Immer mehr Blogger finden in Graz ihre kreative Heimat. Montage: Michael Sommer

Ein Dorfplatz für Blogger

Lesezeit: 4 Minuten
Drei junge Grazerinnen wollen mit ihrer Initiative Blogger Village eine Netzwerkplattform für die nächste Generation der Online-Schreiber sein. Und Graz zur Blogger-Hauptstadt machen.

Immer mehr Blogger finden in Graz ihre kreative Heimat. Montage: Michael Sommer

Bloggen, das ist für viele vorwiegend junge Menschen heutzutage der lässige Traumjob, bei dem die eigene Persönlichkeit im Mittelpunkt steht und man noch dazu Geld durch Werbung oder Product Placement verdient. Von der Online-Schreiberei wirklich leben zu können, gelingt in Österreich allerdings nur in Ausnahmefällen. Den Fitness-Bloggerinnen Luisa und Julia von Our Clean Journey zum Beispiel oder Madeleine Alizadeh, die auf ihrem Blog dariadaria. Themen wie Mode oder veganes Essen behandelt. Während sich in Wien diese und andere Blogger mit GmbHs oder Einzelunternehmungen selbstständig machen und gutes Geld verdienen, beginnt sich auch die Blogger-Szene in Graz langsam zu professionalisieren. Yuno Khripunova, Sandra Auer und Svetlana Gombats wollen diese Entwicklung mit ihrer Initiative Blogger Village beschleunigen, erste Ansprechpartner für Blog-Anfänger sein und etablierte Blogger zum Netzwerken einladen. Seit einem halben Jahr finden in dem Lokal Oma’s Teekanne am Nikolaiplatz monatliche Village Talks statt. „Wir koordinieren unsere Treffen über eine Facebook-Gruppe, die aktuell um die 25 Grazer Blogger umfasst. Die Teilnehmerzahl ist ganz unterschiedlich, manchmal sind wir 20 Leute, manchmal auch nur sechs oder sieben“, sagt Khripunova, die gemeinsam mit Auer das Lokal führt und auf dem gleichnamigen Blog vorwiegend über Vintage und Kulinarik berichtet. „Wir nutzen unseren Blog vor allem dazu, die Menschen über Events und Neuerungen in unserer Teebar zu informieren.“

Der Village Talk wurde Anfang Februar zu einem Potluck-Dinner umfunktioniert. Alles, was im Grazer Bloggerversum Rang und LeserInnen hat, wurde eingeladen, bei selbstgemachtem Essen über gemeinsame Projekte für das Jahr 2017 zu diskutieren. Für Khripunova ist es nämlich wichtig, dass Bloggen auch offline stattfindet. „In einer relativ kleinen Stadt wie Graz kann man sich gut vernetzen, deswegen auch der Name ‚Village’. Viele Blogger kennen sich lediglich aus dem Netz, aber nur wer sich auch jenseits des World Wide Web trifft, kann Pläne für eine gemeinsame Zusammenarbeit schmieden.“

Bei einem Potluck-Dinner wurde über neue Blogger-Projekte diskutiert. Foto: Svetlana Gombats

Themenüberschuss und Männermangel
Die Palette an berichtenswerten Themen scheint beim Bloggen ebenso unerschöpflich wie die Anzahl der verschiedenen Zugänge der AutorInnen zu ihrem ganz persönlichen Blogthema. So berichtet die Fotografin Svetlana Gombats auf ihrem Blog über Hochzeits-Shootings und Diana Ranegger, Clarissa Kober und Johanna Kohlenberger von Dogdays of Summer schreiben über Vintage-Mode und DIY-Projekte. Im Vergleich zu Deutschland gibt es in Österreich jedoch auffallend wenig Politik- oder Technik-Blogs. Der österreichische Bloggermarkt konzentriert sich auf Themen wie Mode, Essen und Reisen und wird vorwiegend von Frauen dominiert. Für Khripunova hat dieser Männermangel in der Bloggerszene mit dem Vorurteil zu tun, dass Blogger hauptsächlich über Lifestyle-Themen und Mode schreiben würden. „Gerade für Fotografen würde sich der Sprung in die Bloggerwelt anbieten“, meint die Village-Gründerin. „Ich glaube aber, dass das Publizieren von persönlichen Dingen, Gefühlen und Eindrücken nach wie vor eine Hemmschwelle für viele Männer darstellt.“ Aber es gibt sie, die bloggenden Männer. Bekanntester männlicher Vertreter der Grazer Blogger-Zunft ist Thomas Repič. Auf seinem Food-Blog Fressgalerie setzt er sowohl komplexe als auch studententaugliche Gerichte durch ansprechende Fotos in Szene und reicht die passenden Rezepte dazu.

