Nicoletta und Elisabeth im Einsatz für ein besseres Graz
Nicoletta und Elisabeth im Einsatz für ein besseres Graz

Hilfe auf vier Rädern

Lesezeit: 4 Minuten
Jeden Tag macht der Vinzibus halt am Hauptbahnhof. Seit bald 25 Jahren. Für manche ist er ein kommunikativer Fixpunkt, für andere bringt er lebensnotwendige Unterstützung.

Nicoletta und Elisabeth im Einsatz für ein besseres Graz
Nicoletta und Elisabeth im Einsatz für ein besseres Graz

Es dämmert, es ist kalt und der Vinzibus startet seine abendliche Rundfahrt. Die täglichen Anfahrtsstellen sind der Augarten, der Jakominiplatz und der Hauptbahnhof. Ziel ist es, Menschen, die ökonomisch benachteiligt sind, unter die Arme zu greifen. Bereits seit bald 25 Jahren versorgt der Vinzibus jeden Abend bedürftige Menschen mit Tee, Broten und Gebäck. Das anfängliche Ziel des Pfarrers Wolfgang Pucher, Gründer der Vinzi-Initiativen Graz, war es, einen Kommunikationsraum für Bedürftige zu schaffen, denen es sonst oft an Zuwendung fehlt.

Wo ist denn der Tee?
Seit acht Jahren übernehmen Nicolette Wabitsch und Elisabeth Schedlbauer jeden zweiten Dienstag die Essensverteilung. Eigentlich ist jeder Wochentag fix einer Pfarre zugeteilt, dienstags übernimmt aber immer eine andere das Broteschmieren und Teekochen. Letzteres wurde an diesem Abend leider verabsäumt. „Gibt es heute keinen Tee?“, wird es von den Wartenden nicht nur einmal heißen, schlussendlich sind aber alle mit Fruchtsaft zu vertrösten.

Bevor Essen verteilt werden kann, muss der Bus mit weiteren Lebensmitteln beladen werden. Auch das Backwerk in der Annenstraße ist ein fixer Stopp des Vinzibusses. Der Bus kommt kurz vor der Schließung, Nicoletta und Elisabeth dürfen nicht verkauftes Gebäck mitnehmen um es anschließend zu verteilen. Der Verkäufer öffnet freundlich die Türen und im Nu sind etliche Kisten voll mit duftenden Leckereien. Die letzte Station, von der Essen abgeholt wird, ist das Vinzidorf, eine Einrichtung für obdachlose Männer. „Heute haben wir besonders viel bekommen!“, freuen sich Nicoletta und Elisabeth.

„Is schon super“
Einer der Wartenden am Bahnhof ist Herbert, er kommt fast jeden Tag zum Vinzibus. Herbert setzt an, um auf die Frage, wie er den Vinzibus findet, zu antworten, doch da wird er schon unterbrochen. „Schon super“, antwortet ein anderer für ihn. „Aber echt“, ergänzt eine Dame. Für Herbert, der sich selbst als „schuldenfreier Pensionist“ bezeichnet, und viele andere ist der Vinzibus eine enorme finanzielle Entlastung, denn durch das kostenlose Essen kann er seine monatlichen Ausgaben stark reduzieren. Vor allem am Ende des Monats nutzen viele diese Möglichkeit. Herbert holt jedoch nicht nur für sich selbst etwas zu essen, sondern auch für eine Bekannte, die es wegen ihrer zwei Jobs nicht schafft, selbst zur Broteausgabe zu kommen. Neid um das Essen gibt es hier keinen, meint Herbert, aber viele denken, dass er selbst – aufgrund seiner äußeren Erscheinung – nicht unbedingt auf den Vinzibus angewiesen ist. „Jeder hat einen Grund, hier zu sein“, erklärt Herbert, der sich mit einem Handschlag und vollgepackten Sackerln verabschiedet.

