40 Minuten im 40er

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Die Buslinie 40 fährt quer durchs Annenviertel. Sie verbindet Jakomini und Gösting und zieht sich dazwischen durch Gries und Lend. Rund um den sogenannten „Vierziger“ gibt es unzählige Anekdoten und Geschichten. Was stimmt aber wirklich und wie lebt es sich rund um die Vierzigerstrecke?
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Bei der Haltestelle Jakominiplatz stiegen noch am meisten Menschen ein.

Jakomini
Es dämmert schon. Der Motor startet. Noch ein letzter Passagier steigt ein. Nass vom Regen schüttelt er sich und zischt dem Fahrer ein „Danke“ entgegen. Etwa 40 Augenpaare blicken ihn an. Er ist ungefähr 20 Jahre alt. Er erkennt jemanden wieder. Die Stille wird durch ein Murmeln durchbrochen, einige starren ihn immer noch an.
Wir sitzen im Bus. An diesem Abend sind die Passagiere großteils junge Männer und vereinzelt ältere Frauen. So gegensätzlich wie die Insassen des Busses sind auch die Gegenden durch die er fährt. Innere Stadt, Jakomini, Gries, Lend und Gösting. Am Jakominiplatz geht es los. Laut einer Statistik der Stadt Graz leben rund 92 Prozent der EinwohnerInnen gerne in der Nähe des Jakominiplatzes. Rund 20 Prozent der Menschen, die hier wohnen, haben keine österreichische Staatsbürgerschaft. Die meisten von ihnen haben einen deutschen Pass.

Gries
Es geht weiter. Vorbei an Wielandgasse und Gebietskrankenkasse erreichen wir das erste Ziel im Annenviertel: den Griesplatz. Wir steigen aus. Das erste, das man außerhalb des Busses sieht, ist der Dönerimbiss Mischmasch. Vielleicht wissen die Menschen, die hier arbeiten, mehr über die Linie. „Wir verkaufen wegen unserer Religion weder Döner mit Schweinefleisch noch Alkohol. Oft kommen Leute her und beschweren sich deswegen“, sagt Andreas, der seinen vollständigen Namen nicht nennen will und beim Dönerimbiss arbeitet. Wirklich schlimme Dinge seien hier aber noch nicht passiert. Er verweist uns zur Frühbar, die es schon länger gibt. Dort würden wir mehr erfahren.

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Einer der drei Busfahrer, die wir zur Linie befragt haben, meinte die Zeit vergeht in jedem Bus gleich schnell. Es mache keinen unterschied wohin man fährt.

In der Frühbar Hangover ernten wir beim Eintreten verwunderte Blicke. Es sitzen nur drei Männer an der Bar. Wir hören viele Mythen rund um den Griesplatz. Keine davon hat aber etwas mit der 40er Linie zu tun. Das treffendste Zitat: „Am Griesplatz kommen halt alle Leute zusammen“, zum Teil auch mit dem Bus, wie der ältere Mann an der Theke erzählt. Rund um den Griesplatz wohnen Menschen aus verschiedensten Nationen. Sie machen etwa 40 Prozent der EinwohnerInnen rund um den Platz aus. Die Meisten haben einen türkischen, rumänischen oder deutschen Pass. Fast die Hälfte der BewohnerInnen ist unter 30 Jahre alt. Die Anzahl der Männer ist hier knapp höher, als die der Frauen. Eine Umfrage der Statistik Graz zeigt, dass 67 Prozent der Bevölkerung in der Gegend der Meinung sind, dass die Lebensqualität in einem anderen Viertel besser sei.

Lend
Wir gehen wieder zur Haltestelle und steigen in den Bus. Als wir am Rosseggerhaus halten, richten sich ein paar Köpfe zum Fenster. Draußen an der Haltestelle hat sich gerade eine junge Frau in einen Mistkübel übergeben. Eine Freundin hält ihr die Haare zurück. Im Bus ist es ruhig, trotz Freitagnacht. Hier, in der Nähe der Annenstraße, wurden die meisten Delikte in der Linie nach Gösting verzeichnet. Das zuständige Stadtpolizeikommando hat hier an einem Tag vier Straftaten im Bus vermerkt. Diese machen schon die Hälfte der seit Februar 2015 verzeichneten Delikte aus. Allgemein berichtet das Stadtpolizeikommando, dass der Vierziger nicht negativ auffalle. Aufgrund der größeren Menschenmenge käme es in Straßenbahnen häufiger zu Einsätzen.
Es geht weiter: Wir passieren den Volksgarten, fahren über den Lendplatz, vorbei an den Haltestellen Am Damm und Bienengasse zum Fröbelpark. 48 Prozent der Bevölkerung in der Nähe des Parks sind unter 30 Jahre alt. Auch hier leben viele Nationen zusammen. Am häufigsten vertreten sind nach Österreich die Türkei, Rumänien und Kroatien. Der Großteil der Menschen gibt an, gerne in diesem Stadtteil zu leben.
Bei der Weiterfahrt blendet das leuchtende Logo der Shelltankstelle schon von weitem. Die Haltestelle Viktor-Franz-Straße ist die letzte im Annenviertel.

Gösting
Draußen ist es inzwischen finster geworden. Die Fenster sind zu riesigen Spiegeln geworden, man kann leicht sehen was im Bus passiert. Nur zwei Männer unterhalten sich. Einer davon hat ein DJ-Pult umgeschnallt. Die restlichen zehn Menschen teilen sich in zwei Gruppen. Die, die aus dem Fenster ins Leere blicken, und die, die auf ihre Handybildschirme starren. Wir fahren zuletzt in die Endhaltestelle Gösting ein. Nur etwa 33 Prozent der EinwohnerInnen rund um die Haltestelle sind unter 30 Jahre alt. Die am häufigsten vertretene Nation ist hier nach Österreich Kroatien. Der Anteil an Frauen liegt in Gösting knapp über dem der Männer.

Wir nutzen die Rauchpause des Busfahrers. Mario, der regelmäßig mit der Linie fährt, war unter drei Busfahrern, die wir befragt haben der Einzige, der von Vorfällen im Vierziger erzählen konnte. Er wollte seinen Nachnamen nicht bekanntgeben, da er Konsequenzen im Beruf befürchtet. Stimmt es wirklich, dass die Fahrt mit der Linie ausgelost wird? „Wir losen nicht aus, wer mit welchem Bus fährt. Schön wär‘s, dann würde ich jetzt vielleicht mit dem 48er zu den Kühen rausfahren. Ich sehe häufiger Streitereien unter Betrunkenen. Mir fällt auch auf, dass oft Jugendliche beginnen sich zu schlägern.“ Die Linien 40 und 32 seien die zwei Linien, in denen am meisten passiert. „Ich würde aber nicht sagen, dass das an einer bestimmten Personengruppe liegt. Die Menschen streiten quer durch die Bank. Es ist eher eine Stimmungssache.“
Die Fahrt endet hier für uns. Für die Recherche sind wir insgesamt vier Runden in der Nacht mit dem Vierziger gefahren. Miterlebt haben wir keine ungewöhnlichen Vorfälle, dafür kennen wir umso mehr Eindrücke, die die Menschen vom Bus haben.

Schlechtwitzmeisterin, Quasselstrippe, mag gute Schwarzweißfilme und liebt lange Nachtspaziergänge- am meisten im Annenviertel.

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