Ihr Bloggerlein kommet
Wenn Yuno Khripunova über die Zukunftspläne ihrer Blogger-Vereinigung spricht, leuchten ihre Augen. Der Ehrgeiz, Graz zur Ankunftsstadt für Blogger zu machen, steht ihr ins Gesicht geschrieben. Im Annenpost-Gespräch erzählt sie von dem Plan, Blogger-Workshops in ihrem Lokal anzubieten. Vor allem Neulingen soll so der Einstieg erleichtert werden. „Aber wir planen auch etwas Größeres. Noch im heurigen Jahr soll ein Blogger-Festival in Graz stattfinden. Etablierte Blogger sollen dort ihre Erfahrungen weitergeben. Es soll verschiedene Sessions geben, die sich zum Beispiel um Themen wie Food-Photography oder steuerrechtliche Tipps für Blogger drehen.“ Die finanzielle Komponente spielt laut Khripunova eine zunehmend größere Rolle. Wenn Blogger ihr Hobby zum Beruf machen und über Werbeschaltungen Geld verdienen, stehen Fragen wie „Welches Gewerbe melde ich an?“ oder „Wie versteuere ich meine Werbeeinnahmen?“ auf der Agenda. „Wenn du mit dem Bloggen finanziell überleben kannst, dann hast du es in der Szene geschafft.“

Gratwanderung zwischen Mehrwehrt und Selbstinszenierung
Aber sollte man sich erst als Blogger bezeichnen, wenn man die Online-Schreiberei kommerziell praktiziert? „Es geht nicht um kommerziell oder nicht kommerziell. Wir haben den Begriff ,Blogger´ für uns relativ breit angelegt. Wir wollen niemanden ausschließen. Blogger sind Menschen, die die Welt vielleicht ein bisschen anders sehen und andere durch ihr Tun inspirieren“, so Khripunova. Für sie zählen auch Instagram-Beautys und Fashion-Trendspotter zum Kreis der Blogger. „Der Grat zwischen Mehrwert für die LeserInnen und Selbstinszenierung ist hier allerdings sehr schmal“, weiß Diana Ranegger, Bloggerin auf Dogdays of Summer und Mitglied des Blogger Village. „Vielen geht es nur darum, sich durch schöne Fotos geschickt in Szene zu setzen.“

Die Ursprungsidee des Bloggen, also ein Online-Tagebuch zu verfassen, habe sich zunehmend gewandelt, sind sich Ranegger und Khripunova einig. „Die Anfangsmotivation der Blogger ändert sich nach längerem Bloggen. Einerseits sinkt die Hemmschwelle, Persönliches einer breiten Öffentlichkeit preiszugeben, andererseits verändert der ständige Kontakt mit ihren LeserInnen die Motivation“, kann Khripunova nach Gesprächen mit Dutzenden Bloggern sagen.

Ihrer Meinung nach steckt die Blogger-Szene in Graz zwar noch in den Kinderschuhen, hat aber aufgrund der Größe und Vielfalt Potential. Für Yuno Khripunova ist das Bloggen eine Wissenschaft für sich: „Ich könnte mir sogar vorstellen, dass eines Tages Blogger-Relations irgendwo auf der Uni oder einer Fachhochschule unterrichtet werden.“

[infobox color=“#a3a3a3″ icon=“info“]Informationen über die nächsten Treffen der Blogger Village Blogger und ihre neuesten Projekte gibt es auf ihrer Facebook-Seite. Wer sich über die österreichische Bloggerszene informieren möchte, kann dies auf dem Online-Verzeichnis blogheim.at tun.[/infobox]

Politisch interessierter Medienjunkie. Hobbymoderator. Macher der Spritzweinjugend. Wäre gerne Schlauer.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

14 − zwölf =

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Vorherige Geschichte

Ein bisschen Drag steckt in jedem von uns

Nächste Geschichte

Diskurs mit Dessert

Letzter Post in VIERTEL(ER)LEBEN