Herbert und viele andere warten tagtäglich auf frisches Brot
Herbert und viele andere warten tagtäglich auf frisches Brot

Fotos sind dann doch ok
Zu Beginn antwortet niemand auf die Frage, ob es in Ordnung wäre ein Foto zu machen, schlussendlich stimmen aber alle zu – solange ihr Gesicht nicht erkennbar ist. „Ja, aber mein Hund darf nicht drauf sein, der ist überall bekannt“, meint eine Frau dazu. Viele der Wartenden halten ihren Blick bei der Ankunft des Busses gesenkt, reichen aber freundlich die Hand zum Gruß. „Zu Beginn haben wir einander nie die Hände gereicht, bis uns Wolfgang Pucher darauf aufmerksam gemacht hat, dass es die Leute sicher freuen würde“, erzählt Nicoletta, „Pfarrer Pucher hat einfach ein Gespür dafür.“

Kulinarische Präferenzen und andere Wünsche
Menschen, die der islamischen Glaubensgemeinschaft angehören und die Vinzi-Einrichtung nutzen, bitten aufgrund ihrer Religion um Käsebrote. Über die Süßspeisen des Backwerks freuen sich alle am meisten. Hier und da hört man ein „Nein, ich habe das Brot von hinten schon gesehen und wollte genau das haben, das sie soeben hergegeben haben“ oder ein „Wieso gibt es kein Zuckerreinkerl mehr für mich?“, aber abgesehen davon sind alle sehr zufrieden mit dem, was Nicoletta und Elisabeth ihnen reichen. Viele bringen Sackerln mit, um Brotlaibe mit nach Hause nehmen zu können. Ein Mann fragt, ob es möglich ist, ihm etwas Saft für später abzufüllen. Keiner aber nimmt sich mehr als notwendig; auch wenn man dezidiert nachfragt, ob nicht noch jemand etwas möchte, lehnen alle dankend ab.

Auch drei ausländische Studierende warten auf die Essenausgabe, denn sie leben in Graz von einem minimalen Stipendium und sind auf zusätzliche Hilfe angewiesen. Sie reden kaum, lächeln scheu und sind schnell wieder weg. „Bussi, danke!“, ruft eine Frau, bevor sie wieder mit einem prall gefüllten Plastiksack im Dunkeln verschwindet. Manche bleiben etwas länger, lassen sich ihren Becher mit Saft nachfüllen und tauschen sich ein bisschen aus, andere holen sich schnell ein Weckerl und gehen wieder ihre Wege.

Nicht jeden Tag stehen so viele Lebensmittel zur Verfügung, manchmal muss jede und jeder mit weniger auskommen. „Die meisten aber verstehen, wenn es mal nur zwei Brote gibt“, sagt Elisabeth.

Diesmal konnten die Helferinnen besonders viel einpacken
Diesmal konnten die Helferinnen besonders viel einpacken

Und was, wenn was übrigbleibt?
An so manchem Tag bleiben Lebensmittel über, obwohl Nicoletta und Elisabeth großzügig austeilen. Schlecht wird beim Vinzibus natürlich nichts, Reste werden in das Vinzinest, eine Notschlafstelle für Männer, gebracht oder in einem Depot gelagert.

Die zwei Frauen erklären, dass früher unter zehn Wartenden oftmals nur eine Frau war. Mittlerweile nehmen jedoch immer mehr Frauen die Hilfe in Anspruch.

Auf die Frage, warum sich Nicolette und Elisabeth freiwillig in ihrer Freizeit für den Vinzibus engagieren, lächeln beide. „Man tut etwas für die Gesellschaft, selbst geht es einem ja gut“, meint Nicoletta. „Wenn jeder ein bisschen macht, könnte man viel ändern“, ergänzt Elisabeth und nickt zustimmend.

[box] Information zur ehrenamtlichen Mithilfe unter: http://www.vinzi.at/de/mitarbeit/ehrenamt/ [/box]

 

Liebt Graz, Gyros und Geschichte. Wünscht sich eine Zeitmaschine, ist aber auch im Hier und Jetzt des Annenviertels sehr glücklich - aber ein Tee mit Kaiserin Elisabeth wäre trotzdem cool!

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