Gib Flosse! – Finswimming in der Auster

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Finswimming ist die schnellste Art, sich aus eigener Muskelkraft im Wasser fortzubewegen. Die Annenpost war in der Grazer Auster, um die olympisch anerkannte Sportart mit der Flosse selbst zu testen.

Prustend komme ich wieder an die Oberfläche. Ich habe Wasser im Hals und einen Krampf im Bein. Meine viel zu großen Füße sind in einer übergroßen Flosse gefangen. Sie soll dabei helfen, Höchstgeschwindigkeiten im Wasser zu erreichen. Ich gebe auf, ich komme keinen Zentimeter mehr vom Fleck. Von Ästhetik sowieso keine Spur. Während Profis wie Meerjungfrauen durchs Wasser gleiten, fühle ich mich wie ein zappelnder Fisch an Land. Um mich herum wird gelacht, als ich den Schorchel ausspucke und die angelaufene Schwimmbrille absetze. Eines ist mir in der letzten Stunde klar geworden: Flossenschwimmen erfordert weit mehr Übung, als sich am Vortag „Arielle, die Meerjungfrau“ anzusehen.

Die Sportler im Interview – Video: Matteo Eichhorn

Trainieren statt träumen

Es ist kurz vor 19 Uhr in Eggenberg, es regnet. Dass ich nass werde, ist mir ziemlich egal, mein Weg führt mich nämlich in die Grazer Auster. Im 2011 eröffneten Bad werden eine Menge Sportarten ausgeübt: Jeden Mittwoch von 20 bis 21 Uhr trainieren dort im Sportbecken etwa die FlossenschwimmerInnen und StreckentaucherInnen des FC Graz. Ich treffe mich mit Alexandra Skringer, Tochter des Präsidenten des Vereins und ehemalige Leistungssportlerin. Skringer wurde Staatsmeisterin mit der Monoflosse im Streckentauchen auf 50, 100 und 400 Meter sowie im Staffelbewerb auf 100 und auf 200 Meter.

Alleine mit dem Traum, einmal Meerjungfrau zu sein, komme man nicht so weit. „Es war vielmehr sehr, sehr hartes Training“, erzählt Skringer. „Ohne Schwimmtraining ist auch kein Flossentraining möglich. Es geht um die Ausdauer, die man beim Schwimmtraining bekommt. Nur, wenn man einen wirklich guten Stil hat, kann man das auch mit der Flosse umsetzen.“ In wenigen Augenblicken sollte ich genau das am eigenen Leib erfahren.

Flossenloses Olympia

Doch was kann man sich unter der Sportart Flossenschwimmen und Streckentauchen überhaupt vorstellen? Genau diese Unkenntnis sieht die ehemalige Staatsmeisterin auch als Hauptgrund, warum Finswimming – so die internationale Bezeichnung – als Randsportart vielen Menschen verborgen bleibt. „Ich glaube, die Leute können einfach nichts damit anfangen.“ Dabei zählt Finswimming sogar zu den olympisch anerkannten Sportarten, wurde aufgrund des mangelnden Zuschauerinteresses jedoch noch nie bei den Olympischen Spielen ausgetragen. „Wir sind ein bisschen das Stiefkind“, bedauert Skringer die Situation. „Teilnehmer gäbe es nämlich genug.“

Alexandra Skringer im Interview
„Wenn man eine gute Körperspannung hat, kann man unendlich schnell werden“, sagt Alexandra Skringer – Foto: David Marousek

Grundsätzlich werden die Disziplinen im Finswimming auf zweierlei Art differenziert. Zum einen, welche Flossen zum Einsatz kommen und zum anderen, ob Oberwasser (Flossenschwimmen) oder Unterwasser (Streckentauchen, ab 100 Meter mit Pressluftflasche) geschwommen wird. Bewerbe, welche mit zwei aus dem Sporttauchen bekannten Flossen ausgetragen werden, nennt man Bi-Fin. „Anspruchsvoller ist aber sicher das Monoflossenschwimmen“, meint Skringer. Bei der Monoflosse befinden sich beide Füße in einer großen Flosse.

„Es geht sehr viel aus dem Becken. Man braucht Kraft in den Oberschenkeln und auch in den Armen, weil die gestreckt sein müssen und so die Körperspannung hergestellt wird.“ Anders als bei den Bi-Fin-Bewerben, wo mit einer kraulähnlichen Technik geschwommen wird, bewegt man sich mit der Monoflosse auf delphinähnliche Weise fort. So können Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 3,6 Meter pro Sekunde erreicht werden. Finswimming ist somit die schnellste Art, sich aus eigener Kraft im Wasser fortzubewegen.

Alles Chlor?

Es ist mittlerweile kurz vor 20 Uhr, einige begeisterte FinswimmerInnen stoßen zu uns hinzu, unter anderem auch Alexandra Skringers Sohn Dennis. Auch er ist ehemaliger Staatsmeister, holte im Monoflossenschwimmen auf 400 Meter Gold und gewann auch den Staffelbewerb über 100 Meter. Dennis soll mir zeigen, wie man sich mit Flossen im Wasser fortbewegt.

Über einige Stiegen machen wir uns auf den Weg hinunter zu den Umkleidekabinen. Ich merke zum ersten Mal, dass ich ein wenig nervös bin. Vor mehr als einem Jahr habe ich zuletzt ein Schwimmbad von innen gesehen und jetzt soll ich meinen „guten Schwimmstil aufs Flossenschwimmen übertragen“. Der Geruch von Chlor steigt mir in die Nase, als ich meine alles andere als aerodynamische Badehose anziehe. Als mir Dennis erzählt, dass er Ausdauersportler ist und erst über längere Distanzen wirklich gut wird, höre ich gar nicht mehr richtig zu.

