Am Donnerstag spricht die Welt Deutsch

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Hochdeutsch zu lernen ist nicht gerade einfach, noch schwerer ist es aber, die im Alltag gesprochene Sprache zu verstehen. Um die Tücken des österreichischen Dialekts zu meistern, treffen sich jede Woche Menschen aller Nationen im Annenviertel zum gemeinsamen Lernen.

„So etwas existiert sonst kaum in Graz, Sprachunterricht ist in der Regel eher an Flüchtlingen orientiert. Ich wollte etwas, das auf gleicher Höhe stattfindet”, beschreibt Xaver sein Projekt “Die Welt spricht”. Jeden Donnerstag spricht “die Welt” also Deutsch, seit Xaver im August letzten Jahres zum ersten Mal Menschen aller Nationen dazu einlud, einmal die Woche die deutsche Sprache im Alltag zu üben. Für Xaver ist es wichtig, dass die Plauderstunden, die erst im Spektral am Lendplatz und im Cuntra am Griesplatz stattfanden und jetzt in der Kulturwerkstatt GbR in der Dreihackengasse 26 gelandet sind, kooperativ und kollektiv ablaufen.

Übung macht den Meister

Geredet wird über Gott und die Welt. „Wir sind alle sehr locker und haben keine Probleme, gemeinsame Themen zu finden. Trotzdem verteile ich einen Fragebogen an die Erstteilnehmer.“ Mit Hilfe des Fragebogens ermittelt Xaver das Sprachniveau der Teilnehmer, das von A1 bis Z9 reicht, wobei Z9 für Dialekt steht. Rund ein Viertel aller Besucher verfüge demnach über ein Sprachniveau von C1 und nur etwa 10 Prozent eines von A1 oder A2. Die Teilnehmer können außerdem ankreuzen, über welche Themen sie gerne sprechen und welche zusätzlichen Aktivitäten sie interessieren würden. Denn manchmal gehen die Teilnehmer auch ins Kino, kochen und essen gemeinsam oder treffen sich zum Sport.

Das beliebteste Gesprächsthema der Besucher ist „Leben in Graz“, 83 Prozent kreuzten dies beim Fragebogen an. Knapp gefolgt von Sprachen, Reisen und Kultur. Das wird auch beim Treffen an diesem Abend im Jänner sehr gut sichtbar. Das Gespräch beginnt mit Sehenswürdigkeiten in Prag und der Japan-Reise eines Teilnehmers, dreht sich weiter um Wein und exotisches Essen und endet schließlich mit dem gegenseitigen Beibringen neuer Wörter und Bräuche. Als ein österreichischer Gast schließlich den Spruch „Raunzen, jammern, motschgern das sind wir, da sind wir zuhause“ sagt, beginnt ein Gespräch über den typischen „Wiener Grant“ und dessen Verbreitung in den restlichen Bundesländern. Beim Erklären der drei Dialektwörter und der anschließenden Konversation darüber fällt auf, dass auch in Polen im Smalltalk gerne über das “beschissene Wetter” und die schlechte Regierung gesprochen wird.

Eine neue Teilnehmerin füllt den Fragebogen aus – Foto: Katrin Jaritz

Beim Gespräch über die ORF-Comedy-Serie „Wir sind Kaiser“ und den Sidekick des Kaisers, den „Obersthofmeister Seyffenstein“ diskutieren die Teilnehmer danach über das Wort „unterwürfig“ und dessen Bedeutung. Eine gute Gelegenheit, die an diesem Abend vertretenen Nationalitäten vorzustellen: Ungarn, Serbien, Österreich, Kosovo, Spanien, Polen, Deutschland und Slowenien. Beim Vorstellen der Runde sagt Xaver: „Nationen zu merken, ist leichter, als sich die Namen zu merken, es gibt weniger Länder als Namen.“ Xaver selbst zog 2012, nachdem er seinen Job verloren hatte, aus Spanien nach Graz. Der gelernte Maschinenbauer erzählt, dass er 2006 schon einmal in Graz gewesen sei, es ihm hier sehr gut gefallen und er in Spanien bereits Deutsch gelernt habe. Dadurch sei ihm die Entscheidung relativ leicht gefallen. „Die Welt spricht“ habe er ins Leben gerufen, weil er auch nach sechs Jahren in Graz den Dialekt noch immer nicht beherrsche. „Irgendwie macht es mir Spaß, meine Bedürfnisse zu verwirklichen“, sagt Xaver. Schon 2015 gründete er eine Facebookgruppe für Sprachaustausch.

„Ich wollte Leute fremder Kulturen und Sprachen kennenlernen“

Xaver erzählt, dass das Projekt auf drei Grundsätzen basiert, auf die er sehr viel Wert legt: Es ist Non-Profit, wird kooperativ gestaltet und ist nachhaltigkeitsorientiert. Für Erstteilnehmer und Arbeitslose ist die Teilnahme gratis, ab dem zweiten Besuch wird ein Unkostenbeitrag von 3 Euro fällig, der komplett für die Raummiete verwendet wird. Während er das erzählt, fällt ihm ein, dass an diesem Abend noch nicht alle gespendet haben und bittet, das Geld in die Schnapsgläser auf dem Tisch zu geben. „Damit kann ich sehen, wie viele Leute schon gespendet haben. Aber Schnaps bekommen sie keinen!“

60 bis 70% der Besucher sind Stammgäste, darunter auch Victoria aus dem Kosovo. Vor zwei Jahren kam sie in Österreich an, seitdem besucht sie die wöchentlichen Treffen. „Es war für mich sehr neu, so viele Menschen aus so vielen verschiedenen Ländern im gleichen Raum zu treffen, das war ich nicht wirklich gewohnt.“ Victoria studiert Kulturanthropologie an der Karl-Franzens-Universität Graz und steht Xaver ab und zu zur Seite, wenn er organisatorisch oder anderweitig Hilfe benötigt.

Natürlich sind auch Österreicher sehr gerne gesehen, für das Gelingen des Projekts sind sie auch unverzichtbar. Robert aus der Obersteiermark, der schon seit den Anfängen des Projektes dabei ist, sich sehr für fremde Kulturen interessiert und im Moment Japanisch lernt, erzählt, er „wollte Leute fremder Kulturen und Sprachen kennenlernen.“ Der Zukunft des Projektes steht Xaver positiv gegenüber:  „Es wäre schön, wenn das Projekt 100 Jahre dauert. Aber genau das ist die Kunst – zu wissen, wie man das macht. Ich wäre schon zufrieden, wenn es einfach eine Zeit lang dauert.“

Titelbild: Katharina Russold

Infobox
  • Die Welt spricht (Deutsch jeden Donnerstag) findet jede Woche ab 19:30 in der Kulturwerkstatt GbR in der Dreihackengasse 26, 8020 Graz statt.
  • Mehr Informationen zum Projekt bekommt man auf der Facebookseite oder mit einer E-Mail an dieweltspricht@gmail.com.

Ein Hang zum Sarkasmus gepaart mit großem Interesse für Musik, Mode und so ziemlich jede Serie auf Netflix.

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