Foto: Laura Reibenschuh

Kunsthaus an Erde, bitte kommen!

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Nur selten nehmen sich Studierende die Zeit, ins Kunsthaus zu gehen. Der Studierendentag sollte den jungen GrazerInnen die blaue Blase am Murufer wieder in Erinnerung rufen.
Foto: Laura Reibenschuh
Der Friendly Alien rief trotz Regenwetter zum Studierendentag. Foto: Patrick Schlauer

Das Kunsthaus, selbst eine Art Fremdkörper im Stadtbild, macht es einem nicht schwer, sich in seinem Inneren ebenfalls als Fremder zu fühlen. Der Coffeespace im ersten Stock erinnert mit der dunklen Halle an eine Raumstation, der graue Teppichboden und die niedrigen roten Hocker an die Kommandozentrale der Enterprise, wenn Spock und Kirk gerade Urlaub haben. Die wenigen StudentInnen im Selbstbedienungscafé sind aber keine Hobby-Weltraumforscher, sondern studieren Kunstgeschichte und interessieren sich für das Ausstellungsangebot oder haben auf Facebook zufällig von der Veranstaltung und dem gratis Kaffee erfahren. Die Führungen im HDA und der Camera Austria sind ebenso wie die Einblicke in die Ausstellungen „Body Luggage“ und „Geknetetes Wissen“ kein Publikumsmagnet. Trotz des schlechten Wetters, bei dem alternative Ausflugsziele wie der Schlossberg oder der Eggenberger Park buchstäblich ins Wasser fallen, bleibt der Andrang  überschaubar. Die abendliche Kinovorführung mit anschließender Diskussion in Kooperation mit dem Kulturreferat der ÖH Uni Graz ist hingegen gut besucht und beendet den Studierendentag, zu dem das Kunsthaus am Mittwoch unter dem Motto „UNI KUM!“ geladen hatte.

KUNSTverweigerer
Den Grund für das augenscheinliche Desinteresse junger Menschen an Museumsbesuchen sieht Franz Lammer, Leiter der Kommunikations- und Marketingabteilung im Universalmuseum Joanneum, in der tagtäglichen Überforderung. „Die Jungen müssen Studieren, Arbeiten und Privatleben unter einen Hut bringen und dazu kommt noch ein Überangebot an Kultur, das vielleicht abschreckt.“ Dabei leben viele Junge im Lendviertel, für dessen kreative Entwicklung das Kunsthaus ein wesentlicher Impulsgeber war. Für Studierende, die gerade in diesem Viertel zunehmend auf- und mitmischen, ist der „Friendly Alien“ oft nicht mehr als nur ein blauer, leuchtender Klecks in der Landschaft.
Außen hui und innen …? Ja, was eigentlich?
„Gerade die 15-20-Jährigen erreichen wir nur ganz schwer“, schließt Monika Holzer-Kernbichler, Leiterin der Kunst- und Architekturvermittlung im Haus, an. „In dieser Generation sind viele mit sich selbst beschäftigt. Sie sind auf der Sinnsuche und haben in ihrem Leben begrenzten bis gar keinen Platz für Kunst.“

KUNSTvermittler
Mit Aktionen wie der Card27 will sich das Universalmuseum Joanneum trotzdem einen Platz im Leben junger Menschen erkämpfen. Auszubildende, Studierende, Präsenz- und Zivildiener erhalten bis zum 27. Lebensjahr um knapp 15 Euro ein Jahr lang freien Eintritt in alle Häuser des Universalmuseum Joanneum. Mit der Workshopreihe KoOgle sollen jeden zweiten Donnerstag im Monat Menschen im Alter von 14-25 die Möglichkeit haben, gemeinsam mit Grazer KünstlerInnen neue Techniken und Themen im Bereich Kunst zu entdecken. Holzer-Kernbichler erinnert sich an vergangene Workshops und gibt gleichzeitig einen Ausblick auf die Zukunft: „Afrikanisches Kochen und Beatboxen waren sehr beliebt. Mitte November gibt es die Möglichkeit, mit Selma Etareri von DA LOAM den Werkstoff Ton zu erleben.“

Gute Englischkenntnisse, Kreativität und Interesse an Kunst sind für ein etwas anspruchsvolleres Projekt namens Museum as Toolbox von Vorteil. Ausgewählte Bewerber arbeiten gemeinsam mit Profis an einer Ausstellung. Von November 2016 bis Mai 2017 stehen bei monatlichen Treffen die Auseinandersetzung mit künstlerischen Inhalten und die Umsetzung von PR und Marketingmaßnahmen im Vordergrund.

KUNST(un)verständnis
Mit Bürgermeister Nagls Forderung nach „neuen Impulsen und mehr Bewegung“ haben die Initiativen nichts zu tun, so Holzer-Kernbichler. „Die neue Leiterin des Kunsthauses Barbara Steiner legt viel Wert auf die Öffnung für ein breites Publikum, aber auch ihr Vorgänger Peter Pakesch hat schon früh versucht, beispielsweise mit dem Studierendentag, junge Menschen für das Kunsthaus zu begeistern.“ Nagl hatte 2014 in der Kleinen Zeitung vorgeschlagen, das Kunsthaus aus dem Universalmuseum Joanneum zu lösen und der Stadt Graz zu unterstellen. (Artikel vom 26.04.2014) Der Bürgermeister rügte die Besucherzahlen, die sich in den letzten Jahren auf rund 60.000 Personen pro Jahre beliefen. Auf heftige Kritik stieß dieser Vorschlag nicht nur bei Peter Pakesch, der 2015 das Universalmuseum verließ, sondern auch bei Kunst(haus)liebhabern, die ihrem Ärger auf dem Joanneum Museumsblog Luft machten. „Für höhere Besucherzahlen brauche man mehr Ausstellungsbudget als 700.000 Euro im Jahr“, konterte Pakesch damals im Interview mit der Presse.

KUNSTstück
Besucherzahlen am Studierendentag sind für Lammer und Holzer-Kernbichler nicht vorrangig. Durchschnittlich besuchen an diesem Tag zwar 400 bis 500 Personen das Kunsthaus, den Organisatoren geht es aber nicht darum, den Tag in Zahlen zu messen, sondern ein Lebenszeichen auszusenden. „Wir wollen das Kunsthaus als Ort attraktiv machen. Es ist nicht so einfach, aber wir müssen es schaffen, dass es irgendwann genauso wie der Schlossberg oder die Kulinarik zu den Werten von Graz gehört.“ Mit einem Projekt, das sich um die Architektur des Kunsthauses dreht, mit Initiativen wie Museum as Toolbox oder einer Erwin Wurm-Ausstellung will man 2017 versuchen, „Hipster und Bobos“ ins Haus zu holen, so Lammer. „Die jungen kreativen Köpfe im Annenviertel und das Kunsthaus Graz, die sind auf einer Wellenlänge.“

Politisch interessierter Medienjunkie. Hobbymoderator. Macher der Spritzweinjugend. Wäre gerne Schlauer.

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