Bunt, laut, ausgefallen – Das Afrika Festival ist eines der multikulturellen Feste in Graz und gibt Einblick in eine andere Kultur. Im Gespräch mit dem Veranstalter Chiala und Mama Lee aus Gries zeigt sich, warum das Festival für viele das Highlight des Jahres ist und, dass Graz noch lange nicht so offen ist, wie die Stadt sein könnte.
Der Duft von Kaffee und Koriander tränkt die Luft, von der Bühne erklingen rhythmische Trommelklänge und Kinder drängeln sich mit blauer Zuckerwatte bewaffnet zur Hüpfburg vor. Zahlreiche Besucher in farbenfrohen Gewändern schlendern entlang der vielen Verkaufsstände des Bazars. Von bunter Kleidung, zu ausgefallenem Schmuck oder kleinen Musikinstrumenten – die Auswahl an den Ständen ist riesig und lässt keine Wünsche offen.
Afrika meets Graz
“Informationen” prangt auf einem großen, weißen Zelt zwischen den bunten Ständen mitten auf dem Festival Gelände. Hier befindet sich der temporäre Arbeitsplatz von Anna Micheler-Hofer und ihrer Kollegin Maëlle Robertson. Beide gehören zur Kulturabteilung des Vereines Chiala und haben das diesjährige 15. Afrika Festival mitorganisiert. Micheler-Hofer studiert Global Business im Master und hat ihr Pflichtpraktikum im letzten Jahr bei dem Verein absolviert. Seither ist sie, neben ihrer Masterarbeit, in der Kulturabteilung tätig. „Mit den Kollegen hat es direkt super gepasst und ich wusste, dass ich das gern weitermachen möchte. Ich finde, das ist einfach eine großartige Arbeit.” Während Micheler- Hofer spricht, kommt Guy Rolins Nyuiateu Kamtandjou im Zelt vorbei. Auch er ist Mitglied in der Kulturabteilung. Der gebürtige Kameruner feiert heuer zehnjähriges Jubiläum seiner Vereinstätigkeit. Nach Österreich kam er für sein Bachlorstudium “Elektrotechnik” und wollte sich damals schon nebenher sozial betätigen. So stieß er auf den Verein. „Dadurch, dass ich die Events und die Workshops mit betreue, erhalte ich auch meine afrikanischen Traditionen aufrecht”, sagt Nyuiateu Kamtandjou.
Zu finden ist der Verein am Griesplatz. Für manche Heimat und Inbegriff von Multikulturalität, für andere Treffpunkt von Gewalt, Kriminalität und Dönerhochburgen ist er aus Sicht von Micheler-Hofer der perfekte Standort für Chiala: „Viele unserer Klienten wohnen fußläufig zum Verein und auch vom Jakominiplatz sind wir zu Fuß erreichbar. Das ist sehr wichtig für uns, denn für einige Klienten sind auch zwei Straßenbahntickets viel Geld.” Nyuiateu Kamtandjou wohnt und arbeitet im Lend und auch für ihn ist die Lage des Vereines entscheidend: „8020 ist multikulturell und die Menschen sind hier viel offener.”
Treffpunkt für Menschen aller Nationen
Damit jeder die Chance auf eine Integration in die Gesellschaft hat, bietet Chiala auch Deutschkurse an. „Die Sprachkurse sind für alle, unabhängig der Herkunft”, sagt Micheler-Hofer. Die Preise dafür werden je nach Einkommen der Schüler gestaffelt. So ist das Erlernen einer Sprache hier für alle möglich. „Wenn schon für Menschen mit Deutsch als Muttersprache die Amtssprache oft eine Herausforderung ist, wie soll es dann Menschen aus einer ganz anderen Kultur ohne Sprachkenntnisse leicht fallen, nötige Anträge auszufüllen?”, fragt Micheler-Hofer.
Auch in vielen anderen Bereichen unterstützt der Verein: Sie bieten Sozial-,Wohn-, Arbeits-, Familien- und Rechtsberatung an. „Wir sind eine große Anlaufstelle für MigrantInnen jeder Herkunft, aber vor allen Dingen kommen viele Afrikaner zu uns. Wir sind inzwischen bekannt in der African Community. Man merkt immer, dass das wirklich gebraucht wird”, sagt Micheler-Hofer. Neben Einführung in die österreichische Gesellschaft, bieten sie aber auch einen Ort für Erinnerungen an die Heimat. So sind sie Sitz der einzigen afrikanischen Mediathek in Graz und betreiben außerdem ein afrikanisches Catering.
