Die Luftqualität im Herzen der „grünen Mark“ lässt zu wünschen übrig. Der Feinstaub-Jahresgrenzwert wurde in Graz bereits Anfang Feber überschritten. Jetzt sollen Klimaschutzmaßnahmen, wie die Begrünung freistehender Flächen, für Abkühlung sorgen und die Stadt aufatmen lassen.
Geschäftiges Treiben in der Annenstraße. Eine junge Frau schlendert an der Straßenbahn-Haltestelle Esperantoplatz vorbei, als ihr plötzlich eine Blume in die Hand gedrückt wird. „Ein kleines Geschenk“, sagt ein Mitarbeiter des Umweltamtes. Das Gesicht der Frau hellt sich auf, sie bedankt sich und zieht lächelnd weiter. Was aus einiger Entfernung wie ein holpriger Flirtversuch aussieht, ist in Wahrheit Teil der Aktion „Haltestellenbegrünung“, bei der das Team des Grazer Umweltamtes einen Tag lang bunte Dahlien, Myrten und Bitterwurzeln an PassantInnen verteilte. Das Konzept zur dauerhaften Begrünung von Haltestellen stammt von der Firma Optigrün – noch vor dem Hochsommer sollen die ersten Warteplätze mit Pflanzen versehen werden.
„Der Platz für neue Parks in Graz ist zwar begrenzt, aber es gibt viele andere Möglichkeiten Grünflächen zu schaffen. Mit der Begrünung der Haltestellen wollen wir zeigen, wieviel man schon mit einfachen Mitteln bewirken kann“, sagt Umweltstadträtin Wirnsberger. Nach dem Beschluss zur Klimawandelanpassungsstrategie wurde im vergangenen Jahr bereits ein Zuschuss zur Förderung von Fassadenbegrünung erstellt. Hausbesitzer, die sich zur Begrünung der Fassade eines Grazer Gebäudes entschließen, werden dabei mit bis zu 40.000 Euro unterstützt. Das ist nur ein Teil der nötigen Finanzierung, den Hauptanteil müssen Hauseigentümer selbst übernehmen. Trotzdem haben sich bereits erste Interessenten gefunden. Geplant ist unter anderem die Begrünung des Uniqua-Gebäudes in der Annenstraße.
Wolfgang Nusshold, Miteigentümer der Pluto Vermögensverwaltung GmbH und Eigentümer des Styria Center, will Nägel mit Köpfen machen: „Wir bauen 104 Wohnungen in der Strauchergasse, dazu eine Parklandschaft mit einer Fläche von 2000 Quadratmetern. Im Hofinnengebäude planen wir eine exzessive Dachbegrünung.“ Das Projekt soll im April 2018 fertig sein. Sorgen der Anrainer über eventuelle Schädlinge, die sich im grünen Blätterwerk einnisten, sieht Nusshold als unbegründet. „Natürlich kann man bei der Erstellung von Grünflächen viele Fehler machen, deshalb braucht es Experten für die Planung. Aber sobald Erstellung und Instandhaltung funktionieren, wird es auch Nachahmer geben.“
Luft als „Krankmacher“
Verkehr, Industrie und Brennmaterial im Haushalt – das sind die Hauptverursacher von Feinstaub in der Luft. Als besonders gesundheitsschädlich gelten Kleinstpartikel, die bis in die Lungenbläschen und den Kreislauf gelangen, wo sie Lungenschäden und Herzerkrankungen verursachen oder zumindest begünstigen können. Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) wies bereits zu Jahresbeginn auf die kritische Feinstaubsituation in Graz und die damit einhergehende Belastung für die Bevölkerung hin. Gefährlich ist Feinstaub vor allem für Kinder. Da deren Lungen noch nicht völlig entwickelt sind, kann der Feinstaub Entzündungen verursachen.
Laut einer Studie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) könnte gezielte innerstädtische Begrünung die Luftverschmutzung einer Stadt um bis zu 30 Prozent reduzieren. Vor allem Kletterpflanzen wie Efeu eignen sich mit einer Feinstaubverminderung von bis zu 60 Prozent besonders gut als Schadstofffänger. Im Sommer sollen die „grünen“ Haltestellen und Fassaden dabei helfen, die Wärmespeicherung im Stadtkörper zu reduzieren und Verdunstung zu fördern. Die Luft wird durch begrünte Fassaden und Dächer von Schadstoffen gereinigt und mit Sauerstoff angereichert. Viele Menschen schätzen aber auch die optischen Vorteile: „Ich bin froh, wenn ich die grauen Häuserfassaden nicht mehr sehen muss und die Annenstraße lebendiger wird“, sagt Kurt Otter, Inhaber von Otter Optik. „Auch eine Verschönerung der Haltestellen fände ich sympathisch. Ich würde mich freuen, wenn ich in eine grüne Welt reinschauen darf.“