Nur Graz und Schweden – wo reparieren gefördert wird

Lesezeit: 3 Minuten

Oft wandern Elektrogeräte bereits aufgrund kleinerer Defekte in den Müll. Um dies zu ändern, fördert die Stadt Graz seit Neuestem nun deren Reparatur. Das Annenviertel ist mit einer Vielzahl an Initiativen Zentrum der Grazer Recyclingszene.

Wer kennt das nicht? Die erst vor drei Jahren angeschaffte Waschmaschine gibt gefühlt zwei Minuten nach Ablauf der Garantie den Geist auf und das Steuerelement beginnt zu blinken wie ein reich verzierter Weihnachtsbaum. Oft entschließt man sich in solchen Situationen dazu, das alte Gerät wegzuwerfen und gleich ein neues anzuschaffen. Das belastet bekanntlich nicht nur die Haushaltskasse sondern auch die Umwelt. Beides wäre in vielen Fällen vermeidbar, da für viele kaputt geglaubte Apparate nur eine minimale technische Störung verantwortlich ist, die sich ohne allzu viel Aufwand beheben ließe.

Förderung durch die Stadt

Um alte, noch funktionstüchtige Geräte vor der Müllhalde zu retten und dadurch wertvolle Ressourcen zu bewahren, hat der Grazer Gemeinderat am 16. November 2017 einen Beschluss zur Förderung von Reparaturdiensleistungen gefasst. Wenn man nun ein altes Elektrogerät reparieren lässt, statt es wegzuwerfen, dann übernimmt die Stadt 50 Prozent der Reparaturkosten – bis zu maximal 100 Euro pro Haushalt und Kalenderjahr. Die einzige Bedingung: Der Betrieb, bei dem die Reparatur in Auftrag gegeben wird, muss im Reparaturführer Österreich (www.reparaturfuehrer.at) gelistet sein. Auch im Annenviertel gibt es einige Betriebe, die sich in dieser Liste finden.

Pionier der Nachhaltigkeit

Einer von ihnen ist das Reparatur- und Servicezentrum R.U.S.Z., das am 1. Dezember in der Ägydigasse (Bezirk Gries) eröffnete. Das bereits 1998 in Wien gegründete Unternehmen wird von Sepp Eisenriegler geleitet, einem Vollblutidealisten in Sachen Nachhaltigkeit. Er machte sich europaweit einen Namen durch seine vehemente Kritik am Prinzip der “geplanten Obsoleszenz“: Große Elektronikkonzerne bauen in neue Elektrogeräte absichtlich “Sollbruchstellen” ein, damit diese bereits nach wenigen Jahren kaputt gehen und die Kundschaft so häufiger zum Kauf neuer Geräte animiert wird. Zudem sind viele Geräte so konstruiert, dass eine Reparatur absichtlich erschwert oder teilweise gar verunmöglicht wird. Um dies zu ändern, hat Eisenriegler ein Buch verfasst, um die KonsumentInnen für diese Thematik zu sensibilisieren. Zudem ist er als Lobbyist für Nachhaltigkeit in Wien und Brüssel aktiv. Gemeinsam mit Gleichgesinnten versucht er, vonseiten der Politik ein Gesetz zu erwirken, das die Elektronikkonzerne zu einer nachhaltigeren Produktion ihrer Geräte verpflichtet. Aufgrund dieser umfassenden Aufgaben wird die erste Zweigstelle des Wiener Unternehmens nicht von Sepp Eisenriegler selbst, sondern von dessen Sohn Martin geleitet. Dass man Graz als Standort auswählte, hat dabei einen besonderen Grund, wie Martin Eisenriegler erklärt: „Die Stadt Graz hat reagiert und uns mitgeteilt, dass Graz neben Schweden europaweit der einzige Standort ist, wo Reparaturen von der Politik gefördert werden. Das war natürlich für uns ein großer Anreiz um herzukommen.“ Zudem besteht eine enge Kooperation zwischen dem Unternehmen und der Holding Graz: „Es ist eine Win-win-Situation, sowohl für die Holding Graz als auch für uns: Wir können bei ihnen alte Geräte abholen, diese generalüberholen und wieder verkaufen. Und die Holding hat den Vorteil, dass sie dadurch ihre Soll-Quote an Reuse-Geräten, die repariert werden müssen, erfüllt.“

