Advent im Lend: Probier’s mal mit Gemütlichkeit

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Seit fünf Jahren betreibt Bernadette Pausackl die Süße Luise am Lendplatz, die auch über das Viertel hinaus zu einem Rückzugsort für gemütliche Kaffeestunden geworden ist. Heuer versucht sie sich mit etwas ganz Neuem: einem etwas anderen Weihnachtsmarkt.

Die Rollläden der Marktstandln sind geschlossen, weit und breit keine Menschenseele. Von Weihnachtsdekorationen, die die restliche Stadt zieren, ist hier nichts zu sehen. Es ist erst 17 Uhr, doch der Lendplatz schläft schon. Nur die Süße Luise nicht. Die ist noch wach, und wie! Man braucht sie nicht lange suchen, nur dem Licht zu folgen. Sobald man eintritt, ist die frühwintergraue Stimmung des nächtlichen Lendplatzes verflogen. Antike Lampen, bunte Kissen und der Geruch nach Weihnachten: Hier fühlt man sich sofort wohl. Bernadette Pausackl begrüßt mich so, als wären wir alte Freunde, und macht mir eine Tasse Kaffee.

Bei französischen Chansons und warmer Zimtluft erzählt sie vom AdLend, einem Weihnachtsmarkt am Lendplatz, den sie heuer erstmals organisiert hat und der am nächsten Tag eröffnet werden soll. Die Idee dafür ist Pausackl, die ihre Luise seit fünf Jahren am Lendplatz leitet, bereits letztes Jahr gemeinsam mit anderen Standl-Besitzern gekommen. Mit einer Handbewegung Richtung Fenster erklärt sie, warum sie sich das antut: „Der Lendplatz ist im Winter komplett ausgestorben, viele gehen in Winterpause und die Stimmung hier ist fast unheimlich, vor allem in der Nacht.“ Um das zu ändern, haben sich Standl- und Restaurantbesitzer rund um den Platz zusammengetan, um gemeinsam ein Konzept zu entwickeln, das den Lendplatz wenigstens in der Weihnachtszeit ein wenig beleben soll.

Flair statt Konsumterror

An diesem Punkt erklärt Bernadette, dass man den AdLend genau genommen eigentlich nicht als Markt bezeichnen kann, denn außer Punsch wird hier nichts verkauft: „Weißt, so wie´s eben sonst am Lendplatz auch ist, soll sich der AdLend genauso vom Konsumterror distanzieren.“ Von Weihnachtsmärkten, die nur auf Kommerz gerichtet sind, hält sie wenig. Das hätte mit Weihnachten nicht mehr viel zu tun. Außerdem fände sie es stressig, sich überhaupt auf solchen Märkten aufzuhalten. Auch der Wonderlend, der sich früher mit seiner Individualität von den anderen Märkten abhob, hätte an Besonderheit verloren. Damit bleiben sowohl im Annenviertel, als auch auf der anderen Murseite, nur mehr die “typischen” Märkte über – gleich 15 dieser Art verzeichnet die Webseite der Grazer Touristiker. Der AdLend soll eine Art Gegenmodell zu diesen Märkten werden: „Wir haben’s lieber heimelig und gemütlich, und genau so soll der Markt auch werden!“ Besonders in Sachen Musik will sich dieser von anderen abheben, hier werde es keine „Bum Bum Musik“ geben, das ist ihr besonders wichtig. Stattdessen spielen jeden Freitag Live-Musiker auf, sonst werden Songs von Interpreten wie Sinatra zu hören sein, „chillige“ Musik eben.

