Foto: Nadja Eder

Annenstraße: Kunst statt Leerstand

Lesezeit: 3 Minuten

Noch bis zum 30. Dezember verwandelt der Verein Base die Annenstraße in eine Kunstallee. Und hofft auf ein kleines Weihnachtswunder für das Annenversum.

“Wir wollen durch Kunst-, Kultur- und Gemeinschaftsprojekte die Nachbarschaft und die eingesessenen BewohnerInnen stärken”, sagt Sabine Eichler. Eichler hat gemeinsam mit Debbie Adams vor gut drei Jahren in der Dreihackengasse das Sedwell Center samt angeschlossener Kultur- und Lerneinrichtungen wie dem Bohemian Soul gegründet. Aktuelles Projekt des Kreativclusters: die zweite Ausgabe der “Kunstallee” in der Annenstraße. In den Schaufenstern von 26 verschiedenen Betrieben zwischen Kunsthaus und dem Eggenberger Gürtel sind noch bis zum 30. Dezember die Arbeiten lokaler KünstlerInnen und Künstler zu sehen.

“Die Allee soll eine Win-Win Situation für alle Beteiligten darstellen”, sagt Sabine Eichler. Derzeit wirke die Annenstraße vernachlässigt, es gäbe viele Leerstände und wenig Fußgänger. Die Kunstallee soll Menschen anregen, den bestehenden Geschäften mehr Beachtung zu schenken. Gleichzeitig erhalten die KünstlerInnen eine Plattform, auf der sie sich präsentieren können.

Eine Weihnachtsgeschichte

Wer sich die Kunst nicht selbst ergehen will, kann sich einmal die Woche einer kostenlosen Führung durch die Freiluftgalerie anschließen. Motto: “Light up Annenstraße”. Die erste vorweihnachtliche Illumination nahm Ariadne Avkiran, die Kuratorin der Schau, am 30. November vor. Avkiran verschlug es nach einer Kindheit und Jugend in Antalya und Südtirol zum Studium nach Graz, wo sie die Modeschule besuchte und unter anderem Transkulturelle Kommunikation studierte.

Bei “tropischen” 3 Grad unter Null  und selbst weihnachtlich erleuchtet – eine rote Lichterkette um den Hals und eine Laterne in der Hand – empfing Avkiran an diesem Abend die Eröffnungsgäste am Südtiroler Platz. “In Anlehnung an Charles Dickens’ Klassiker werde ich euch in einem Rundgang durch die Annenstraße der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft führen”, sagte Avkiran. In Dicken´s “Weihnachtsgeschichte” durchläuft der hartherzige Ebenezer Scrooge bekanntlich einen wundersamen Wandlungsprozess, nachdem ihm die Geister der vergangenen, der gegenwärtigen und der zukünftigen Weihnacht erschienen. Entlang dieser Zeitachse ist auch die Kunstallee in drei Abschnitte unterteilt – einen Plan kann man hier herunterladen.

Das Annenversum der Vergangenheit

Stop 1:  Ein Werk des Fotografen  Garfield Trummer ist im Schaufenster des Vivobarefoot Shop zu sehen – der Geist der vergangenen Weihnacht, meint Avkiran. Bei Taiga nebenan hängt eine Collage in der Auslage, die Uwe Gallaun in grellem Acryl aus dem Straßennetz der Annenstraße und Bildern der Kaiserin Maria Anna Savoyen, der Namensgeberin der Straße, gezaubert hat.

Ariadne Avkiran als “Geist des Annenversums”.
Ariadne Avkiran als “Geist des Annenversums”. – Foto: Nadja Eder

Die Kunst der Gegenwart

Ein Kreuzstich – eine Handarbeitstechnik – vom “Friendly Alien”, der in der Auslage des Singer Shops zu sehen ist, bringt die Führung in die Gegenwart des Viertels. “Das Kunsthaus ist das auffälligste Gebäude, das die linke Murseite kennzeichnet”, erklärt Avkiran. Trotz “heftiger Geschmacksdiskussionen” sei das Haus mittlerweile aus dem Viertel  nicht mehr wegzudenken. Auch sehr gegenwärtig, dabei aber kritisch, kommentiert danach ein Bild des in Trinidad geborenen Wahlösterreichers Bevil Byam Donawa im Café Conte die Konsumgesellschaft und den Verlust sozialer Werte.

Ariadne Avkiran vor dem "Geist der Gegenwart" von Bevil Byam
Ariadne Avkiran vor dem „Geist der Gegenwart“ von Bevil Byam. – Foto: Nadja Eder

In der Annenstraße 29 beim Café Foyer erwartet eine interaktive Installation des Künstlerinnen-Duos #wir die Zuschauer. Leere Lichtboxen warten darauf, mit Edding beschriftet zu werden. Punsch, Frieden, Rausch, Konsum oder Liebe – was verbinden wir mit dem Weihnachten der Gegenwart?

1. Installation von ##wir.

2. Installation von ##wir.
Installation von ##wir. – Foto: Nadja Eder

Die KünstlerInnen sowie die Geschäfte sind auf verschiedenen Wegen Teil des Projektes geworden. Die meisten Unternehmen hat Ariadne Avkiran durch persönlichen Kontakt ins Boot geholt und sie anschließend mit den KünstlerInnen zusammengebracht. Einige kannte sie bereits von der ersten Ausgabe der Kunstallee im Sommer 2017.

Viele waren von Anfang an begeistert, andere hatten eine pessimistische Einstellung. Die meinten, dass ein Kunstprojekt gar nichts mehr bringt, weil die Annenstraße ja eh schon gestorben ist”, sagt Avkiran. “Drei der Geschäfte, die letztes Jahr mitgemacht haben, mussten inzwischen schon zusperren.”

Was bringt die Zukunft?

Kurz vor dem Ende der Führung blicken die Zuschauer in das Fenster des Café Biene. Das dort gezeigte Foto von Joël Hainzl zeigt einen jungen Mann. Ein spontanes Treffen zwischen dem Künstler und der abgebildeten Person wurde plötzlich zum Fotoshooting. “Für mich ist das ein Beispiel dafür, dass das Fremde oft unerwartete, tolle Überraschungen bringt  und Xenophobie dem einfach im Weg steht”, erklärt die Kuratorin, wie sie den künftigen “Geist” des Viertels sieht. “Kunst hat viele Funktionen. Kunst kann provozieren, schockieren oder politisch sein. Das wollen wir alles nicht, wir wollen mit der Kunst etwas Positives bewirken, nämlich, dass Menschen miteinander in Kontakt kommen.”

Fotografie von Joël Hainzl.
Fotografie von Joël Hainzl. – Foto: Nadja Eder
Die nächsten Führungen durch die “Kunstallee@Annenversum”:

Samstag, 15. Dezember
16:00 Geführte Tour #4
Treffpunkt: s’Auenbrugger

Dienstag, 25. Dezember
13:00 – 16:00
Abschlussveranstaltung im Seddwell Center mit Potluck Dinner

23 – verplant jede Minute, liebt und hasst den Stress – tanzt durchs Leben und schläft gerne aus

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