Open Learning Center – Zukunft für Migranten

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Junge Afghanen wie Farooq Nasratullah kommen ins Open Learning Center der Caritas in der Mariengasse, um ihre Chancen auf ein normales Leben in Österreich zu erhöhen. Ihre Lage ist in den letzten Monaten deutlich schwieriger geworden.

„Ich sage immer: Österreich ist mein Land. Ich will hier mein Leben führen“, erklärt Farooq Nasratullah (29), der 2015 als Flüchtling von Afghanistan nach Österreich kam. Im Open Learning Center in der Mariengasse, 2013 von der Caritas Steiermark gegründet, hofft er, diesem Ziel einen Schritt näher zu kommen. „Ich bin sehr dankbar für alles“, sagt Nasratullah.

Open Learning Center

Ziel des Projekts, das vom Bildungsministerium finanziert wird, ist es, Menschen mit nichtdeutscher Erstsprache bei ihrer Ausbildung zu begleiten. Diese können ins Open Learning Center (OLC) kommen um zu lernen und werden dabei unterstützt, erklärt Georg Plentner, der das Projekt zusammen mit Ruth Unger und Katharina Kubizek betreut.

Mag. Georg Plentner, Mag.a Ruth Unger und Mag.a Katharina Kubizek betreuen das Projekt gemeinsam – Foto: Patricia Hammer

Außer ihnen arbeiten noch acht NachhilfelehrerInnen und 14 freiwillige Helfer im OLC. Sie alle helfen bei Hausaufgaben, aber auch, wenn Fragen zum Alltag in Österreich, zum Beispiel den Führerschein betreffend, auftauchen.

Das Center selbst bietet keine Kurse an. Für Migranten, die bereits die Pflichtschule absolviert haben und nun in einer weiterführenden Ausbildung sind – Lehren ausgenommen – gibt es die Möglichkeit, Nachhilfe in bestimmten Fächern zu nehmen. Derzeit gibt es 29 Lerngruppen mit je 3 bis 6 Personen. „Im Open Learning Center haben sich seit seinem Bestehen 1969 TeilnehmerInnen aus insgesamt 99 Ländern angemeldet“, sagt Katharina Kubizek. Unter ihnen sind 610 Afghanen, 133 Syrer, 98 Iraner, 89 Rumänen, 80 Nigerianer und 72 Iraker.

Aber es gibt ein weiteres Anliegen des Centers: Die Drop-out-Quote aus Vorstudienlehrgängen und anderen Ausbildungen soll verringert werden. Häufig sind Migranten dazu gezwungen, ihre Ausbildung abzubrechen. Dies geschieht entweder, weil sie wegen mangelnder Deutschkenntnisse nicht mitkommen, oder, weil sie das nötige Geld nicht haben, um diese Ausbildungen zu zahlen. Für die Teilnahme am Vorstudienlehrgang sind 300€ pro Semester an Studiengebühren fällig. Doch Asylwerber, die in einem Quartier leben, bekommen nur 150€ im Monat, zuzüglich einmal im Jahr weitere 150€ für Bekleidung. Asylwerber, die in einer Wohnung wohnen, erhalten 200€ plus 120€ für die monatliche Miete. Dazu kommen ebenfalls 150€ jährlich für Bekleidung. Das reicht oft nicht für etwaige Studiengebühren. Die Betreuer des Open Learning Centers versuchen diese Quote zu verringern, indem sie vermehrt Deutschnachhilfe anbieten.

Afghanen in Österreich

In einem Interview spricht Abdul Fatah Farzam (29) von genau diesem Problem. „Wir kriegen monatlich 150€. Das ist nicht genug“, sagt Fatah, der im Oktober 2015 nach Österreich gekommen ist. Fatah ist in einem Dorf in der Provinz Ghazni in Afghanistan geboren und aufgewachsen. Dort hat er die Schule mit Matura abgeschlossen, danach in Kabul seinen Zivildienst absolviert und das Studium Wirtschaft und Management abgeschlossen. Bevor er nach Österreich gekommen ist, hat er unter anderem als Sozialhelfer gearbeitet. An der FH Joanneum Graz hat er dann den Vorstudienlehrgang für das Studium Management Internationaler Geschäftsprozesse begonnen. Nebenbei hat Fatah in einem Flüchtlingsquartier in Pirka Englisch und Mathematik unterrichtet und arbeitet nun ebenfalls als freiwilliger Helfer beim Roten Kreuz.
Nach zwei Semestern musste er sein Studium beenden, da er einen negativen Asylbescheid bekam und jetzt um seinen Aufenthalt in Österreich bangt.

Abdul Fatah Farzam, Niazi-Mohammad Samim und Farooq Nasratullah kommen ins Open Learning Center um mit anderen zu lernen – Foto: Patricia Hammer

So ergeht es, laut Mitarbeitern des OLC, derzeit vielen Afghanen in Österreich: Die meisten Asylsuchenden werden in erster Instanz abgewiesen, nur manchen gelingt es, nach einer eingereichten Beschwerde einen positiven Bescheid zu bekommen. Grund dafür ist ein Rücknahmeabkommen, das die Europäische Union Anfang Oktober 2016 mit der Regierung Afghanistans geschlossen hat. Es erlaubt Sammelabschiebungen nach Kabul, wo Rückkehrer selbst ohne Papiere zurück ins Land dürfen. Doch Afghanen fürchten sich vor der Abschiebung zurück in ihr Heimatland: Dort herrscht immer noch Krieg, die Sicherheitslage hat sich laut einem UN-Bericht von März 2017 sogar weiter verschärft.

Auch Samim Niazi Mohammad (23) aus Logar, Afghanistan, wartet weiterhin auf einen positiven Asylbescheid. Er ist ebenfalls 2015 nach Österreich gekommen. Samim hat, wie andere Besucher des OLC bereits eine Zulassung zum Vorstudienlehrgang für das Medizinstudium bekommen, welches er in Afghanistan begonnen hat. Er kommt nicht nur ins Open Learning Center um Deutsch zu lernen, sondern auch, um Nachhilfe in Biologie, Mathematik, Physik und Chemie zu nehmen.

Einer, der schon einen positiven Asylbescheid bekommen hat, ist Ghulam Reza Rezai (24). Ghulam ist bereits seit 2006 in Österreich, als er nach fünf Jahren Trennung endlich seinen Eltern hierher folgen konnte. In Österreich hat er die Pflichtschule abgeschlossen und eine höhere Schule besucht. Derzeit besucht er die Abendschule und macht die Matura. Um für eben diese zu lernen, kommt er gerne ins OLC, denn hier habe man Platz und erhalte gegebenenfalls die nötige Unterstützung. Seine Familie kam wegen des Kriegs in Afghanistan nach Europa. Ghulam war damals sieben. Auf die Frage, ob er Afghanistan vermisse, meint er: „Sicher, auch wenn in der Erinnerung nicht mehr viel da ist. Aber mit zehn weiß man doch einige Sachen. Ich hoffe, dass bald wieder Frieden ist.“

Anzahl afghanischer Asylwerber in Österreich
Seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 haben insgesamt 40.608 Afghanen um Asyl in Österreich angesucht. Zu Beginn, im Jahr 2015, gab es am meisten mit 25.563 Asylanträgen. 2016 suchten 11.794 Afghanen um Asyl an und 2017 3251.

 

Leseratte, Reisefan und Katzenliebhaberin. Sucht ständig das 'Abenteuer' und ist mindestens gleich leicht zum Faulenzen wie zum Essen zu überreden.

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