Das Herzstück des AdLends sind jedoch die Punschhütten – betrieben von verschiedenen Restaurants und Cafés aus dem Viertel –, die mit ausgefallenen Kreationen wie „Glüh-Makava“ oder „Gin Birne“ hausgemachte, qualitativ hochwertigere Alternativen zum Großcontainer-Glühwein anbieten wollen. Bernadette schenkt mir eine Tasse ihres hausgemachten Punschs ein und meint: „Wenn wir den Glühwein in Kanistern kaufen würden, könnten wir’s gleich lassen, das bringt ja nichts.“

Bernadette Pausackl am Punschkochen für ihren Weihnachtsmarkt
Auch am Vortag der Eröffnung wird noch an neuen Punschkreationen getüftelt – Foto: Iris Löhnert

Das perfekte Chaos

Das Projekt geht auch über die Grenzen des Marktplatzes hinaus: Lokale wie die Scherbe und das Santa Lucia nehmen genauso daran teil. Genau dieses Gemeinschaftsgefühl zwischen allen, die mitmachen, schätzt Bernadette besonders. „Das ist Lendplatz!“, meint sie stolz.

Die Tür öffnet sich, ein Mann kommt schnaufend herein. Bernadette bedankt sich bei ihm für seine spontane Hilfe beim Aufbau eines Pultes. „Es ist alles noch ein bisschen chaotisch“, sagt sie, „aber das gehört genauso zum Lendplatz-Feeling!“. Die Eröffnung des Marktes ist für den darauffolgenden Tag angesetzt, doch Stress scheint es bei ihr und ihren Helfern nicht zu geben, im Gegenteil: „Wir gehen das Ganze langsam an, ganz nach dem Lend Motto: Leben lassen.“

Was sich Bernadette für die Eröffnung wünscht? „Schnee“, antwortet sie impulsiv, „das wäre für mich ein gutes Omen!“. Wie viele Leute kommen, ist ihr nicht so wichtig. Sie deutet auf den Tisch, an dem wir sitzen, und meint: „Wir haben an diesem Tisch auch schon alleine so schöne Adventstage verbracht! Was zählt, ist das gemütliche Beisammensein.“

Es adlendet…

Der Abend der Eröffnung. Punschstand reiht sich an Glühweinhütte, blau, grün, schwarz-weiß gestreift, auf einem hängt eine Piñata. Wo es am Vortag nur nassen Asphalt und feuchte Blätter zu sehen gab, steht jetzt eine bunt zusammengewürfelte Weihnachtsoase – der Lendplatz ist nicht wiederzuerkennen.

Punschstandl des AdLend Weihnachtsmarktes
“Jedes Standl macht sein eigenes Ding, aber genau diese Individualität ist echt cool”, findet Pausackl – Foto: Iris Löhnert

Was Bernadette mit „Flair und Gemütlichkeit“ gemeint hat, wird schnell klar, wenn man mit einer Tasse Punsch in der Hand und einem Perserteppich unter den Füßen entspannter Weihnachtsmusik lauscht und sich fühlt wie daheim im Wohnzimmer. Fast hätte man vergessen, dass man Weihnachten auch ohne audiovisuelle Reizüberflutung feiern kann.

Auch Bernadette wirkt zufrieden: „Jetzt fehlen nur noch die Christbäume. Und ein Schirm vielleicht.“ Dächer haben die Punschhütten nämlich keine, somit ist es gut, dass der Schnee den Lendplatz am Abend doch noch verschont hatte. Der Morgenschnee jedoch hat sich tatsächlich als gutes Omen erwiesen: Der Strom lief schon wenige Minuten nach der Eröffnung und die Punschhütten sind auch schon fast trocken. Ob das gelegentliche, abrupte Absterben der Lichterkette ein gewollter Effekt ist, ist auch nicht so wichtig. Denn ein bisschen Chaos gehört eben dazu, zum Lendplatz.

INFOBOX
Die AdLend-Punschhütten am Lendplatz sind bis Weihnachten jeden Donnerstag bis Samstag ab 17:00 Uhr geöffnet, Live Musik gibt es jeden Freitag.
Sonntags wird der AdLend in der Scherbe gefeiert, am 1. Advent geht’s mit einem Doppelkonzert los.

 

Is(s)t viel, aber immer mit Stil. Liebt Vintage und Bananenbrot, lacht leidenschaftlich gerne und erspäht jede Katze schon aus der Ferne.

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