Maria und Hannes Abel sind seit 2016 Besitzer des Yoga-Studios „imagin-abel“. Die beiden sind Verfechter des „No Bullshit Yoga“ und lassen mit einem ganz besonderen System für einkommensschwache und yogaferne Menschen aufhorchen.
Fast gegenüber dem Volksgarten liegt das Studio. Eine gläserne Eingangstür teilen sich die beiden mit einem Ausbilder zur Selbstverteidigung. Die Garderobe ist das erste, worauf man stoßt. Schuhe müssen ausgezogen werden, die braucht man nicht. Im Empfang gibt es zwei kleine Sitzbänke. Das Studio selbst kommt bis auf einen kleinen Beistelltisch fast gänzlich ohne Möbel aus. Trotz der Leere fühlt man sich willkommen.
Prävention als Motivation
Maria Abel ist die Gründerin des Studios. Der ausgebildeten Physiotherapeutin war von Beginn an klar, später in der Prävention arbeiten zu wollen. Prompt nach ihrer Ausbildung verschlug es sie in die Yoga-Welt. Diese ließ sie daraufhin nicht mehr los. Sie fand darin den idealen Zugang und die besten Chancen, in ihre präferierte Richtung zu arbeiten. Hannes Abels Weg zum Yoga war ein ganz anderer. „Als Mann, Fußballer und Softwareentwickler war ich relativ steif. Nach einer anfänglichen Phase der Ablehnung habe ich bemerkt, dass es mir doch guttut. Nun bin ich seit Jänner 2020 Vollzeit im Studio und unterrichte auch selbst.“
Online-Yoga
Hannes‘ technisches Know-How ermöglichte es, „imagin-abel“ sehr schnell auf Online-Unterricht während der Coronakrise umzustellen. Laut ihrem Technolgiepartner „Eversports“, der für die Buchungsabwicklung der Unterrichtseinheiten verantwortlich ist, seien sie sogar das erste Yoga-Studio in Graz und eines der ersten in Österreich gewesen, das komplett auf Online-Betrieb umgestellt hat. „Es kann niemals ein Ersatz für persönlichen Kontakt sein , aber es ist eine super Ergänzung dafür“, so Hannes.
Klartext statt Schönrederei
Was das Studio unter anderem von anderen unterscheidet, sei der therapeutische Ansatz, meint Hannes. Er ist nämlich auch ausgebildeter Mental- und Kommunikationstrainer. Außerdem sind bei ihnen fast ausschließlich Vollzeityogalehrer angestellt. Die Ausbildung dazu bieten sie ebenfalls an. „Und wir sind keine klassischen ‚Yogis‘. Ich komme nicht aus diesem klassischen Bereich, sondern aus der Südsteiermark, habe Fußball gespielt. Ich bin eine Mischung aus Trainer, Entertainer und Clown, der aber trotzdem über das Know How verfügt und die Leute mit einem Lächeln auf den Lippen sicher durch die Praxis bringt“, sagt Hannes. Auch Maria findet klare Worte: „Ich würde mich als spirituell bezeichnen, aber von Esoterikgequatsche halt ich gar nichts. Mir ist es wichtig, die Sachen für die breite Masse sehr zugänglich zu machen.“
Doch was ist eigentlich „Bullshit Yoga“? Hannes zieht gerne den Vergleich mit Instagram, nämlich Sachen und Themen künstlich schön zu machen und schönzureden. „Ich meine nicht, dass positive Gedanken etwas Schlechtes sind, aber sie können genauso krank machen, wenn man nicht alle Aspekte des Lebens einbezieht und gewisse ausklammert. Es ist vollkommen okay, dass Dinge scheiße sind und einmal scheiße sagen zu dürfen in einem Yoga-Raum, das ist das, wofür wir stehen.“ Maria fällt auf diese Frage ein Zitat ihres Lehrers ein, das die Thematik auf den Punkt bringt: „No whipped cream on garbage.“
Ein Härtefall-Fond der anderen Art
Seit der Eröffnung des Studios im Jahr 2016 haben Maria und Hannes Abel eine andere Art von Ermäßigungen als es üblich ist. Es gebe weder Studenten- noch Pensionistenrabatt, erklärt Hannes: „Wir haben unseren KundInnen immer angeboten, wenn sie es sich nicht leisten können, über Preisnachlässe zu reden. Wenn es sich gar nicht ausgeht, dann dürfen sie gratis kommen. Natürlich nur bis zu einem gewissen Grad, weil wir auch davon leben müssen.“ Als der Lockdown im März eintrat, wurde „imagin-abel“ von einer Kundin angeschrieben. Sie erklärte sich bereit, einen gewissen Betrag in die Community einzubringen, um einkommensschwachen Menschen während der Krise den Zugang zu Yogaunterricht zu erleichtern. In der Folge erklärte sich noch eine weitere Person bereit zu spenden – der ganz spezielle Härtefall-Fond war geboren. „Ausgeschüttet wird der Topf, der von unseren KundInnen und uns gefüllt wird, meistens nach Individualabsprache mit Maria oder mir. Das System wird auch nicht ausgenutzt. Man muss die Leute motivieren, die Unterstützung auch in Anspruch zu nehmen.“ „Man kann immer mit uns reden, das ist unsere Devise“, ergänzt Maria.
„Black Lives Matter“ – auch beim Yoga
Zurzeit arbeiten Maria und Hannes ein Konzept aus, ihren Unterricht für weitere Gesellschaftsschichten zugänglich zu machen. Das Ehepaar will die derzeitige mediale Tragkraft rund um „Black Lives Matter“ nützen, denn wie viele andere Sportarten ist auch Yoga gewissen Gesellschaftsgruppen zugänglicher als anderen. Ihre KundInnen mit ausländischen Wurzeln können Maria und Hannes „auf einer Hand“ abzählen. Wieso aber? Ist man doch mitten im Annenviertel beheimatet, dem Teil von Graz mit der höchsten MigrantInnendichte. „Ich glaube, die Menschen kommen gar nicht auf die Idee, sich das leisten zu können, weil sie ihre finanziellen Mittel hauptsächlich für Grundbedürfnisse verwenden,“ so Hannes. „Das Ziel ist, den Zugang herzustellen, etwas abzugeben, womöglich auch gratis. Von dem Reichtum und dem Luxus, den wir eigentlich haben.“