Foto: Petra Schwarz

Anarchistisches Turnen im Annenviertel

Lesezeit: 2 Minuten

Die Ausstellung “Alphabet des anarchistischen Amateurs” bietet neben künstlerischen Positionen auch Veranstaltungen wie Anarchistische Gymnastik für Frauen.

Von: Vilja Schiretz, Hannah Schultermandl, Petra Schwarz

Beim Betreten der Ausstellungsräume springen die großen Definitionen an den Wänden ins Auge, die an ein Lexikon erinnern. “E wie Einfall: Ein neuer Gedanke, der ein bisher für wahr gehaltenes Gedankengebäude zum Einfall bringt”, ist nur eine davon.

“Alphabet des anarchistischen Amateurs” nennt sich die aktuelle Ausstellung im Kunstverein <rotor> in der Volksgartenstraße, die nach dem Buch von Herbert Müller-Guttenbrunn und Beatrix Müller-Kampel benannt ist. Dass dieses Werk in einer Ausstellung im Annenviertel zu sehen ist, ist kein Zufall. Denn bereits 1927 ließ Müller-Guttenbrunn hier Magazine mit anarchistischem Gedankengut drucken. Einige Ausgaben finden sich auch in der Ausstellung wieder.

Auch die Magazine von Herbert Müller-Guttenbrunn sind Teil der Ausstellung
Auch die Magazine von Herbert Müller-Guttenbrunn sind Teil der Ausstellung. – Foto: Petra Schwarz

Ein Alphabet als Inspiration

Müller-Guttenbrunns Idee, alltägliche Begriffe von A bis Z, die er mit Anarchismus verknüpfte, zu verschriftlichen, konnte er nicht verwirklichen: 1945 wurde er von einem Rotarmisten ermordet und kam lediglich bis zum Buchstaben F. Die Grazer Germanistin Beatrix Müller-Kampel hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieses Werk in den 2000er Jahren zu vollenden, indem sie sich in Müller-Guttenbrunns Denken hineinversetzte.

Genau dieses Alphabet haben die LeiterInnen  des <rotor> Margarethe Makovec und Anton Lederer dazu inspiriert, diese Ausstellung zu kuratieren. “In einer Zeit, in der nationalistische Verengungen und totalitaristische Tendenzen wieder um sich greifen, ist das Thema aktueller denn je”, so die KuratorInnen. Die Ausstellung bringt die Schriften Müller-Guttenbrunns mit den Werken zeitgenössischer KünstlerInnen in Verbindung. Sie liefert Anstöße zur Auseinandersetzung mit dem Anarchismus.

Kurator Anton Lederer ließ sich vom Buch zur Ausstellung inspirieren.
Kurator Anton Lederer ließ sich vom Buch zur Ausstellung inspirieren. – Foto: Marco Schrotter

Im Annenviertel bleibt die Kunst nicht nur im Museum

Eine auf die Wand gemalte Szene aus einem Tonto-Comic, verfasst in der Kunstsprache Esperanto, weist weitere Bezüge zum Annenviertel auf. Esperanto setzt sich aus mehreren europäischen Sprachen zusammen und fand zur Zeit Müller-Guttenbrunns bereits Verwendung. Auch heute existiert noch ein Esperanto-Club im Annenviertel, der sich einmal pro Monat trifft, damit diese Sprache gegenwärtig bleibt.

Ein Stapel voller Fäuste in unterschiedlichen Rotschattierungen bildet eines der lokalen Highlights. Diese Kreation, gestaltet vom Annenviertler Kunstverein Roter Keil, zeigt eindrucksvoll, wie man Upcycling mit Anarchismus in Verbindung bringen kann. Ursprünglich wurden diese Styropor-Fäuste einzeln für Demos, wie beispielsweise die Donnerstags-Demos in Graz, verwendet und für diese Ausstellung zu einer Skulptur zusammengesetzt.

„Ich glaube, viele, die unsere Ausstellung besuchen, sind einfach auch neugierig, was es mit dem anarchistischen Amateur auf sich hat“, sagt Lederer. Bis zum 21. Dezember können BesucherInnen zusätzlich zur Ausstellung bei Veranstaltungen wie einer Lesung des deutschen Autors Ilja Trojanow oder der „Anarchistischen Gymnastik  für Frauen“ in die Gedankenwelt Müller-Guttenbrunns eintauchen.

 

 

Kreativ und unternimmt gerne Spaziergänge in der Natur. Wenn sie nicht gerade als rasende Reporterin unterwegs ist, taucht sie auch gerne in die Welt der Literatur ab. Meist fröhlich und immer für die Menschen da, die ihr am Herzen liegen.

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