Neben der Integration von MigrantInnen hat sich der Verein auch die Aufgabe gesetzt, Aufklärungsarbeit in Schulen, Kindergärten und anderen öffentlichen Stellen zu betreiben. „Wir veranstalten Workshops zu Themen wie Diversität oder nehmen auch einen Flüchtling mit, der erzählt wie es ist, seine Heimat zu verlassen und in einem fremden Land anzukommen”, so Micheler-Hofer. Ziel der Workshops ist es, Kinder mit anderen Kulturen in Berührung zu bringen. Auch Nyuiateu Kamtandjou ist bei den Workshops regelmäßig mit dabei: „Wir sind ein Teil der Gesellschaft, dementsprechend möchten wir unsere Kultur auch mitteilen.” Die Workshops in den Schulen seien für ihn ein Zeichen für ein friedliches Miteinander in der Gesellschaft. Viele der Kinder freuen sich über die Besuche und sind sehr neugierig. Einige wenige seien etwas zurückhaltender, doch das liegt wahrscheinlich daran, dass sie noch nicht so viel Erfahrungen mit Menschen aus anderen Kulturen gemacht haben, mutmaßt Nyuiateu Kamtandjou. Doch genau dafür gibt es die Veranstaltungen.
„Es gibt immer ignorante Menschen”
Dass solche Aufklärungsarbeiten notwendig sind, zeigen auch Statistiken der Antidiskriminierungsstelle Steiermark. In einer Pressemeldung vom 26.09.2017 werden als häufigste Gründe für Diskriminierung 2016 ethnische Herkunft ( 38,18%) und Religion (15,9%) genannt. Selbst Nyuiateu Kamtandjou macht hin und wieder negative Erfahrungen aufgrund seiner Nationalität, allerdings seltener als andere Bekannte von ihm, sagt er: „Ich passe mich gut an und benehme mich richtig, aber es gibt immer ignorante Menschen.” In Graz leben ca. 3000 Menschen aus afrikanischen Ländern. (Stand 2017, Quelle Chiala), die meisten von ihnen kommen aus Nigeria und Ägypten. Nyuiateu Kamtandjou lebt jetzt bereits seit elf Jahren in Graz, fliegt aber jedes Jahr mindestens zweimal in seine Heimat zurück, um seine Familie zu besuchen. Der Kameruner fühlt sich inzwischen in beiden Ländern zuhause: „Ich werde immer Afrikaner bleiben, aber ich bin inzwischen gut integriert in Österreich. Ich würde sagen, ich bin teils Kameruner und teils Österreicher!” Seit diesem Jahr ist er in Kamerun auch im Dienste des Vereines unterwegs, denn Chiala hat vor Ort die Schwesterorganisation Douala gegründet, welche im Bereich der Arbeitssuche tätig sein wird.
„My Salon is always open for everybody!”
Auch Mama Lee lebt seit bereits 23 Jahren in Österreich und hat dieses Jahr bereits zum siebten Mal einen der bunte Stände beim Africa Festival betrieben. Die Chefin des Afro Salons in Gries verkauft hier allerlei rund um die Haarpracht. Aber der Stand ist nicht ihr Hauptgrund am Festival teilzunehmen: „Hier trifft man immer viele Bekannte aus ganz Österreich und von weiter her. Da wir alle viel arbeiten, ist es sonst nicht möglich dass man sich sieht, von daher ist es auf dem Festival immer eine große Freude.” Ursprünglich aus dem Ghana kommend, hat sie mit 19 ihren ersten Shop eröffnet. In Graz betreibt sie nun schon seit elf Jahren den “Mama Lee Afro Salon” in der Feuerbachgasse. “Mama” wurde sie auch schon in ihrer Heimat gerufen: „Mein Name in Afrika heißt Mama und Lee haben meine Bekannten dazu gegeben.” Egal ob jung oder alt, síe wird von allen Mama Lee genannt und das nicht ohne Grund. In ihrem Afro Salon werden Friseur, Shop, Raststation und Arztpraxis miteinander verbunden, wie sie sagt: „Wenn die Leute in der Stadt sind und Durst haben, können sie herkommen und was trinken, haben die Leute Sorgen, sind sie ebenfalls bei Mama Lee willkommen!” Ihr Kundenstamm ist nicht auf einen Kontinent beschränkt, sondern genauso bunt wie die Strähnchen im Geschäft: „Ich habe viele österreichische Kunden, aber auch viele, welche ursprünglich aus Dominica, Kolumbien oder anderen Teilen Europas kommen. Die Meisten kenne ich schon seit Jahren.” Sie selber hat fünf Kinder und vier Enkel, aber ob man wirklich zur Verwandtschaft gehört oder nur zum Plaudern ins Geschäft kommt, ist bei Mama Lee nicht von Bedeutung: „Wir sind alle so etwas wie eine große Familie. My Salon is always open for everybody!”
Auch im Augartenpark trifft dieses Motto zu und der Besucher erlebt während des Festivals diese offene und multikulturelle Atmosphäre. Während von links die Klänge des Trommelworkshops erklingen und der DJ auf der Bühne die Stimmung mit elektronischen Beats anheizt, erklärt Anna Micheler-Hofer im Informationszelt: „Das Festival ist frei, wir verkaufen keine Eintrittskarten oder ähnliches. So kann jeder kommen und jeder kann am Afrika Festival teilhaben.”