Stolz auf Holz – Graz baut auf Lärche

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Mit österreichweit einzigartigen Holzbauten hat die Stadt Graz 92 neue Wohnungen geschaffen und dabei versucht, umweltbewusst und nachhaltig zu bauen. Ein preisgekröntes Projekt, das sich seit einem halben Jahr mit Leben füllt.

Die Holzwohnbauten Hummelkaserne
Die Holzwohnbauten Hummelkaserne: ein Vorzeigeprojekt. Foto: Christina Klammer

Graz, Maria-Pachleitner-Straße. Es ist ein sonniger Dezembernachmittag. Wir treffen uns mit Birgit Schauer an dem Ort, an dem einst die Hummelkaserne stand. Am südlichen Ende der Reininghausgründe ragen hier vier Holzwohnbauten in den Himmel. Jeweils sechs Stockwerke sind optisch durch eine Blechfuge getrennt, die Wände horizontal mit hellem Lärchenholz ausgekleidet, erklärt Schauer, die mit der Bauleitung betraut war. Jede Wohnung ist mit einem Balkon ausgestattet, auf einem wird gerade Wäsche aufgehängt. Am Eingang des Hauses mit der Nummer 22 stehen Kinderfahrräder, hinter dem Haus ein Spielplatz. Vor einem halben Jahr sind die ersten Bewohner hier eingezogen. Lage und Material der Gebäude schaffen eine entspannte Atmosphäre fernab städtischer Hektik.

Die sechsgeschossigen Holzwohnbauten auf den Gründen der ehemaligen Hummelkaserne sind in dieser Form einzigartig und die derzeit höchsten in ganz Österreich. „Die ursprüngliche Idee dazu kam von der Stadt Graz“, erklärt Schauer. Insgesamt 92 Gemeindewohnungen entstanden so in Zusammenarbeit mit der Kaufmann Bausysteme GmbH als Generalübernehmer, der ENW Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft als Bauherr sowie dem Planungsbüro der SPS Architekten GmbH. Nach einer Planungszeit von 15 Monaten und einer Bauphase von weiteren 19 Monaten konnten die Wohnungen im Juli 2016 von den MieterInnen bezogen werden. Insgesamt 9,8 Millionen Euro kostete das Projekt, finanziert wurde es über die Wohnbauförderung. Es gilt als Vorzeigemodell in Sachen Nachhaltigkeit und Regionalität und hat 2016 den Anerkennungspreis für beispielhaften Wohnbau des Landes Steiermark gewonnen.

Birgit Schauer, Projektleiterin
Birgit Schauer leitete das Projekt auf den Gründen der ehemaligen Hummelkaserne. Foto: Christina Klammer

Vorzeigeprojekt im Sinne der Umwelt
Bei der Errichtung der Gebäude setzten die Betreiber auf steirische Partnerunternehmen, es wurde ausschließlich Holz aus dem Bundesland verwendet. Holz als erneuerbare Energieressource liegt im Trend: Wohnbaulandesrat Johann Seitinger (ÖVP) spricht davon, dass inzwischen 30 Prozent der geförderten Geschossbauten mit Holz errichtet werden. Auf dem Areal der ehemaligen Hummelkaserne wurden insgesamt 1.600 m3 Lärchenbrettsperrholz verbaut – damit konnte auch der CO2- Ausstoß wesentlich verringert werden. Es wurde so viel CO2 eingespart wie bei knapp 129 Hin-und Retourflügen von Frankfurt nach Sydney ausgestoßen wird. Ob die Zukunft der Bauindustrie ebenso „grün“ aussehen werde? „Ich glaube schon“, mutmaßt Schauer. „Man schaut, dass man möglichst einheimische Firmen beschäftigt.“

Zu jeder Wohnung gehört ein westseitiger Balkon oder Garten, der Aussicht auf einen der „visuellen Anker in der weiten Blickbeziehung“, wie es das Planungsbüro SPS Architekten GmbH nennt, gewährt: den Plabutsch. Ein zweiter ist der Schlossberg in Blickrichtung Osten, sowie der im Norden gelegene Schöckel.

