Gewaltschutzzentrum Graz

Gewaltschutzzentrum Steiermark: Mehr Gewalt in der Coronakrise?

Lesezeit: 3 Minuten

Das Gewaltschutzzentrum Steiermark bietet rechtliche und psychosoziale Betreuung für Opfer von Gewalt an. Pro Jahr unterstützt man etwa 3000 Personen. Nimmt die Gewalt in der Coronakrise zu? Die Annenpost fragte bei Annemarie Siegl, Teamleiterin im Bereich der Sozialarbeit, nach.

Annenpost: In Ländern wie China soll es durch die Ausgangsbeschränkungen zu einem Anstieg an häuslicher Gewalt gekommen sein. Kann man so etwas auch in der Steiermark beobachten?

Annemarie Siegl: Wir im Gewaltschutzzentrum haben keine einzige Studie dazu finden können. Das heißt, ich weiß nicht, wie seriös diese Zahlen sind. Eine grundsätzliche Aussage darüber, ob die Gewalt in der Steiermark steigt, traue ich mich nicht zu machen. Bis dato ist es so, dass es unsere Zahlen noch nicht zeigen. Was ich wahrnehmen kann, sind inhaltliche Unterschiede. Mit inhaltlich meine ich, wenn es Betretungsverbote gibt, gab es zuvor sehr gravierende Vorfälle.

Dieser enge Raum und die Isolation sind grundsätzlich schon Faktoren, die Gewalt begünstigen können. Andererseits habe ich aber auch das Gefühl, dass es Faktoren gibt, die Entschärfungen begünstigen. Wenn ich vom Straßenkehrer oder von der Supermarktverkäuferin ausgehe, dann denke ich, erfahren die im Augenblick ein sehr hohes Maß an Anerkennung, was wieder ein Schutzfaktor ist. Wenn ich zufrieden von der Arbeit heimkomme, ist das einer der Faktoren, der Gewalt verhindert.

Melden sich in Zeiten, in denen man viel mit der Familie beisammen ist, wie beispielsweise zu Weihnachten, mehr Personen bei Ihnen?

Nach Weihnachten kommt es zu Steigerungen, würde ich sagen. Diese Anlässe werden sehr hochgehalten. Da hat fast jeder das Bild: Ich möchte ein schönes Weihnachten haben, ich möchte ein friedliches Weihnachten haben, Weihnachten soll uns alle glücklich machen. Und da reißen sich die Leute ganz lange zusammen. Nach Weihnachten trifft man dann eher Entscheidungen. Da sieht man dann, dass es überhaupt nicht mehr geht. Und dann kommt eine Welle an Terminen, wo man sich Beratungen ausmacht.

Annemarie Siegl
Annemarie Siegl ist Teamleiterin für den psychosozialen Bereich im Gewaltschutzzentrum – Foto: Gewaltschutzzentrum Steiermark

Wie läuft die Arbeit im Gewaltschutzzentrum in Zeiten von Corona ab?

Momentan ist es so, dass der Großteil der BeraterInnen Homeoffice macht. Unser Hauptaufgabengebiet ist das Gleiche. Mit nahezu der Hälfte der KlientInnen nehmen wir nach einer polizeilichen Meldung proaktiv Kontakt auf. Das heißt, wenn die Polizei ein Betretungs- oder Annäherungsverbot in der Steiermark ausspricht, schicken sie uns die Daten und wir können mit den Opfern Kontakt aufnehmen. Wir schauen dann, wo wir die Person unterstützen können, damit ihre Sicherheit erhöht wird. Von den Personen wird es – wahrscheinlich jetzt durch Corona noch ein bisschen mehr – als sehr angenehm wahrgenommen, wenn sich nach einem polizeilichen Einschreiten jemand meldet. Wir bieten dann psychosoziale Betreuung und juristische Beratung an, mit allem was dazu gehört. Derzeit sind wir sehr kreativ was das angeht.

Etwas mehr als die Hälfte unserer KlientInnen sind Selbstmelder. Das heißt, die Personen melden sich, weil sie etwas in den Medien gelesen haben oder weil sie auf uns aufmerksam gemacht worden sind. Im Prinzip geht es für uns immer darum, die Sicherheit der betroffenen Personen zu erhöhen. Das, was sich unterscheidet, ist die Anzahl der Prozessbegleitungen. Wir begleiten Menschen auch im Strafverfahren oder daraus resultierenden Zivilverfahren. Das sind derzeit sehr wenige.

An wen soll man sich wenden, wenn man von Gewalt betroffen ist?

Wenn es akut ist, und ich denke, das spüren und kennen wir alle, dann bitte unbedingt 133 wählen. Auch für Gehörlose gibt es eine Nummer, die 0800/133 133. Für alles Weitere, können sich die Menschen an uns oder an die Frauenhäuser wenden. Gefährder, die merken, es steigt der Pegel, können sich an Neustart oder an die Männerberatungsstelle wenden. Die KollegInnen von der Männerberatungsstelle schildern auch ganz klar, dass sich Menschen früher melden. Dadurch, dass man mehr Zeit daheim hat, übergeht man wahrscheinlich auch manches Gefühl nicht mehr so. Man meldet sich ein bisschen frühzeitiger. Das heißt, das hätte durchaus einen positiver Effekt. Nicht zu vergessen: auch die Jugendamt-Sozialarbeiterinnen sind ganz normal erreichbar. 

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Anlässlich des internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen konnte die Annenpost letzten November einen Blick in die Arbeit des Gewaltschutzzentrums werfen. Hier geht es zum Artikel.

Wichtige Nummern

Polizei: 133

Notruf für Gehörlose/SMS-Notruf: 0800/133 133

Gewaltschutzzentrum Steiermark: 0316 77 41 99 (8-22 Uhr)

Frauenhäuser Nortuf: 0316 42 99 00 (auch per WhatsApp)

©Titelbild: Gewaltschutzzentrum Steiermark

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