Maryam Mohammadi: „Meine Sprache ist die Fotografie“

Lesezeit: 3 Minuten

Die Fotografin und Kuratorin Maryam Mohammadi über ihren Lebensweg, ihre Kunst und ihre Ausstellung „We together.“

wetogether_1
Maryam Mohammadi führt durch die Ausstellung „We together“. Foto: Alexandra Diendorfer

Wer vom Schlachthof die Puchstraße Richtung Süden fährt, vorbei an den mit Graffiti übersäten Türmen des früheren Taggerwerks, der findet früher oder später ins Schaumbad, einem selbstorganisierten Atelierhaus, das seit 2013 beständig wächst. Bis 18. Dezember ist hier noch die Ausstellung „We together – Weibliche Blicke auf eine Welt vom Nahen Osten bis zum Fernen Westen“ zu sehen, in der Künstlerinnen aus der ganzen Welt mit Foto- und Videoarbeiten Alltagssituationen, Geschlechterrollen und politische Veränderungen hinterfragen.

Die Frau hinter der Ausstellung heißt Maryam Mohammadi. Sie ist die Kuratorin und hat selbst einen engen Bezug zum Thema der Ausstellung. Sie wuchs in Teheran in einer Ärztefamilie auf und sollte einmal in die Fußstapfen ihrer Eltern treten. „Kunst war wie eine Allergie für Mama,“ sagt sie. Selbst beschreibt sie sich als Theaternärrin, Bücherfreak und Filmkritik-Junkie – mit dem Traum, eines Tages Theaterregisseurin zu werden. Mohammadi fasziniert am Theater die Mischung aus Licht, Farben, Make Up und Körper. „Theater ist nicht real, aber im Moment ist es das doch. Du bist dabei, kannst lachen und weinen.“ Dennoch entschied sich Mohammadi, zunächst Fotografie zu studieren. Bis heute ist Theater aber ein wichtiger Teil ihrer künstlerischen Arbeit.

„Kunst war wie eine Allergie für Mama.“

„Lasst die Frauen reden“
Im Iran war Mohammadi auch politisch stark engagiert, war unter anderem Mitglied einer Kampagne, die gegen die Hinrichtung von Frauen kämpfte, und setzte sich für Frauenrechte ein. Kein ungefährliches Engagement: Mohammadi wurde zum Teil überwacht, ihr Handy gecheckt, wie sie erzählt. Um ihre Doktorarbeit zu schreiben, zog sie 2009 nach Österreich. Auch hier ist sie politisch aktiv und organisiert regelmäßig Projekte mit MigrantInnen, Flüchtlingen und vor allem Frauen. Mit ihren Arbeiten ist sie immer wieder in Ausstellungen, etwa im Kunstzentrum rotor, vertreten.

Die Ausstellung „We together“ ist Mohamadis persönliche Reaktion auf das aktuelle Weltgeschehen. Die Idee zum Projekt hatte sie bereits im November 2015, am Tag des Anschlags im Pariser Bataclan-Theater. Welche Perspektive entwickeln Frauen auf diese Ereignisse? Wie reagieren sie künstlerisch? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, hat Mohammadi für ihre Ausstellung im Schaumbad 14 Künstlerinnen ausgesucht, die sich hinsichtlich Alter, Herkunft und künstlerischem Stil unterscheiden sollten. Die Arbeiten sollten aber thematisch verbunden sein und „den weiblichen Blick auf die Welt widerspiegeln“.

wetogether_2
Der Nahe Osten zu Gast im Schaumbad. Foto: Alexandra Diendorfer

Die Künstlerinnen thematisieren unter anderem Unterdrückung, Patriarchat und Geschlechterrollen. Die Fotografin Boushra Almutawakels beschäftigt sich beispielsweise mit Klischees, die mit dem Tragen der Hijab verbunden sind. Die Fotoserie „Mother, Daughter, Doll“ zeigt eine sitzende Frau – die Künstlerin selbst – mit Tochter und deren Puppe. Zunächst tragen beide normale Kleidung, doch mit jedem Foto werden sie immer stärker verhüllt und verschmelzen schlussendlich mit dem schwarzen Hintergrund. Auf ihrer zweiten Fotoserie lässt sie Mann und Frau die Rollen tauschen. Die Frau entledigt sich im Laufe der Fotos langsam ihrer Verschleierung, während der Mann an ihrer Seite sich immer mehr verhüllt und neben der Frau zunehmend verblasst. Auch Arbeiten, die einen Einblick in das alltägliche Leben der Frauen bieten, sind zu sehen. Die Fotografin Wendy Marijnissen dokumentiert in ihrer emotionalen Fotoserie „Hamida’s camp pregnancy“ hautnah die Geburt eines Kindes einer pakistanischen Familie in einem Zeltlager.

wetogether_3
„Hamida’s camp pregnancy“ von Wendy Marijnissen. Foto: Alexandra Diendorfer

Besonders wichtig war es Mohammadi, die Künstlerinnen aufgrund deren Geschichte und Herkunft nicht mit einem Label oder Stempel zu versehen, nicht zu kategorisieren. Das stört sie auch selbst. In Begleittexten zu Ausstellungen werde sie immer mit „Maryam Mohammadi Iran/Österreich“ vorgestellt. „Es ist doch egal, woher man kommt!“, findet sie. Mohammadi ist in Österreich jedenfalls gut gelandet. Sie möchte nicht mehr zurück in den Iran. Dort sei sie nur mehr eine Touristin, die die Sprache gut beherrsche. „Ich bin happy, dass ich Persisch kann, aber nicht, dass ich Iranerin bin.“ Sie verbindet noch viele Erinnerungen vor allem aus der Studienzeit mit Teheran. Aber das bedeute nicht, dass der Iran ihre Heimat ist. Mohammadis Heimat ist dort, sagt sie, wo sie Ausstellungen machen und fotografieren kann, dort, wo sie ihre Kunst ausleben kann.

„Es ist doch egal, woher man kommt!“

wetogether_4
Die Arbeiten der Künstlerinnen bieten Diskussionsstoff. Foto: Alexandra Diendorfer
[box]Maryam Mohammadi ist freischaffende Fotografin mit Schwerpunkt auf Stage-Fotografie. Mehr Informationen zu Maryam Mohammadi und ihren Arbeiten findet ihr auf ihrer persönlichen Homepage.

Die Ausstellung „We together – Weibliche Blicke auf eine Welt vom Nahen Osten bis zum Fernen Westen“ im Schaumbad ist noch bis zum 18. Dezember 2016 geöffnet. „We together“ ist eine Ausstellung von XENOS in Kooperation mit Schaumbad, Maryam Mohammadi ist die Kuratorin.

Öffnungszeiten: Mi. bis So., von 15:00 bis 19:00 Uhr und nach Vereinbarung[/box]

Alexandra ist gern und oft unterwegs, gehört zur seltenen Sorte der Morgenmenschen, ist überpünktlich, entscheidungsschwach, aber (fast) immer optimistisch.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

acht + drei =

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Vorherige Geschichte

Sicherheitscheck im Annenviertel

Nächste Geschichte

„Wir sind der letzte Rettungsanker“

Letzter Post in KULTUR