Informieren und begleiten: Der Verein Wegweiser hat es sich zum Ziel gesetzt, behinderte und beeinträchtigte Menschen auf ihrem Weg in ein selbstbestimmtes Leben zu begleiten. Mit dem am 7. Juni 2019 eröffneten Büro hat der Verein erstmals einen festen Sitz gefunden.
Das Büro im Hinterhof der Kernstockgasse ist schlicht eingerichtet. Ein Schreibtisch mit Sesseln, ein Drucker, zwei Monitore. In einer Ecke des frisch ausgemalten Raumes steht ein Sofa, das ein Stück Heimeligkeit inmitten des geradlinigen Raumes vermittelt. Erst vor einem Monat hat der Verein „Wegweiser“ die neue Zentrale bezogen.
“Es bestand offensichtlich dringender Bedarf nach einer Anlaufstelle” für Menschen mit Behinderung auf dem Weg in die Selbstständigkeit, sagt Vereinsgründer Bernhard Bauernhofer. Der 41-Jährige rief den Verein “Wegweiser” im Dezember 2008 ins Leben. Bauernhofer leidet an der Friedreichschen Ataxie, einer Erbkrankheit, die das zentrale Nervensystem schädigt. Sie erschwert es Betroffenen, sich koordiniert zu bewegen. Bis 2008 lebte der gebürtige Angerer in der Wohngemeinschaft Algersdorfer Straße in Eggenberg, die Menschen das Leben mit Handicap erleichtert. Als er auszog, wollte er das persönliche Budget und die persönliche Assistenz in Anspruch nehmen, wovon ihm seine Freundin Karin Ofenbeck erzählt hatte.
Persönliche Assistenz
Um nicht in einer Einrichtung mit Vollzeitbetreuung leben und einem vorgegebenen Tagesplan folgen zu müssen, steht Menschen mit Behinderungen laut Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention eine persönliche Assistenz zu. Die persönliche Assistenz besteht aus einer oder mehreren dafür ausgebildeten Personen. Diese betreuen und unterstützen behinderte Menschen, wo diese es wünschen. Persönliche AssistentInnen können mit dem persönlichen Budget bezahlt werden.
Persönliches Budget
Das persönliche Budget wird an „Personen mit Sinnes- und/oder erheblichen Bewegungsbeeinträchtigungen“ ausgezahlt. Mit dem Budget können diese Menschen die persönliche Assistenz finanziert werden. Der Vorteil liegt darin, dass das Geld direkt an die betroffenen Personen kommt und diese die Verwendung frei gestalten können. Ab dem vollendeten 18. Lebensjahr haben Menschen mit einer erheblichen Bewegungs- und/oder Sinnesbeeinträchtigung Anspruch darauf.
Startschwierigkeiten auf dem Weg zum Budget
Als Bernhard Bauernhofer 2008 das persönliche Budget erstmals beantragen wollte, war dieses erst seit Kurzem in Kraft und daher noch relativ unbekannt. Bauernhofer stellte große bürokratische Hürden fest. Behinderte Personen werden nämlich selbst zum „Arbeitgeber“ ihrer AssistentInnen. Dazu gehören das Ausfüllen eines Selbsteinschätzungsbogens, aber auch die Anstellung von Menschen und die Lohnverrechnung.
Um betroffenen Menschen die Inanspruchnahme zu erleichtern, gründete Bernhard Bauernhofer gemeinsam mit Karin Ofenbeck den Verein „Wegweiser“. Der Verein bietet Betroffenen sämtliche Beratung kostenlos an und begleitet sie auf dem Weg zum Antrag. Die Buchhaltung erfolgt in einer Kooperation mit der Kanzlei der Steuerberaterin Sabine Erdkönig, die selbst Vorstandsmitglied im Verein ist.
Wegweiser durch die Bürokratie
Das neue Büro des Vereins wurde am 7. Juni 2019 eröffnet. An vier Tagen die Woche wird es von Mario Kowald besetzt. Der studierte Jurist ist blind, war Obmann des Steirischen Blinden- und Sehbehindertenverbandes und Mitglied im Grazer Gemeinderat. An seinem Arbeitsplatz unterstützt ihn sein Persönlicher Assistent Robert Hakel. Mario Kowald gibt sich selbstsicher und optimistisch: “Wir haben große Ziele und möchten vieles erreichen.” So war es für ihn auch sein Verein, der dazu beitrug, dass mittlerweile etwa 300 Menschen in Graz das persönliche Budget beziehen.
Der Andrang an die Wegweiser steigt beständig. Um die 60 KundInnen werden bereits informiert und begleitet. Für sie sind 179 AssistentInnen im Einsatz. “Zahlreiche Leute lassen sich aber auch einfach nur beraten”, sagt Robert Hakel. Vor dem Umzug in die Kernstockgasse erfolgten sämtliche Tätigkeiten durch die Arbeit der Vorstandsmitglieder von zuhause aus. Mit dem Büro wurde nun ein Sitz für den Verein gefunden.
Blick in die Zukunft
Obwohl der Verein seit mehr als zehn Jahren existiert, ist der Bekanntheitsgrad noch überschaubar. Es gibt allerdings Organisationen, mit denen die Wegweiser zusammenarbeiten. Im neuen Büro können Praktika angeboten werden, was bereits von der Fachschule für Sozialberufe genutzt wird. Auch mit dem neuen Lehrgang „Akademische Peer-Beratung“ an der FH JOANNEUM gibt es eine Kooperation. „Wir wachsen langsam, aber wir wachsen“, meint Mario Kowald.
Für die Zukunft sind noch zahlreiche Wünsche offen. Robert Hakel listet drei wesentliche Punkte auf: Einerseits solle geklärt werden, nach welchen Beschäftigungsmodellen die Persönlichen AssistentInnen arbeiten müssen. Außerdem fehle ein einheitlicher Kollektivvertrag für das Gewerbe. Und nicht zuletzt brauche es eine bundesweit einheitliche Regelung für das Persönliche Budget, dessen Höhe aktuell von Bundesland zu Bundesland stark variiert.