Ein Grün-Schnabel aus Lend für Graz

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Die Grünen werden bei den Gemeinderatswahlen Graz erstmals mit Tina Wirnsberger als Spitzenkandidatin antreten. Was denken und planen die diplomierte Sozialpädagogin und der Grüne Gemeinderat Karl Dreisiebner hinsichtlich des Annenviertels?

Tina Wirnsberger und Karl Dreisberger
Tina Wirnsberger und Karl Dreisiebner wollen Graz wieder grüner machen. Foto: die Grünen Graz

Annenpost: Frau Wirnsberger, Herr Dreisiebner, was assoziieren Sie persönlich mit dem Annenviertel?

Tina Wirnsberger: Es ist ein unglaublich vielfältiges Viertel, ein Viertel, in dem viel Bewegung ist. Ein Abbild von Graz und speziell auch vom rechten Murufer. Man sieht, was Vielfalt im positiven Sinne ausmachen kann.

Karl Dreisiebner: Was mir hier sehr gut gefällt ist diese urbane, permanente Neuerfindung, die eine Stadt meines Erachtens nach auch ausmacht. Stadt, das ist für mich nicht schön, gepflegt und unaufgeregt. Es ist das Lebendige, das Pulsierende, das mich fasziniert.

Herr Dreisiebner, in einem Tweet haben Sie gerade erst gefordert, die Stadt Graz solle sofort Verhandlungen wegen des Leerstands in der Annenpassage aufnehmen. Welche konkreten Vorstellungen hätten Sie beide zu diesem Thema?

Dreisiebner: Forderung ist vielleicht etwas übertrieben, ich habe es als Möglichkeit beschrieben. Ich denke, man sollte damit anfangen, die Leerstände daran auszurichten, was die rundherum Wohnenden brauchen.

Wirnsberger: Ich bin ja schon länger bei den Grünen in Graz, die Entwicklung um den Bahnhof war schon öfter ein Thema. Man könnte die Leerstände für Kultur und speziell für Jugendkultur öffnen. Da man dort unten in der Annenpassage nicht wirklich jemanden stört, würde sich der Raum gut für Proberäume oder Kunstwerkstätten eignen. Eine andere Idee wäre, die Räume für soziale Zwecke wie etwa Wärmestuben zur Verfügung zu stellen. Das hängt allerdings nicht von den Grünen ab, sondern von den Privatbesitzern. Meiner Meinung nach braucht es ein Gesamtkonzept für den Bahnhof, in welches alle Betroffenen involviert werden.

Wie sehen Sie die Debatte um die Sicherheit im Viertel und was halten Sie von Projekten wie dem neuen „Sicherheitsinformationszentrum“ am Lendplatz?

Wirnsberger: (lacht) Da war ich sogar bei der Eröffnung. In der momentanen Sicherheitsdebatte muss ich sagen, dass vor allem präventive Maßnahmen wichtig sind. Polizeiarbeit ist für mich nicht nur Repressionsarbeit. Ich finde das Projekt „Sicherheitsinformationszentrum“ gut, da damit unter anderem die Verschränkung von Sicherheit und sozialer Arbeit forciert wird. Außerdem richtet sich das Projekt an unterschiedliche Personengruppen wie MigrantInnen oder PensionistInnen. Gesellschaftliche Öffnung ist gerade bei sensiblen Themen wie der Sicherheit sehr wichtig.

Was halten Sie als Frau vom Heimwegtelefon?

Wirnsberger: Es ist eine Maßnahme, die in der momentanen Sicherheitsdebatte hochgespielt wird, und oftmals als DIE Lösung präsentiert wird. Ich kenne das Gefühl als Frau, wenn man sich auf dem Nachhauseweg unwohl fühlt und jemanden anruft, eben nur um in Kontakt zu sein. Allerdings packt so eine Maßnahme meiner Meinung nach das Problem nicht bei der Wurzel.

Wie wollen Sie nach der für die Grünen erfolgreichen Bundespräsidentschaftswahl WählerInnen von Alexander Van der Bellen bei den Grünen halten?

Dreisiebner: Die Mehrheit der ÖsterreicherInnen hat nicht für die Grüne gestimmt, sondern, wie Sie schon sagten, für Alexander Van der Bellen. Jedoch lässt sich nicht leugnen, dass viele seiner Sichtweisen uns entgegenkommen. Wir wollen uns aber auch an den Sorgen und Ängsten der BürgerInnen orientieren. Das hat für mich auch etwas mit der Wahl der Sprache zu tun. Die Grünen haben oftmals immer noch ein Image als „akademische Gruppierung“. Das sehe ich persönlich nicht so.

Glauben Sie, dass eine durch gewisse Persönlichkeiten schon öfters forcierte Hinwendung der Partei zum Linkspopulismus eine Lösung wäre?