Dennis Skringer im Interview
„Ich habe einmal pro Woche trainiert. Als die Wiener gekommen sind, die jeden Tag zwei Mal trainiert haben, bin ich ihnen trotzdem um die Ohren geschwommen“, erzählt Dennis Skringer – Foto: David Marousek

Atemlos in der Auster

Dann geht es hinaus in die Halle. „Das 50-Meter-Becken ist ein Traum, im alten Eggenberger Bad gab es nur ein 25-Meter-Becken. Das war sehr mühsam. Mit der Monoflosse hat man so eine Geschwindigkeit drauf, dass man permanent nur wendet“, erzählt Alexandra. „Außerdem sind die beheizbaren Sitzbereiche extrem toll, weil das Handtuch sofort wieder trocknet“, fügt Dennis hinzu. Die FinswimmerInnen haben die rechte Bahn reserviert. Ich dusche mich ab und schwimme zwei Längen – ohne Flossen. Schon jetzt bin ich außer Atem.

Dennis holt mich aus dem Wasser, ich darf die Bi-Fins anlegen. Das erweist sich schwieriger als gedacht, Duschgel muss nachhelfen, damit ich meine 46er in die viel zu kleinen Flossen bekomme. Dann geht es wieder ins Wasser, um feuchte Trockenübungen zu machen. Ich halte mich am Beckenrand fest und versuche, einen Flossenschlag nach dem anderen zu machen. Überraschenderweise funktioniert das relativ gut und ich darf losschwimmen. Und tatsächlich, es geht schneller dahin als noch ohne Flossen. Nach kräftezehrenden zwei Längen muss ich aber aus dem Wasser, die engen Flossen drücken extrem auf meine viel zu langen Zehen.

Ein Kratzer juckt nicht

Kurz darauf ist der große Moment gekommen, ich darf mich an der Monoflosse versuchen. Ich bekomme Dennis‘ Trainingsflosse, er selbst schwimmt mit einer, die ihm einmal ein russischer Leistungssportler geschenkt hat. „Sie ist unbrauchbar, hat er zu mir gesagt.“ Der Grund? Auf der Flosse ist ein Kratzer. So klein, hätte ich ihn abbekommen, ich hätte ihn nicht gespürt. Ich lege die Trainingsflosse an und beginne wieder mit Trockenübungen.

Die Beine gemeinsam hoch und wieder runter zu bekommen stellt für mich beinahe eine unlösbare Hürde dar. Anders als bei den Bi-Fins soll beim Monoflossenschwimmen die gesamte Bewegung aus dem Becken kommen. Zusätzlich müssen die Hände gestreckt vor dem Körper sein. „Man muss die Beine immer zusammen bewegen, sonst bricht die Flosse.“ Trotz wenig versprechenden Vorzeichen soll ich nun probieren, eine Länge zu schwimmen. „Holt’s ihn raus, wenn er untergeht“, ruf Dennis seinen MitschwimmerInnen zu. Das Fiasko nimmt seinen Lauf.

Finswimming ist eine dynamische, kraftvolle und ästhetische Sportart mit einer Flosse.
Finswimming ist eine dynamische, kraftvolle und ästhetische Sportart – Foto: David Marousek

Egal was ich mache, es muss absolut lächerlich aussehen. Die Flosse hat ein dermaßen großes Gewicht, man mag es kaum glauben. Durch den Schnorchel atme ich mehr Wasser als Luft ein, die Schwimmbrille ist total angelaufen, weil ich die Gläser zuvor nicht angespuckt habe. „Das Aufregende ist, dass man bei der Monoflosse ‚Eins mit der Flosse wird‘. Man ist unheimlich wendig und bekommt eine irrsinnige Rasanz zusammen“, hat Dennis im Vorfeld erzählt. Davon merke ich reichlich wenig. Immer wieder drifte ich zu einer Seite ab, nach vorne geht so gut wie nichts. Dennis hätte mich mit dem Antrieb seines großen Zehen überholen können, hätte er gewollt.

Finswimming hält fit

Nicht wie eine Meerjungfrau, mehr wie eine Jungfrau, die zum ersten Mal mit Wasser in Berührung kommt, habe ich mich gefühlt. Finswimming ist ein Sport, der wöchentliches Training benötigt und bei weitem nicht zu unterschätzen ist. Jedem, der beim ersten Mal mit der Monoflosse eine Geschwindigkeit zusammenbringt, ist nur zu gratulieren. Dennis schwimmt und taucht ein paar Längen vor und zeigt, was mit stetem Training möglich ist. Im Wasser schwimmt der ehemalige Staatsmeister so schnell von einem zum anderen Ende, dass man im Laufschritt gar nicht mitkommt.

„Finswimming ist eine gute Alternative, um sich fit zu halten. Der Sport ist nicht so kräfteraubend, geht nicht so extrem auf die Gelenke und die Bauchmuskeln werden stark trainiert“, meint Dennis zum Abschluss. Zumindest ersteres kann ich nicht bestätigen, aber im Vergleich zu ihm sehe ich auch aus wie eine magersüchtige Bohnenstange. Ich bedanke mich bei den beiden Skringers und mache mich auf den Weg nach Hause. Dass es noch immer regnet, ist mir herzlich egal.

Ist eigentlich zu blöd, um zu studieren. Hat jetzt endlich Haare geschnitten und schaut laut Mama aus wie ein Häftling. Ansonsten Musik und Fußball.

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