Der etwas unscheinbare Eingang zum R.U.S.Z. in der Ägydigasse – Foto: Philipp Hörmann

Wer ein defektes Gerät im R.U.S.Z. reparieren lassen möchte, zahlt zunächst 39€ für den Kostenvoranschlag. Dieser beinhaltet die Arbeitszeit für die Fehleranalyse, die Feststellung der Ersatzteilverfügbarkeit und die Kostenbestimmung für die Reparatur. Sollte man sich anschließend für die Reparatur entscheiden, werden die 39€ vom Gesamtpreis abgezogen. In eindeutigen Fällen muss man jedoch nicht so tief in die Tasche greifen, wie Eisenriegler erklärt: „Wenn Sie mir ein Gerät bringen, wo ich schon von vornherein sehe, dass eine Reparatur zu 90% unrentabel ist, weise ich Sie natürlich darauf hin, bevor Sie etwas zahlen müssen.” Dieses neue Reparaturangebot wurde von den GrazerInnen trotz des ungewöhnlichen Eröffnungstermins gut angenommen: „Es war ein schwieriger Start, weil wir genau im Dezember angefangen haben. Aufgrund der Weihnachtsfeiertage haben die Menschen etwas anderes im Kopf als die Reparaturen ihrer Elektrogeräte. Aber trotzdem haben wir im ersten Monat schon 46 Kunden akquirieren können“, sagt Eisenriegler.

Reparieren und Kuchen essen

Neben einzelnen Reparaturen werden nun auch Reparaturinitiativen von der Stadt Graz mit bis zu 1200 Euro jährlich gefördert. Ein Beispiel für solch eine Initiative ist das Repaircafé, das alle zwei Monate im Traumwerk (Lendkai 45) stattfindet. In gemütlicher Atmosphäre bei Kaffee und Kuchen bekommt man dort von handwerklich begabten HelferInnen Unterstützung bei der Reparatur defekter Haushaltsgeräte. Bezahlt werden muss nur für Ersatzteile, die GehilfInnen verrichten ihre Arbeit freiwillig und unentgeltlich – wenngleich man sich natürlich über Spenden freut. Für die Teilnahme gibt’s nur eine einzige Bedingung: Die mitgebrachten Geräte dürfen nur so groß sein, dass man sie alleine bequem ins Café tragen kann. (Einen ausführlichen Annenpostartikel über das Repaircafé gibt’s hier).

Die letzte Ruhestätte

Irgendwann ist jedoch jener Punkt im Leben eines Elektroapparates erreicht, an dem eine Reparatur trotz aller Bemühungen nicht mehr machbar ist. Dann gilt es, die kaputte Waschmaschine und den ausgebrannten Toaster richtig zu entsorgen. Wie man vom Grazer Umweltamt erfährt, gelangt leider ein Großteil des österreichischen Elektroschrotts auf nicht ganz legale Weise ins Ausland, wo er oftmals auf wilden Deponien endet. Wertvolle Rohstoffe, die noch in den Altgeräten stecken und durch fachgerechtes Recycling wiederverwendbar wären, gehen dadurch verloren. Korrekterweise sollte man daher seine ausgedienten Gerätschaften zum Recyclingcenter 2 der Holding Graz (Sturzgasse 8) bringen, wo man sie gebührenfrei abgeben kann.

Die Einfahrt zum Recyclingcenter II in der Sturzgasse – Foto: Philipp Hörmann

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

zwei × vier =

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Vorherige Geschichte

Tunten, Tanz und Travestie

Nächste Geschichte

Von Superhelden und der ganz großen Leinwand

Letzter Post in SOZIALES