Die 3. Christopher Street Day-Parade tauchte die Stadt für einen Nachmittag in Regenbogenfarben. Die Annenpost hat sich dem Umzug angeschlossen und dabei auch einen Blick auf die Situation Andersliebender in Österreich geworfen.
Ohrenbetäubend laut dröhnt „Same Love“ von Macklemore über den Grazer Tummelplatz, auf dem sich eine kunterbunte Menschenmenge drängt. Zwei junge Frauen mit ihrer Tochter, alle drei in Regenbogen-Shirts mit dem Aufdruck „We are Family“, ein junger Mann mit Blumenkranz im Haar, der seinen Freund küsst, Jugendliche mit auf die Wangen geschminkten Regenbögen und dazwischen immer wieder Drag Queens auf hohen Hacken. Es ist Samstag, der 11. Juni, und die Christopher Street Day-Parade wird in Kürze zum dritten Mal durch Graz ziehen.
Der „Christopher Street Day“ – kurz CSD – ist laut Definition ein Fest-, Gedenk- und Demonstrationstag der LGBTQI (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Intersexual) -Bewegung. Gedacht wird hierbei der Aufstände in der New Yorker Christopher Street im Jahr 1969. Damals führte die Polizei immer wieder gewaltsame Razzien in Lokalen durch, die von homo- und transsexuellen Menschen besucht wurden. Bei einer Razzia im „Stonewall Inn“ in der Christopher Street widersetzten sich erstmals LokalbesucherInnen ihrer Festnahme, was mehrtägige Aufstände auslöste. Diese Aufstände markierten für die Bewegung den Schritt aus dem Schatten und den Beginn des aktiven Kampfes für ihre Rechte. Auch der Christopher Street Day in Graz erinnert daran: Auf dem Flyer für die Parade ist unter anderem eine Person zu sehen, die ein Schild mit der Aufschrift „The first Gay Pride was a riot“ hochhält.
„Die Paraden, die es weltweit gibt, haben ganz unterschiedliche Themen. In vielen Ländern ist es eine große Party. Es gibt aber auch Länder, in denen auf Homosexualität die Todesstrafe steht. Dort hat eine Parade eine ganz andere Bedeutung, da geht es nicht darum schrill und laut zu sein, sondern um Recht. So war es ja auch in den Ursprüngen in der Christopher Street“, erklärt Joe Niedermayer, der Obmann der RosaLila PantherInnen. Bei uns konzentriere man sich eher auf den Aspekt der Öffentlichkeitsarbeit: „In Österreich haben wir eine 95 %-Gleichstellung, bis auf die Ehe, die uns bis jetzt verschlossen bleibt. Aber gesetzliche Gleichstellung ist das Eine, gesellschaftliche Akzeptanz das Andere. Aktivitäten wie der CSD sind unglaublich wichtig, um diese Akzeptanz zu erreichen.“
„Sodom und Gomorra“
Nach den Eröffnungsreden setzt sich die Parade in Bewegung und zieht singend und tanzend über den Opernring. Am Jakominiplatz legt sie einen ersten Zwischenstopp ein. Dort erklimmen VertreterInnen von NaGeH die Bühne. Die neugegründete Initiative setzt sich für Menschen an Hochschulen ein, die sich in keine klassische Geschlechterkategorie einordnen können oder wollen. Ein Raunen geht durch die Menge, als die ParadenbesucherInnen einen Mann bemerken, der am Straßenrand steht und ein Schild hochhält, auf dem „Sodom und Gomorra“ und „Jesus Christus kann das Böse in dir besiegen“ steht. Eine kleine Gruppe löst sich aus der Menge und verdeckt das Schild des Mannes mit ihren eigenen Plakaten, während zwei junge Frauen sich genau vor ihm in den Arm nehmen und küssen.
In Graz begeht die Community den Christopher Street Day als eine CSD-Festwoche, die in der Parade und einem anschließenden Fest im Volksgarten gipfelt. Das Parkfest richten seit fünf Jahren die RosaLila PantherInnen aus, die Parade gibt es heuer erst zum dritten Mal. Organisiert wird sie vom queer-Referat der Grazer Universitäten. „Der CSD war immer ein bisschen ein Sorgenkind. Man hatte Angst, dass das eine kleine Parade wird, und hat sich darum nie getraut, eine zu organisieren. Damals wusste man noch nicht, dass es möglich ist, eine Horde Heteros zu mobilisieren, die mit einem auf die Straße gehen“, meint Niedermayer von den „PantherInnen“ lachend. „Da muss man dem queer-Referat wirklich danken, denn die hatten den nötigen Idealismus. Umso schöner, dass es die Parade jetzt gibt.“
Integration der anderen Art
Der Umzug ist mittlerweile am Südtirolerplatz angekommen, wo eine Vertreterin von TransX Wien eine Rede hält. Sie fordert das Recht für Transsexuelle, sich den eigenen Namen aussuchen zu dürfen, und das Ende der „Pathologisierung von Transsexualität“. Es dürfe nicht sein, dass sich Betroffene zurzeit einer Zwangstherapie unterziehen müssten, da ihre Identität als psychische Erkrankung klassifiziert werde. Nach lauten Beifallrufen setzt sich die Menschenmenge wieder in Bewegung und zieht tanzend die Annenstraße in Richtung Volksgarten hoch. Eine Gruppe dunkelhäutiger Männer beobachtet aus einem Dönerladen heraus neugierig die Parade. Schließlich lösen sich einige von ihnen aus der Gruppe und schließen sich dem Umzug an.
„Ursprünglich haben wir den Volksgarten wegen der Nähe zu unserem Vereinslokal ausgewählt. Anfangs gab es kleine Schwierigkeiten zwischen der Homo-Community und der migrantisch geprägten Community im Park. Da sind einfach zwei Welten aufeinander geprallt und da kracht’s halt einmal“, meint Joe Niedermayer. Mittlerweile sei das Fest so groß, dass die Grenzen zwischen den einzelnen Gruppen verschwimmen und sich gute Gelegenheiten zum gegenseitigen Kennenlernen bieten.
Inzwischen ist der Zug am Volksgarten angekommen. Die Menschen ziehen einer großen Regenbogenflagge nach in den Park, wo neben unzähligen Info- und Imbissständen auch eine große Bühne aufgebaut ist. Dort werden mehrere Bands und auch die amtierende Miss Tuntenball, Bubblegum Lecter, auftreten. Kaum hat Moderatorin Miss Desmond das Fest eröffnet, beginnt es heftig zu regnen. Die Menschen drängen sich unter Bäumen und rasch aufgespannten Regenschirmen zusammen, die Veranstalter verteilen Regenponchos. Der guten Laune tut das keinen Abbruch. Zwischen den Ständen von politischen Parteien, Organisationen und Vereinen findet sich auch einer, an dem Grußkarten verkauft werden. Auf einer steht: „There wouldn’t be a bow without rain“. Besser kann man diese Veranstaltung nicht zusammenfassen.