Jedes Jahr landen in Graz tonnenweise alte Bücher im Müll. Für Beatrix Altendorfer ist das ein absolutes No-Go. In offenen Bücherregalen gibt sie aus- oder ungelesenen Büchern eine neue Heimat.
Von: Valentin Kaltenegger und Marie-Sofie Kogler
Wer Beatrix Altendorfer bei einem ihrer Bücherregale trifft, läuft Gefahr, gleich zum Bücherschlichten eingeteilt zu werden. Altendorfer hat es sich zur Aufgabe gemacht, gebrauchten Büchern eine zweite Chance zu verschaffen statt sie im Altpapier verkommen zu lassen. Woher die Regale in der Stadt kommen, weiß sie auch nicht. Ursprünglich kannte sie die Idee nur aus dem Ausland, freute sich aber sehr, als auch in Graz immer mehr davon auftauchten. Mit einem Aufruf in der von ihr gegründeten Facebook-Gruppe Offene Bücherregale Graz & Graz Umgebung, in der sie heute noch über die 59 Grazer Regale mit Fotos und Geschichten berichtet, bat sie um Informationen über die Standorte der Bücherregale und bekam zahlreiche Antworten.
Bücher als Leidenschaft
Die offenen Bücherregale sind für Altendorfer eine Herzensangelegenheit. Die hauptberufliche Steuerberaterin liebt Bücher und ist überzeugte Umweltschützerin. Mit ihrer Kollegin Andrea Breithuber betreibt sie die Website „Nachhaltig in Graz“, auf der Tipps zum nachhaltigen Leben für Bewohner zu finden sind. Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt Altendorfer seit ihrer Jugend. Schon damals hat sie sich für mehr Umweltbewusstsein eingesetzt, und das mit Erfolg – 2017 wurde sie mit ihrem Verein für den Österreichischen Klimaschutzpreis nominiert. Vom 20. Oktober bis zum 6. November kann für sie abgestimmt werden.
Im Annenviertel stehen 12 der Regale, unter anderem in der Kernstockgasse, die von den verschiedensten Leuten genutzt werden. Besonders beliebt sind hier Kinderbücher, Thriller und Krimis. Diese Genres finden hier sehr schnell einen neuen Besitzer. Speziell das Annenviertel liegt Altendorfer am Herzen, da es hier erst zwölf und damit viel weniger Regale als in der Inneren Stadt gibt.
Altes Buch – neue Leser
„Mir geht’s darum, dass die Bücher im Umlauf bleiben und nicht zuhause verstauben“, sagt die zweifache Mutter. Sie selbst ist regelmäßig mit Lastenrad oder Auto unterwegs, um die Regale mit neuen alten Büchern zu versorgen, die sie als Spende von der Caritas bekommt. Damit ist sie allerdings nicht die einzige: „Die Regale laufen eigentlich von selbst. Es kommen viele Leute und tauschen, oder bringen einfach nur ihre alten Bücher.“
Mittlerweile bekommt Altendorfer sogar Aufträge: “Zwei ältere Damen bitten mich regelmäßig, für sie Kräuterbücher beiseite zu legen. Die freuen sich immer sehr darüber.” Zu ihrer Verwunderung tauchen diese auch vergleichsweise häufig auf, Kinderbücher hingegen sind eine Rarität. Die Bücherliebhaberin sieht den Grund dafür darin, dass viele Leute die Schätze ihrer Kindheit behalten wollen. Altendorfer fiel es früher selbst sehr schwer, Bücher wegzugeben. „Durch die Bücherregale wurde das leichter für mich, weil so jemand anders noch Freude daran haben kann.“
„Die Regale gehören mir nicht, ich kümmere mich um sie, und möchte, dass die GrazerInnen mehr davon erfahren“, betont Altendorfer. Wer zuhause ein Regal hat, dass vor Büchern überquillt oder neuen Lesestoff sucht, findet eine Liste aller Regale inklusive Karte auf der Homepage von Nachhaltig in Graz.