Die Aussicht von den Wohnungen auf den Plabutsch
Die Hügelkette des Plabutsch als „visueller Anker“ im Westen der Stadt. Foto: Christina Klammer

Wohnen im nachhaltigen Stil
Das Wohnungsangebot selbst ist vielfältig und vor allem für Familien reizvoll. Pro Etage verfügt jedes Haus über je eine Ein-, Zwei-, Drei- und eine Vierzimmerwohnung, die zwischen 33 m2 und 92m2 Platz bieten. „Sämtliche Wohnungen wurden sofort bezogen, es gab nie einen Leerstand“, erklärt Schauer. Vermittelt werden diese über das Wohnungsamt der Stadt Graz, das über eine entsprechende Warteliste disponiert. „Würde heute jemand ausziehen, so hätte man am morgigen Tag bereits eine/n neue/n MieterIn für die Wohnung“, beschreibt sie die Situation am Grazer Gemeindewohnungsmarkt.

„Sämtliche Wohnungen wurden sofort bezogen, es gab nie einen Leerstand“

Beim Betreten des Stiegenhauses zeigt sich der betonierte Kern der Holzwohnbauten – unverputzt und lediglich durch sogenannte „Farbblitze“ aufgepeppt. Das Konzept dazu stammt unter anderem vom Salzburger Maler Ernst Muthwill. Es handelt sich dabei um verschieden eingefärbte, zirka einen Meter lange Vertiefungen in den Wänden, die horizontal und vertikal an den Mauern entlang verlaufen. Die bewusst gewählten Farbakzente dienen auch der Orientierung, weshalb sie zusätzlich an Brüstungen, Aufzugstüren und vereinzelten Flächen zu finden sind.

Farbblitzer im Stiegenhaus des Hauses
Bunte Farbblitze auf den unverputzten Wänden bringen Leben in den Kern des Baus. Foto: Christina Klammer

Andrea Bildik, Bewohnerin einer Vierzimmerwohnung im zweiten Stock, gibt uns einen kleinen Einblick in das Nachbarschaftsleben. Die fünfköpfige Familie ist Anfang Juli als eine der ersten eingezogen und fühlt sich hier sehr wohl. Beim Ausblick auf den Plabutsch, den der Balkon gewährt, kann man die Begeisterung der Mutter nachvollziehen. Bildik spricht von einem „hervorragenden Hausklima“ und entstehenden Freundschaften. Lediglich über die Nutzung des Müllplatzes zeigt sie sich etwas besorgt. Sie deutet auf einige offen herumliegende Plastiksäcke vor dem Müllhäuschen hin, in welchem an sich jegliche Möglichkeiten zur Mülltrennung vorhanden sind. Es sei schade, einen so schönen Ort durch Müll zu verunreinigen.

Eine Stadt im Kampf gegen die Wohnungsarmut
Durchschnittlich 2200 Wohnungen wurden in den letzten vier Jahren jährlich in der steirischen Hauptstadt gebaut, die jedes Jahr im Schnitt um 1,15% wächst. Außerdem sollen bis 2019 rund 500 zusätzliche Gemeindewohnungen dem höher werdenden Bedarf an Wohnraum entgegenwirken und das Wohnen wieder leistbarer machen. Derzeit machen Gemeindewohnungen nur knappe sieben Prozent des gesamten Wohnungsmarktes aus. Diese Wohnungen sollen dann ebenfalls sehr hohe Energiestandards (umweltfreundlicher Bau, nachhaltige Komponenten) aufweisen.

Auf die Frage, ob es weitere Bauvorhaben wie das der Hummelkaserne in Graz gibt, erzählt Birgit Schauer von einem ähnlichen Projekt, das für Anfang 2017 im Grazer Univiertel geplant ist. Dabei werde es sich um viergeschossige Holzbauten in annähernd gleichem Stil handeln. Angesprochen auf die Verkehrsanbindungen deutet sie auf eine noch unbenützte Busumkehrschleife hinter den Häusern. Wann und ob eine Haltestelle bei den Holzwohnbauten entsteht, hänge von den finanziellen Mitteln der Stadt ab. Und eine 2011 diskutierte Straßenbahnstrecke hierher? „Das ist Zukunftsmusik“.

[infobox color=“#a3a3a3″ icon=“info“]Unter sozialem Wohnbau versteht man den staatlich geförderter Bau von Wohnungen (Wohnbauförderung).[/infobox]

Von den Höhen der Karnischen Alpen herabgestiegen ist sie stets auf der Suche nach interessanten Gesprächen, gutem Essen und neuem Wissen. Sie liebt es zu lachen, ist offen für die Welt und spricht unheimlich gerne Fremdsprachen.

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