Am gelben Faden durch die Stadt

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In der Performance “Lost Land Expedition” macht das Theater Feuerblau besondere Orte im Annenviertel zur Bühne. Und verwandelt das Publikum in eine Seilschaft.

Von: Michael Rothschädl, Eva Sappl, Victoria Schifko

In den letzten Monaten haben sich die SchauspielerInnen der Theatergruppe Feuerblau, die 2013 von Monika Zöhrer und Klaus Seewald gegründet wurde, viel im Annenviertel aufgehalten. Sie haben mit Menschen gesprochen, neue Orte kennengelernt und nach den perfekten Blickwinkeln gesucht. Oft völlig zufällig stießen sie auf besondere Menschen und Orte. Im Juni etwa, als sie rund um die Kirche St. Andrä unterwegs waren und von einem schweren Gewitter überrascht wurden. Sie fanden Zuflucht im Büro der Nachbarschaften und wurden mit offenen Armen empfangen. „We found shelter“, erinnert sich der britische Schauspieler Will Dickie, der für diese Produktion ebenso zur Gruppe gestoßen ist wie die japanische Choreographin Yumiko Yoshioka.

Ein Viertel schreibt Geschichten

Dies ist nur eines von vielen Erlebnissen, die im Stück verarbeitet wurden. „Mein Vater wohnt in der Keplerstraße und auch ich lebe im Viertel. Hier begegnet man Migration, Veränderung und Zusammenleben tagtäglich“, erklärte Klaus Seewald, wieso genau das Annenviertel Schauplatz ihres Stücks wurde. „Das Annenviertel birgt so viele Geschichten. Man muss sie nur suchen“, schwärmt Klaus Seewald, der wie Zöhrer zuvor lange Jahre im Theater Asou wirkte. Aus dieser intensiven Recherche entstand schließlich die Performance “Lost Land Expeditions”, die nach dem Theaterfestival WERKSTATT 2.18 in Oberzeiring, im Murtal, vergangenen Donnerstag erstmals in Graz aufgeführt wurde. Noch diesen Montag und Dienstag ist sie in kleinen Expeditionsgruppen zu erleben.

Die spannende Reise durchs Annenviertel beginnt vor dem Haus der Architektur und endet nach rund einer Stunde im Kunstverein <rotor>. Das Publikum, untereinander durch ein gelbes Seil verbunden, wandert – angeleitet durch die SchauspielerInnen – durch die Stadt. Über Bluetooth-Boxen werden vorab aufgenommene Interviews mit BewohnerInnen, Stadtgeräusche und kürzere Musikstücke eingespielt. An sechs besondere Orte führen die Schauspieler das Publikum, bei jedem Halt werden die ZuseherInnen „eingerichtet”. Zum Beispiel mit Blick auf den Mühlgang, während die KünstlerInnen durch Mikrofone in verschiedenen Sprachen sprechen und aus den Lautsprechern das Rauschen von Wasser erklingt. Es sind fast ausschließlich Satzfragmente, die sich auf die Migration im Viertel beziehen, zum Beispiel Aussagen eines Migranten, in denen er seinen Weg nach Graz schildert.

Die Veränderung rahmen

An manchen Orten, zu manchen Gebäuden erzählen sie auch Geschichtliches, eröffnen jedenfalls neue Perspektiven auf die Stadt. In Oberzeirng war vor allem die Landflucht Thema des Stücks, in Graz ist es das Gegenteil. Um städtischen Wachstum geht es, um den Wandel, um Migration und das Zusammenleben im Viertel. „Ein Weg, Kunst zu definieren, ist es, einen Rahmen darum zu legen.“, erklärt Will Dickie, wie er vorgegangen ist, um einzelne Themen vor Ort “dingfest” zu machen. Der Rahmen bestand in diesem Fall aus seinen Händen, mit denen er während der Recherche an interessanten Orten die beste Perspektive auslotete.

Ein Halt der Stadtwanderung ist eine Telefonzelle vor der St. Andrä Kirche. – Foto: Clemens Nestroy

 

Weitere Termine:

Montag, 08.10.2018: HDA – 18:00 Uhr

Dienstag, 09.10.2018: HDA – 18:00 Uhr

Voranmeldung: info@theaterfeuerblau.at oder 0699 17339253

 

 

Apfelliebhaberin und Hauptgrund, dass niemand mehr im Paradies lebt, halb Kaffee - halb Mensch, beim Musikgeschmack in den 80ern hängen geblieben, Sarkasmusenthusiastin, für Graz geboren aber in Kärnten gemacht

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