaft.

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