Der Kunstverein <rotor> verwandelt gemeinsam mit mehr als 100 Mitstreitern und Initiativen den Volksgarten-Pavillon in ein „Haus der offenen Tore“. Und gibt eine Antwort auf die Frage, wie man die “Ankunftsstadt” so gestaltet, dass sich alle wohlfühlen.
Teppiche in verschiedenen Farben und Größen verleihen dem Raum Wohnzimmerflair, bunte Lampions und Hängeleuchten sorgen für stimmungsvolles Licht. “Bitte Schuhe ausziehen”, weist ein Schild am Eingang die Besucher darauf hin, dass sie einen besonderen Ort betreten. Allerhand Sitzgelegenheiten signalisieren Gastfreundschaft, bunte Zierpölster schmücken den Raum – die Motive: Sonnenaufgänge, schräge pinke Vögel, aber auch zum Beispiel das Wort „Angst“ in Kurdisch. Und die Gäste: so bunt zusammengewürfelt wie das Annenviertel.
Rund ums Haus der offenen Tore
Das Kunstfestival steirischer herbst hat heuer das Annenviertel– nach dem gleichnamigen Buch von Doug Saunders – zur “Ankunftsstadt” erklärt. Und nirgendwo wird besser sichtbar, was das heißt, als im Volksgarten-Pavillon: ein mit viel Liebe gestalteter Ort mit tatsächlich weit offenen Toren. Der Kunstverein <rotor> versammelte im Vorfeld des Projekts ein elf Personen umfassendes Komitee, in dem Philosophen, Architekten und freischaffende Künstler vertreten waren. Dieser “Think Tank” traf sich wöchentlich, um gemeinsam eine Vision für den Pavillon zu entwickeln. In einem Jahr intensivster Arbeit entstand daraus das „Haus der offenen Tore” – ein transkulturelles und integratives Projekt, das von „eingefleischten“ Annenviertlern gemeinsam mit neu hinzugezogenen Flüchtlingen getragen wird.
Herzstück ist das „Samowar-Café“, auch Flüchtlinge dürfen hier auf Spendenbasis mitarbeiten. Bis 16. Oktober hat dieses einzigartige Café seine Tore noch offen – von jeweils Donnerstag bis Samstag ab 14 bis 21 Uhr und einschließlich Sonntag von 12 bis 17 Uhr. Jeden Tag übernimmt jemand anderes die Gastgeberrolle im Pavillon und heißt alle Gäste, die so nach und nach eintrudeln, mit Tee und Kuchen willkommen. Bei unserem Besuch am Donnerstag, den 6.10., war Helene Thümmel an der Reihe. Die Studierende und freischaffende Künstlerin begrüßte die ankommenden Gäste persönlich, während diese ihre Jacken und Schuhe ausziehen.
Ein Gefühl von zuhause
Beim Ankommen und beim Betreten dieses besonderen Hauses stellen sich zwei Fragen: Wer hat diesen Raum so schön gestaltet? Und zweitens: Wie erschafft jemand einen Ort, an dem sich Menschen so unterschiedlicher Herkuft wohlfühlen? Eine Frau in orientalischer Kleidung stellt sich als Daniela Brasil vor.
Die gebürtige Brasilianerin lebt mit ihrer Familie seit fünf Jahren in Graz und versprüht eine ordentliche Portion Lebensfreude. Ihr Ziel ist es, diesen Ort zu einer Wohlfühloase zu verwandeln. Brasil ist es besonders wichtig, „einen Raum anzubieten, in dem Beziehungen und neue Möglichkeiten für die Zukunft entstehen können”. Die Gestaltung des Ortes der Begegnung stammt von der Künstlerin selbst, umgesetzt hat sie das Projekt im Rahmen einer Lehrveranstaltung der TU Graz. Architektur-Studierende haben gemeinsam mit Flüchtlingen gebastelt, gestickt, gemalt und auch getanzt. „In der traditionellen Kunst hängen wir Dinge an die Wand und keiner darf sie berühren. In der partizipatorischen Kunst schafft man ein Objekt im Raum, um eine Beziehung zu beginnen. Das soll einen Dialog schaffen, dieser kann verbal aber auch nonverbal sein.“
Ein Experiment
Auf die Frage, ob das Haus der offenen Tore ein Erfolg ist, lacht Brasil. „Ich würde nicht sagen, dass es erfolgreich ist, sondern ein Anfang. Es ist ein Experiment, das von den Leuten gelebt wird.“ Helene hat sich mittlerweile auch zu uns gesetzt und plaudert interessiert mit. Für sie ist dieses Projekt vergleichbar mit einem großen Familienfest. „Die Menschen hier identifizieren sich mit verschiedenen Objekten, dadurch wird ihnen hier ein Stück Heimat vermittelt. Wir hoffen, dass daraus langfristig echte Beziehungen und Freundschaften entstehen.“ Daniela antwortet: „Es gibt wenige Orte in dieser Gesellschaft, wo Leute zusammenkommen und sich auf Augenhöhe treffen. Die Angst vor dem Fremden abzubauen, bedeutet einfach, Zeit miteinander verbringen zu können. Sonst ändern sich die Dinge nicht. Das war das Ziel dieses Samowar Cafés.“
Eine Geschichte mit Zukunft?
Ob das Haus der offenen Tore als Modell auch nach Ende des steirischen herbst dienen kann? Dem Volksgarten-Pavillon würde eine offenere Nutzung nicht schaden. Helene Thümmel meint, die ursprüngliche Vision eines Ortes, an dem sich alle Menschen willkommen fühlen, ginge ohne kontinuierliche Betreuung verloren. “Ein Ort, der für alle Menschen funktioniert, ist schwierig.” Ginge ja, wie der < rotor > zeigt – noch zu erleben bis 16.10. Das aktuelle Tagesprogramm findet sich hier.
Text: Tabea Krämer, Elisabeth Köberl