Noch bis 12. Oktober erleben die BesucherInnen des Bauernmarktes Eggenberg Armut hautnah. Die Inszenierung MEN/SCH/EN/MAR/KT vom Theater im Bahnhof nennt sich zurecht „Spiel mit dem Teufelskreis“.
Von: Viktoria Stallinger, Sabrina Unterreiner, Fabian Schwödiauer
Jessi ist Kosovarin, 32 Jahre alt und lebt seit zehn Jahren in Österreich. Vor vier Jahren flüchtete sie mit ihrem Kind aus der gemeinsamen Wohnung. Seitdem sucht sie auf der Straße Schutz vor den Misshandlungen ihres Ehemannes. Diese ist nur eine der vielen Identitäten, die BesucherInnen auf dem MEN/SCH/EN/MAR/KT annehmen können. „Wir haben sehr viele Leute aus dem Sozialbereich getroffen und dort immer wieder Geschichten gehört, die in diese fiktiven Figuren eingeflossen sind”, sagt der Regisseur des Projekts Ed. Hauswirth.
Das Spiel mit dem Teufelskreis beginnt
Mitspielen kann bei der Koproduktion vom Theater im Bahnhof und dem Festival steirischer herbst jeder. Zu Beginn entscheidet der Zufall, welches Schicksal die SpielerInnen ereilt. Kopfhörer vermitteln alle Informationen zur Ausgangssituation. Mit dem neuen Namen geht es dann auf den Markt, wo verschiedene Stationen warten. Dort versuchen die TeilnehmerInnen in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Bildung und Geld genügend Punkte zu erspielen.
Ein essentieller Bestandteil, um das Spiel zu gewinnen, ist der sogenannte „Reality-check”. Direkt neben den Spielstationen sind soziale Einrichtungen wie die Arche 38 oder das Grazer Frauenhaus vertreten. Diese rücken den Bezug zur Armut in unmittelbare Nähe. Egal ob aus der Rolle heraus oder ganz privat – die MitarbeiterInnen beantworten alle Fragen. Im Laufe des Spiels treten wie im echten Leben unvorhersehbare Ereignisse ein, die sich positiv oder negativ auf die eigene Situation auswirken. Immer wieder kann auch der Dreh am Glücksrad die Lage auf den Kopf stellen. Wer trotz aller Hindernisse 40 Punkte erreicht, hat es geschafft, sich aus der Notlage zu befreien.
Armut – Abyss – Abgrund
Passend zum diesjährigen Thema des steirischen herbstes „Grand Hotel Abyss” hilft der unkonventionelle Standort des Bauernmarktes Eggenberg, eine zweite Realität zu erschaffen. „Der Gedanke war, dass die Zuschauer eine Imaginationserfahrung machen. Wir machen die Skizze und fordern die Spieler auf, diese fertig zu denken”, sagt Ed. Hauswirth zur Idee hinter dem Stück.
Wie sonst oft im Theater, gibt es auch am MEN/SCH/EN/MAR/KT nicht nur positives Feedback. Immer wieder beobachtet der Regisseur, wie BesucherInnen des Bauernmarktes die Inszenierung erst eher skeptisch beäugen und eigentlich nicht mitspielen wollen. Am besten findet es Hauswirth, wenn genau diese sich dann doch auf das Spiel einlassen.
9. Oktober 09:00 Uhr / Eggenberger Bauernmarkt Hofbauerplatz, 8020 Graz
12. Oktober 09:00 Uhr / Eggenberger Bauernmarkt Hofbauerplatz, 8020 Graz