Peter Hlade, Leiter der Psychiatrie der Barmherzigen Brüder in Eggenberg, über die Behandlung schwieriger Krankheitsbilder, Zwangsmaßnahmen und das Imageproblem seines Fachs.
„Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie” steht auf den Schildern geschrieben, die den Weg in die beiden Stationen weisen. Eigentlich nichts Besonderes, ganz banale Wegweiser wie man sie in jedem Krankenhaus findet. Doch das war nicht immer so. Als ihm der Geduldsfaden riss, weil die alten Schilder – „Psychosoziale Station“ stand damals darauf – nicht durch neue ersetzt wurden, schritt er selbst zur Tat, bastelte Hinweistafeln aus Papier und hängte sie in die Gänge. Danach verging nur eine Woche, bis die Krankenhausverwaltung Hlades Wunsch erfüllte. „Es dauerte, bis die Akzeptanz für eine Psychiatrie hier im Haus vorhanden war, aber es wird immer besser“, sagt der Chefpsychiater, der diese Anekdote symptomatisch für das zwar nicht mehr so starke, aber immer noch vorhandene Imageproblem von Psychiatrien sieht.
„Das ist fast nicht auszuhalten“
Psychiatrie ist nämlich nicht gleich Psychiatrie. Offene Abteilungen, wie in Eggenberg, werden häufig mit geschlossenen Akuteinrichtungen verwechselt, wie sie etwa im Landeskrankenhaus-Süd-West bestehen. Nur dort darf nötigenfalls die Behandlung gegen den Willen von PatientInnen mit freiheitsbeschränkenden Maßnahmen angewendet werden, beispielsweise durch Fixierung am Bett. „Psychiatrien werden leider immer nur auf das reduziert. Damit tut man den meisten PatientInnen unrecht und das ist fast nicht auszuhalten“, meint Hlade dazu. Und selbst in Akutpsychiatrien sei der Freiheitsentzug nur ein kleiner Teil der Realität und das letzte Mittel, um Menschen vor sich selbst zu schützen, erklärt der Chefarzt, der zuvor 14 Jahre im Akutbereich tätig war. Dass diese Schutzfunktion noch immer eine Rolle spielt, zeigt auch das Leitmotiv der vergangenen psychiatrisch-psychosomatischen Tagung. Die Ärztekonferenz ging von 19. bis 21. Jänner im Minoritensaal unter dem Motto „Schutzmuster“ über die Bühne.
Sobald dieser Schutz nötig wird – PatientInnen beispielsweise akut selbstmordgefährdet sind – werden sie in den geschlossenen „Unterbringungsbereich“ des LKHSüd West überstellt. Auch wenn Hlades Abteilung durch ihre Einbindung in ein Allgemeinkrankenhaus eine gewisse Sonderrolle zukommt und sie eine offene Einrichtung ist, sind die Krankheitsbilder die hier behandelt werden, nicht weniger fordernd. Das gesamte Spektrum der Erwachsenenpsychiatrie wird hier abgedeckt, also unter anderem Depressionen, Essstörungen wie Mager- oder Ess-Brechsucht, aber auch posttraumatische Belastungs- oder Persönlichkeitsstörungen. Gerade die Behandlung von Menschen mit Essstörungen bedarf „guten Teamzusammenhalt“, wie der Arzt sagt. Um auf jede Patientengruppe individuell eingehen zu können, stehen die unterschiedlichsten Therapieformen zur Verfügung – von Akupunktur bis zu Skills-Gruppen, in denen PatientInnen lernen, Spannung abzubauen. „Das wird unter anderem bei Borderline-PatientenInnen angewendet, die sich oft ritzen, um Druck abzubauen.“
„Es ist keine Katastrophe hier behandelt zu werden“
Grundsätzlich seien psychische Erkrankungen jedoch sehr gut behandelbar, meint Hlade. Problematisch sei eher, dass PatientenInnen sich oft an die falschen Stellen wenden würden, um der mit Psychiatrien verbundenen Abstempelung zu entkommen. Es sei wichtig, dass psychisch Kranke sich die richtige Hilfe holen. „Es ist keine Katastrophe, hier bei uns behandelt zu werden und damit auch die adäquate Behandlung zu bekommen.“
Alle 62 Betten bei den Barmherzigen Brüdern sind derzeit belegt. Im Kontext des Ärztemangels ist die Abteilung noch gut besetzt. „Allerdings stehen einige Pensionierungen bei älteren KollegInnen an“, erklärt Hlade. Darum sei es in Zukunft keineswegs gesichert, über genügend FachärztInnen verfügen zu können. Die zwei Stationen sind jedoch stark frequentiert. „Wir nehmen rund 1200 PatientInnen im Jahr auf“, sagt er. Häufig kämen diese höchst ungern auf die Station, würden gegen Aufenthaltsende aber am liebsten noch länger bleiben. „Oft wird die Unterstützung so gut angenommen, dass wir wegen dem Druck, akutere Fälle aufnehmen zu müssen, die Aufenthaltsdauer kürzer gestalten müssen, als die PatientenInnen das wünschen.“
Die Realität in Psychiatrien ist offenbar bei weitem besser als ihr Ruf. Auch Hlade ist sich dessen bewusst. „Ich sehe es als Teil meiner Lebensaufgabe, der Stigmatiserung entgegen zu wirken.“