Wirnsberger: Nein, da Populismus nie eine politische Lösung ist. Populismus öffnet Räume, die nicht mehr im demokratischen Konsens stehen, sondern das Gefühl erwecken, es gäbe einfache Lösungen für komplexe Probleme. Man muss in der Sprache zwar einen Weg finden, sich zu verständigen, und darf da manchmal auch niederschwelliger sein. Das ist für mich aber kein Populismus, sondern Kommunikation.

Wenn die FPÖ „Daham statt Islam“ auf Plakate schreibt, dann könnte man doch eigentlich auch sagen, das sei „nur“ Kommunikation, oder?

Wirnsberger: Nein, das ist Populismus, weil es Begriffe gegenüberstellt, die kein Gegensatz sind, und eine Stimmung der Ausgrenzung befeuert wird. Außerdem kann man den Heimatbegriff nicht einfach so besetzen. Heimat ist ein Gefühl, das jeder für sich selbst definieren muss.

Dreisiebner: Richtig. Das Annenviertel soll für alle Heimat sein können, unabhängig von der Herkunft oder anderen sozialen Faktoren.

Für viele Menschen im Annenviertel ist der Griesplatz Heimat. Was sagen Sie zu einer „Neugestaltung“? Sehen Sie dadurch eine Gefahr der Gentrifizierung, der Verdrängung einkommensschwacher BürgerInnen?

Wirnsberger: Neugestaltung heißt ja nicht immer, etwas Neues zu bauen. Uns geht es primär darum, eine bessere Lebensqualität am Griesplatz zu schaffen. Einen Ort, an dem sich die Menschen aufhalten wollen, und nicht nur schnell weghuschen möchten. Mehr Grünflächen wären für uns ein Ansatz dafür. Wichtig ist für uns auch, dass die Stadt den BürgerInnen nicht einfach etwas vor die Nase pflanzt, sondern sie aktiv in den Neugestaltungsprozess mit einbezieht, und auf ihre Wünsche und Verbesserungsvorschläge hört.

Dreisiebner: Zum Thema Gentrifizierung: ich denke, eine gute soziale Durchmischung ist wichtig. Um die zu erhalten, müsste man als Stadt auch einschreiten, um Immobilien zu revitalisieren und auf leistbarem Niveau zu erhalten.

Ein wichtigs Thema in Österreich ist die Arbeitslosigkeit. Was planen Sie, um im Annenviertel mehr Jobs zu schaffen?

Wirnsberger: Da fällt mir zum Beispiel die Verhinderung des Einkaufszentrums in Seiersberg ein. Einkaufszentren in dieser Größe sorgen dafür, dass Wirtschaftstreibende in der Innenstadt, vor allem in der Annenstraße, noch mehr an Laufkundschaft verlieren. Außerdem bin ich für die Entrümpelung der Gewerbeordnung sowie die Einführung eines Generalgewerbescheins, um die Wirtschaft zu entbürokratisieren. Man sollte Graz auch weiterhin als Forschungsstandort fördern, da man auch in aufstrebenden Bereichen wie Green Technology viele Arbeitsplätze schaffen kann.

Dreisiebner: Als Halbtags-Mitarbeiter beim AMS möchte ich noch anmerken, dass angesichts der Digitalisierung und immer weniger Jobs für Menschen auch das Wort „Arbeitszeitverkürzung“ in den Mund genommen werden sollte. Aber das ist eine Sache für die Bundesregierung.

Bei der letzten Gemeinderatswahl kamen die Grünen auf 12,14%. Was für ein Ergebnis wünschen Sie sich am 5.Februar und wie wollen sie es erreichen?

Wirnsberger: Wir wollen auf jeden Fall wachsen, und ich bin überzeugt, dass das möglich ist. Wir haben in der Vergangenheit sowohl in der Regierung als auch in der Opposition bewiesen, dass wir klare und konsequente Politik betreiben, und sind nebenbei auch die einzige Partei, die sich wirklich für Umweltanliegen stark macht. Aufgeschlossene und urbane Leute, die eine zukunftsorientierte Politik für ihre Stadt wollen, sind bei uns richtig aufgehoben.

Annenpost: Frau Wirnsberger, Herr Dreisiebner, wir danken für das Gespräch!

[infobox color=“#a3a3a3″ icon=“info“] In Graz stehen am 5. Februar Gemeinderatswahlen an. Die Annenpost hat die SpitzenkandidatInnen aller Parteien im Gemeinderat zum persönlichen Interview über ihre Pläne und Visionen für Graz 8020 gebeten. Vizebürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ Graz), Michael Ehmann (SPÖ Graz), Tina Wirnsberger (Die Grazer Grünen) und Philip Pacanda (Piratenpartei Graz) haben diese Einladung angenommen. Der amtierende Bürgermeister Siegfried Nagl (Grazer Volkspartei) und Mario Eustacchio (FPÖ Graz) wollten sich hingegen vertreten lassen oder Fragen nur schriftlich beantworten. Darauf haben wir uns nicht eingelassen. [/infobox]

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