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Zivildienst 2.0 ─ freiwillige Unterstützung im Annenviertel

Lesezeit: 3 Minuten

Die Regierung rief zu Beginn der Pandemie junge Männer auf, sich für einen außerordentlichen Zivildienst zu melden. Die Folgen der Krise für das Gesundheits- und Sozialsystem waren ungewiss. Die Resonanz der Freiwilligen war groß. Auch im Annenviertel gibt es seit April 2020 freiwillige Zivildiener. Zwei von ihnen teilten ihre persönliche Erfahrungen im Arbeitsalltag mit der Annenpost.

Von: Nina Gyger, Hanna Gries

Im März 2020 startete die österreichische Regierung einen Aufruf, der in der Geschichte der Republik bis dato einmalig war ─ ehemalige Zivildiener konnten sich freiwillig zum Einsatz melden. Sollte Corona das Gesundheits- und Sozialsystem überlasten, wäre man somit gewappnet. 3500 junge Männer stellten sich Anfang April zur Verfügung. 1500 verlängerten ihren laufenden Zivildienst, 2000 meldeten sich zum zweiten Mal in ihrem Leben zum Einsatz. Im Mai kamen erneut 1000 Volontäre dazu. Im Annenviertel arbeiten beispielsweise bei der Caritas, der Vinzenzgemeinschaft, aber auch im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder freiwillige Zivildiener. Die beiden “Zivis” Michael Mayer und Philipp Dieter Faller erzählen, warum sie sich gemeldet haben und wie sie ihren Arbeitsalltag erleben.

„Ich wollte etwas Sinnvolles machen”

Michael Mayer ist 33 Jahre alt und kommt aus Hof bei Salzburg. 2017 zog er mit seiner Freundin nach Graz. Seither ist er als gelernter Fotograf tätig und strebt eine Karriere im Bereich Film an. Als die Regierung Anfang März den Shut-Down anordnete, stand Michael ohne Aufträge und Einkommen da. „Als ich den Aufruf zum freiwilligen Zivildienst hörte, meldete ich mich sofort. Ich wollte etwas Sinnvolles mit meiner Zeit machen“, sagt Michael. Seinen regulären Zivildienst absolvierte er vor fast zehn Jahren als Sanitäter beim Roten Kreuz.

Ressidorf, 08:00 Uhr ─ Aus einer mit weinrotem Holz verkleideten Hütte hört man Geschirr klappern. Michael schaltet die Kaffeemaschine ein und stellt Tassen, Besteck und Teller auf den Tresen. So beginnt der freiwillige Zivildiener seit Anfang April seinen Arbeitstag in einer Wohnungsloseneinrichtung der Caritas.

Zivildienst freiwillig, Zivildiener vor roter Hütte
Michael Mayer hat sich gut eingelebt im Ressidorf. Foto: Hanna Gries

„Ich wollte zuerst wieder als Sanitäter arbeiten, jetzt bin ich aber froh, dass es anders gekommen ist“, sagt er. Die Einrichtung in der Herrgottwiesgasse 67 bietet seit 25 Jahren wohnungslosen, suchtkranken Menschen ein Zuhause. Viele KlientInnen haben zudem psychische oder körperliche Probleme. In dem 2005 völlig erneuerten Hütten-Dorf gibt es Platz für 20 BewohnerInnen. Die Hauptzielgruppe sind volljährige Männer aus Österreich bzw. einem der EU-Länder.

Humor und Feingefühl

Seit über zwei Monaten unterstützt Michael die fünf hauptamtlichen Mitarbeiter. Seine Hauptaufgabe ist die kulinarische Versorgung der BewohnerInnen. Bereits um 9:00 Uhr liefert die „Küche Graz“ Thermobehälter mit Essen. Michael wärmt die Speisen in einem Regenerierofen auf. Kurz vor Mittag dreht er eine Runde durch das Dorf und lädt die Leute zum Essen ein. „Manche BewohnerInnen wollen nichts essen, da braucht es ein bisschen Feingefühl und Humor, um sie zu motivieren“, erzählt Michael.

Das Vertrauen der Menschen zu gewinnen sei für ihn kein Problem gewesen. Ressidorf-Mitarbeiter Mario Payer sagt: „Wir sind hier wie eine Familie, wenn ein ‚Neuer‘ kommt, egal ob MitarbeiterIn, KlientIn oder eben Zivildiener, dauert es meist eine Zeit lang, bis er von den BewohnerInnen akzeptiert wird.“ Michael habe den Vorteil, bereits ein bisschen älter zu sein, außerdem unterstütze ihn das ganze Team geschlossen. Ende Juni endet sein freiwilliger Dienst. „Ich würde es sofort wieder machen”, sagt Michael.

Zivildienst freiwillig, Zivildiener am Regenerierofen
Mittagessen ─ Michael Mayer wärmt die Speisen im Regenerierofen. Foto: Hanna Gries

Krankenhaus statt KFZ-Werkstatt

Auch der 23-jährige Philipp Dieter Faller aus Wetzelsdorf meldete sich freiwillig. Sein erster Arbeitstag im medizinischen Bereich startete Anfang April im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in der Marschallgasse. „Nach zwei Monaten wurde ich jedoch zum Standort Eggenberg versetzt, an dem ich jetzt im Einsatz bin“, erzählt Philipp. Seinen Zivildienst leistete er beim Roten Kreuz, wo er die Sanitäterausbildung absolvierte. Noch bevor der gelernte KFZ-Mechaniker seinen Arbeitsplatz verlor, stand für ihn fest, helfen zu wollen: „Seit 2014 arbeite ich ehrenamtlich bei der Rettung. Ich fühle mich im Krankenhaus wohler, als in einer KFZ-Werkstatt.“

Marschallgasse, 06:30 Uhr – