Dem Jazz eine Bühne geben

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Von 12.-16. April fand die zehnte Grazer Jazzwerkstatt statt. Die Annenpost war vor Ort und konnte etwas vom einzigartigen Feeling des Festivals mitbekommen.

Das Nika Project verabschiedet sich/ Copyright Peter Purgar.

„Wollen’s zu den Science-Busters, oder zur Jazzwerkstatt?“, fragte mich die freundliche Dame an der Kasse. Zugegeben, ich musste schon leichtere Entscheidungen treffen. Dementsprechend lang brauchte ich, um eine zu Antwort geben. Am Ende meines ersten Besuches wusste ich jedoch, dass ich richtig gewählt hatte.

Die Jazzwerkstatt 2016 ist Geschichte. Nach fünf Tagen und 15 Acts fand das wohl gemütlichste Jazz Festival Österreichs sein Ende. Von 12. bis 16. April wurde das Orpheum zur Gaststätte unzähliger Nachwuchsmusiker. Das Finale, inklusive Geburtstagsfeier zum 10-jährigen Jubiläum, fand im Dom am Berg statt.

Musik, Musik, Musik
Es ist Donnerstag, 19:30. Das Quartett Nika Project, rund um die Sängerin Veronika Grießlehner, eröffnet den Abend. Wie festgeklebt und mit hängenden Schultern steht die Frontfrau auf der Bühne. Ganz leicht wippt sie mit der Musik ihrer Bandkollegen mit.  Sobald sie jedoch ihr Mikro in die Hand nimmt und zu singen beginnt, erfüllt sie den gesamten Saal mit einer unfassbar starken Stimme. Kein Wunder, dass die Niederösterreicherin ihr Jazz-Studium in Graz mit Auszeichnung abschloss.Während das Klavier gemütlich im Hintergrund plätschert, überzeugt die Sängerin mit raffinierten Texten. Das gesamte Publikum konnte sie mit ihrer Performance dennoch nicht mitreißen.
Eine Gruppe Jugendlicher, die etwas unfreiwillig anwesend wirkte, vertrieb sich die Zeit untereinander. Einer brachte seine eigene Musik mit und trug einen Ohrenstöpsel. Der Begriff Festival wurde hier offensichtlich etwas missverstanden. Statt Camping und Bierparty steht hier tatsächliche die Musik im Fokus – ein Skandal!

Ein Festival für junges Talent
Seit nunmehr zehn Jahren gibt es die Jazzwerkstatt. Die Idee entstand aus der Intention heraus, jungen Künstlern eine Bühne zu geben. Eine aus sechs freiwilligen Mitarbeiterinnen bestehende Crew leitet und organisiert das Festival. Das Budget ist knapp, wie Teammitglied Michael Gragger betont, dennoch veranstalte man pro Jahr zirka 25 Konzerte.
Über ein Kontaktformular auf der Website können sich interessierte Musiker mit ihrem Projekt anmelden. Mit Soundfiles oder Videos kann man sich um einen Slot am Festival bewerben. Der Andrang ist groß und unter den Bewerbungen finden sich auch viele Anfragen von Agenturen. Man wolle mit dem Formular jedoch gezielt jene Musiker ansprechen, die noch keine professionelle Hilfe von außerhalb bekommen. Größere Acts scheiden jedoch auch aufgrund des Budgets aus.

Bereits der erste Slot am Freitag bot viel Überraschendes. Die Sängerin Ursula Reicher kombinierte mit ihrem Projekt Recursion Pop, Jazz und Elektronic. Mehrere Minuten manipulierte die Sängerin eine einzige Gesangsphrase mit ihrem Keyboard und variierte so die Tonhöhe, was zu einem einzigartigen Sound führte. Die zweite Band, genannt Nik Holler Quartett, startete nach eigenen Angaben ihre Laufbahn mit einer spontanen Tour in Brasilien. Das Quartett, bestehend aus Klavier, Kontrabass, Schlagzeug und Saxophon, bot eine Stunde Instrumentalmusik auf höchstem Niveau.
Die Jazzwerkstatt ist nur eine von vielen Jazzveranstaltungen in Graz. Michael Gragger meint, dass gerade wegen der Musikuniversität eine gesunde, kleine Szene besteht. Man muss die Größe hier natürlich in Relation zur Stadt sehen. Speziell die Koexistenz zu kommerzielleren Veranstaltungen macht die Jazzwerkstatt interessant.

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Copyright Peter Purgar.

Straight – No Time – In The Key Of Love
Für den letzten Abend übersiedelte die Jazzwerkstatt in den „Dom im Berg“. Drei Acts feierten gemeinsam das Ende des Festivals und dessen zehnjähriges Bestehen.
Eröffnet wurde der Abend vom Jazzwerkstatt Graz Composer Ensemble unter der Leitung
des Schlagzeugers und Komponisten Reinhold Schmölzer. Dieser präsentierte unter anderem eine Nummer mit dem Namen: „Straight – No Time – In the Key of Love“. Angeblich bekam er diese Antwort in einer Probe, als er sich über das Time Feel (die Art des Grooves und dessen Stil), die Tonart und das Tempo eines Stückes erkundigen wollte.
Hart, schräg und laut wurde es mit dem zweiten Act Kaos Protokoll  (siehe unten) aus der Schweiz. Mit einem effektbeladenen Saxophon brachte das Trio den Berg zum Beben. Seinen Abschluss fand das Festival  mit der renommierten Jazz Bigband Graz. Diese präsentierten ihr aufwendig arrangiertes, neues Album „True Stories“. Man merkt der Jazzwerkstatt an, dass es sich um ein Herzensprojekt handelt. Hier geht es darum, einer
alternativen Szene eine Möglichkeit des Ausdrucks zu bieten. Wenn ein Musiker zuerst minutenlang die anspruchsvollsten Soli spielt und danach nicht so recht weiß, wie er sein Album bewerben soll, dann wirkt dieser echt und nicht getrieben von Marketing und Verkaufsauflagen.
Die Jazzwerkstatt wird es nächstes Jahr auch ein weiteres Mal geben. Wer einen kleinen, hochklassigen Einblick in die Grazer Musikszene bekommen will, sollte sich das nicht entgehen lassen.Dieser Artikel konnte nur einige wenige Momente des Festivals abdecken. Wer mehr Informationen zu Jazz-Veranstaltungen sucht, wird auf GrazJazz  fündig werden.

 

 

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