Perspektivenbotschafter, Bewährungshelfer, Jungpolitiker und Integrationsbotschafter Mustafa Durmus über Jugendarbeitslosigkeit, Integration und Bildung. Ein Portrait.
Urig, traditionell und typisch steirisch: Im Gasthaus „Reselstube“ in der Hans-Reselgasse, ist Mustafa Durmus für das Stammklientel definitiv ein Blickfang. Geboren in Ankara, aufgewachsen in der Südoststeiermark. Markenpulli, große Uhr am Handgelenk und eine Entschuldigung, weil er noch kurz telefonieren muss, bevor das Interview beginnt.
„Vollblut-Steirer“ mit türkischen Wurzeln
Mustafa Durmus sieht sich selbst als Südoststeirer, Integration sei nie ein großes Thema gewesen. „Ich war immer dort, ich kenne auch nichts Anderes.“ Als er zwei Jahre alt war, ist er mit seinen Eltern aus Ankara in die Steiermark gezogen. Der Vater Staplerfahrer, die Mutter Hausfrau. Beide haben wenig bis gar keine Ahnung vom Schulsystem in Österreich. Über die Empfehlung seiner Volkschullehrerin und einer befreundeten Familie kommt er ins Gymnasium. „Meinen Eltern war es schon wichtig, dass ich dort hingehe, auch wenn sie nicht genau wussten, was Gymnasium bedeutet.“ Durmus, der fließend Deutsch und Türkisch spricht, fing schon im Gymnasium an, andere Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund zu unterstützen: als Dolmetscher, bei sprachlichen Barrieren im Laufe eines Asylverfahrens oder bei Verwaltungsaufgaben. Deshalb war schon mit 14 Jahren klar, dass er Rechtswissenschaften studieren möchte. „Sie nannten mich von klein auf Anwalt.“
Soziales Engagement
Der Jurist und Bewährungshelfer weiß allerdings auch, dass es nicht immer so abläuft. Sein Karriereweg war eine „Fügung von glücklichen Umständen“, sagt er selbst. Die Chance, dass man einen höheren Bildungsgrad als die eigenen Eltern erzielt, liege bei 1:5, sie sei also sehr gering. „Es geht nicht um den Migrationshintergrund, aber man versucht es immer so darzustellen, weil es einfacher ist“, meint Durmus und betont, dass es eigentlich ein soziales Problem ist. Auch wenn österreichische Jugendliche in einem sozial schwächeren Haushalt aufwachsen und die Eltern keine gute Ausbildung haben, ist es für sie genauso schwer, Fuß zu fassen, wie für Kinder mit Migrationshintergrund. Um ihnen dennoch die Ausbildung zu ermöglichen, die sie gerne hätten, hat Mustafa Durmus im Jahr 2014 mit einem kleinen, engagierten Team die Initiative working hero ins Leben gerufen. Dabei geht es ganz viel um Storytelling, das heißt, er und seine Mitstreiter besuchen Schulen, erzählen offen und ehrlich von ihren Karrierewegen und schaffen so Motivation. Durmus kennt die Probleme, die man hat, wenn man neu in Österreich ist: „Ich glaube, ich bin einfach authentisch. Ich weiß, wie sie sich fühlen, mir ging es genauso.“ Es geht auch einfach nur darum, verstanden zu werden, und sich untereinander auszutauschen. Das Projekt working hero will daher Netzwerke bilden, die bestehen bleiben.
Perspektivenworkshop auf Augenhöhe
Ortswechsel: Jugendzentrum „Spektrum“ in Feldbach. 30 Jugendliche, ausnahmslos junge Männer. Drei Hände gehen zögerlich nach oben, als Mustafa Durmus die Frage stellt, wer sich als Österreicher fühlt. Zwei davon sind Österreicher ohne Migrationshintergrund, der Rest hat ausländische Wurzeln – von Ex-Jugoslawien über die Türkei bis Tschetschenien und Afghanistan. Die Jugendlichen sind unsicher, manche tratschen, andere scherzen herum. Mehr als die Hälfte von Ihnen spricht zwei oder drei Sprachen fließend. Dass sie damit einen unglaublichen Vorteil anderen gegenüber haben, wollen sie Mustafa Durmus zunächst nicht abnehmen. Als er dann von seinem Karriereweg erzählt, vom Jus-Studium, seiner Praxis in Anwaltskanzleien und von den sozialen Projekten, hängen die Kids an seinen Lippen. Auf einmal werden viele Fragen gestellt. „Kann ich das auch machen?“ bis hin zu „Wieviel hast du da verdient?“.
Durmus ist wichtig, dass jeder hier über seine Bildungsmöglichkeiten Bescheid weiß, dabei geht es gar nicht darum, dass jeder maturiert oder studiert. Auf die Frage, wer denn vorhabe zu maturieren oder einen Lehrabschluss zu machen, zeigen lediglich vier Jugendliche auf. Die anderen 26 wollen sofort arbeiten, um schnell Geld zu verdienen, größtenteils als Hilfsarbeiter. Das sei allerdings ein Problem, meint Durmus, denn ein Abschluss in irgendeiner Form ist wichtig für die weitere Zukunft der Jugendlichen. Am Ende des Workshops zücken alle ihre Smartphones, um Mustafa Durmus als Freund auf Facebook hinzuzufügen. Bevor er das Jugendzentrum verlässt, kommt einer der jungen Männer, er heißt Hussein, auf ihn zu und erzählt ihm stolz, dass er gerade dabei ist, seine HTL-Matura zu machen. Erlebnisse wie diese sind es, die Mustafa Durmus zum Weitermachen motivieren.
Blick in die Zukunft
Mit seiner Initiative working hero will Mustafa Durmus demnächst verstärkt im Annenviertel Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund an Schulen besuchen und mit ihnen ins Gespräch kommen. „Im Annenviertel gibt es sehr viel Potenzial, hier kann man junge Leute abholen. Da wollen wir wirklich unseren Fokus setzen. Wir sind auch schon in Kontakt mit einigen Schulen.“
Mehr Informationen zu Mustafa Durmus findet ihr auf seiner persönlichen Homepage.
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