163 Kinder, 24 Sprachen, 1 Schule

Lesezeit: 2 Minuten

Schulen wie die Volkschule Bertha von Suttner im Bezirk Gries werden gerne als „Problemschulen“ bezeichnet. Zu Unrecht.

Von Thomas Maurer

 

Margit Hold weiß, dass sich in ihrem Klassenzimmer vielleicht die Zukunft unserer Gesellschaft entscheidet. Wenn sie es nicht schaffen kann, die Kinder in der Klasse 1a der Volksschule Bertha von Suttner, die elf verschiedene Muttersprachen sprechen und sieben verschiedenen Religionen angehören, für ein Miteinander zu begeistern, wer soll das dann tun? „Es ist wichtig dass die Kinder die Unterschiede erfahren und verstehen. Noch dazu, wo unsere Schule doch an einem der „Brennpunkte“ der Stadt liegt“, sagt Margit Hold. Seit neun Jahren ist sie an dieser Volksschule im Grazer Bezirk Gries beschäftigt, außerdem ist sie stellvertretende Schulleiterin.

Multi-Kulti-Volksschule Bertha von Suttner im Gries

 

163 Kinder besuchen derzeit die Volksschule, 150 von ihnen haben eine andere Muttersprache als Deutsch. 24 Sprachen sind es insgesamt, die an der Schule gesprochen werden. Für Margit Hold ist es daher wichtig, einen gemeinsamen Nenner zu finden, und das soll die Deutsche Sprache sein –  als Brücke zwischen den unterschiedlichen Sprachen und Religionen. In ihrer Klasse haben nur zwei Kinder Deutsch als Muttersprache. Schon ab der ersten Klasse werden außerschulische Deutschkurse angeboten, die den Schulanfängern die Angst vor dem Sprechen in der Klasse nehmen  und wichtige Grundkenntnisse liefern sollen. In den ersten beiden Schulstufen seien außerdem nahezu alle Lehreinheiten doppelt besetzt – mit einer Klassenlehrerin und einer Fremdsprachenlehrerin.

„Die Kinder haben in der Regel große Bereitschaft,die deutsche Sprache zu lernen. Nur so können sie sich auch untereinander verstehen und mitteilen“, sagt  Hold. Viele der Schulanfänger hätten vor der Einschulung bereits einen Kindergarten besucht und daher gute Deutschkenntnisse, meint sie. Probleme gäbe es  dann, wenn Kinder direkt aus dem Ausland nach Österreich an die Schule kommen und kein Wort Deutsch verstehen. Genau für solche Fälle benötige man fremdsprachige Lehrer. Die Kommunikation mit den Kindern sei aber meist  ein kleineres Problem als die Verständigung mit deren Eltern. Speziell bei Elternabenden könne das zu kuriosen Situationen führen, wenn man für die Eltern von zwanzig Kindern außerdem noch fünf oder sechs verschiedene Dolmetscher einladen muss.

Mit dem Abbau der sprachlichen Barriere falle das größte Konfliktpotential weg, weiß Margit Hold. Doch auch die unterschiedlichen Religionen können Anlass zu Streit bieten.  Aber auch hier werde auf Verständnis als Grundlage zur Akzeptanz gesetzt. Alle Religionen werden in der Klasse vorgestellt, Feiertage erklärt und Brauchtum gelebt. Die ganze Klasse geht in die Kirche, die Moschee oder die Synagoge. „Die Kinder sind total an den Religionen interessiert“, meint Hold. Überhaupt leisteten die Religionslehrer an der Schule hervorragende Arbeit, „die Kooperation funktioniert super.“ Religionsunterricht gibt es nur für staatliche anerkannte Religionen und wenn mindestens drei Kinder dieser Religion angehören. So werden im Moment  vier unterschiedliche Religionsunterrichte an der Schule angeboten – römisch katholisch, evangelisch, orthodox und islamisch.

Die stellvertretende Direktorin Margit Hold mit „ihren“ Kindern

 

„Aggressionspotential ist definitiv vorhanden, zu wirklichen Konflikten kommt es aber nur sehr selten“, sagt  Hold. Dafür sei auch der Verein HAZISSA mitverantwortlich. Unter dem Titel „Halt der Gewalt“ vermittelt man den Kindern, wie man Konflikte vermeidet und sie ohne Gewalt  löst.

Nach dem Interview im Büro von Margit Hold besuchen wir ihre Klasse. Die Kinder sind neugierig, als wir das Klassenzimmer betreten, die meisten sprechen richtig gut Deutsch. „Für mich als Lehrerin ist es eine Herausforderung, aber extrem spannend. Ich wollte nicht weg von hier“, sagt Margit Hold. Ich zeige den Kindern noch die Fotos, die ich gemacht habe. Schallendes Gelächter der Schüler. Dann verlasse ich die Schule mit den 24 verschiedenen Sprachen, in der das Miteinander zumindest eine Chance zu haben scheint.

2 Comments

  1. Gut gerade jetzt zu lesen, wo diese Woche die Einschreibung in die Volksschulen stattgefunden hat.Es gehört zu den größten Ungewissheiten/Ängsten von Eltern wie Schulen und Lehrerinnen mit Mehrsprachigkeit und Multikulti umgehen. Schließlich sollen die Deutsch-muttersprachlichen-Sprösslinge ja bestens ausgebildet in weiterführende Schulen gelangen.. Die Elternlogik besagt, dass das ja nur mit gleich sprachlichen Kommilitonen gut gehen kann. Gerade diese Woche auch im Falter (4/12, Seite 13) nachzulesen bei Ingrid Brodnig.

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