In Zusammenarbeit mit dem Kunstzentrum rotor und der Stadtbaudirektion hat ein Team aus Jungforschern vier Monate lang „mental mappings“ vom Griesplatz angefertigt. Das Ergebnis der Forschungen kann man nun im Band „Griesplatzzeichnen” nachlesen.
Es dämmert bereits in der Griesgasse. Zwei Pensionistinnen schlendern die Straße entlang und treten in die gemütliche Atmosphäre des Stadtteilbüros Gries in der Griesgasse 31 ein, in dem sich bereits einige Menschen versammelt haben. Das Schaufenster ist mit Plakaten verklebt: „Griesplatz ist, wo Lärm ist“, „Der Griesplatz endet nicht wirklich so” ist da zu lesen. An den weißen Wänden des Innenraums hängen Zeichnungen, jedes Bild drückt einen anderen Zugang zum Griesplatz aus. Hier waren Kinder, Studierende, AnrainerInnen und noch viele mehr am Werk. Die Brückenkopfgasse, den Billa oder die „Dönermeile“ haben sie verewigt. Aus Kritzeleien und detailreichen Zeichnungen entsteht ein tolles Gesamtbild.
„Mental mappings“ heißen diese Bilder, die an diesem Abend präsentiert werden, kognitive Karten, die von den Kulturanthropologen Robin Klengel und Markus Waitschacher sowie den Architektinnen Coline Robin und Adina Camhy von Juni bis November dieses Jahres im Rahmen von Interviews mit AnrainerInnen des Platzes erarbeitet wurden. „Eine Frage, die uns besonders beschäftigt hat war, was mit dem Bezirk passiert“, sagt Klengel. Im Zuge dieser Forschungen ist auch das Buch “Griesplatzzeichnen” erschienen, herausgegeben vom Haus der Architektur, das Ende Dezember vorgestellt wird.
Mit dem Projekt rund um die „Griesplatz Maps” führt das Kunstzentrum rotor seine Kartographische Werkstatt fort, die 2014 eingerichtet wurde. „Durch das Projekt haben wir hundert neue Lebenswelten, viele verschiedene Zugänge und neue Sichtweisen kennen gelernt. Der Griesplatz ist für mich dadurch sehr viel reicher geworden“, sagt Markus Waitschacher. Im Vorwort ihres Buches warnen die vier jungen Wissenschaftler aber auch vor zu starken Generalisierungen: “Wir können aus diesen hundert Karten nicht erfahren, wie die Leute den Griesplatz sehen.“ Vielmehr wolle man auf die Vielfalt der Wahrnehmungen hinweisen: „Wir verstehen uns als künstlerisch-wissenschaftliches Projekt. Am wichtigsten war uns, der Vielfalt der Leute, die am Griesplatz wohnen, Rechnung zu tragen. Wir wollten niemanden vergessen”, erklärt Klengel. Befragt wurden daher unter anderem eine bulgarische Roma-Familie, die vom Betteln lebt, eine ehemalige Sexarbeiterin, die ihren Job und alle sozialen Bindungen verloren hat, oder eine drogenabhängige Frau. Viele der Befragten haben dem Kulturanthropologen Klengel und seinem Team sehr persönliche Geschichten erzählt: „Die meisten Interviews haben wir auf der Straße geführt, wo wir Menschen mit berührenden Schicksalen getroffen haben.“ Ein weiteres einschneidendes Erlebnis sei die Begegnung mit Rassismus gewesen – in Form von in den Interviews geäußerten Ängsten, Pauschalisierungen und menschenverachtende Aussagen, über andere Ethnien oder Menschen aus der Nachbarschaft.
Gefördert wurden diese mental-mappings von der Stadtbaudirektion Graz. Gemeinsam mit den “Social Safaris” von Remo Berkhout (Stadtlabor Graz) sollen sie eine Grundlage für die seit langem geplante Neugestaltung des Griesplatzes bilden. „Social Safaris“ sind eine Methode, die AnrainerInnen, Unternehmer und ExertInnen aus der Verwaltung für ein bis zwei Tage zusammenbringen, um gemeinsam konkrete und kreative Lösungsansätze etwa zum Thema Verkehr zu finden. Die Stadt Graz hatte bereits in den Neunzigerjahren einen Architekturwettbewerb für den Griesplatz ausgeschrieben, der Nordteil des Platzes wurde tatsächlich umgestaltet. Nun soll auch der Rest des Platzes eine Renaissance erleben. Dafür sei laut Simone Reis, Projektleiterin in der Stadtbaudirektion, ein Architektur- und Gestaltungswettbewerb für 2017/18 in Planung.
Diese Initiativen werfen nun auch die Frage nach dem Stand der Umbauplanung für den Griesplatz auf, die der Gemeinderat bereits 2014 beschlossen hat. Was hat sich hier getan? Wann die Straßenbahnlinie, die über den Griesplatz bis zum Jakominiplatz führen soll, gebaut wird, ist weiterhin unklar: „Wir können es nicht auf ein Jahr festlegen, weil bei allen Straßenbahn-Erweiterungsprojekten aktuell die Priorität für zwei Linien eingeräumt ist: Die Linie 7, die Verlängerung zum Med Campus, ist bereits eröffnet, und die zwei anderen Linien, die eine sehr hohe Priorität haben, weil sie mit der Stadtteil-Entwicklung einhergehen, sind die Verlängerungen in das Reininghaus- und das Smart City-Gebiet. Diese Straßenbahnstücke werden mit Hochdruck betrieben“, sagt Stadtbaudirektor Bertram Werle.
Ein Planungsbeschluss für die Südwest-Linie liegt der Stadtbaudirektion vor, doch belaufen sich die notwendigen Investitionen laut Werle auf ca. 100 Millionen Euro. Deshalb wolle er vorsichtig mit Versprechungen umgehen. Vorerst könne man kurzfristige Maßsnahmen, wie zum Beispiel Radwege oder Änderungen der StVo durchführen. Der Stadtbaudirektor könne sich in weiterer Folge allerdings auch eine Umgestaltung des Busparkplatzes am Griesplatz vorstellen: „Man könnte diese Fläche, die so breit wie die gesamte Annenstraße ist, tatsächlich den Menschen als Aktionsraum zurückgeben.“
[infobox] Das Buch „Griesplatzzeichnen“ wird am 21.Dezember 2016 im Haus der Architektur, in der Mariahilferstraße 2, präsentiert. [/infobox]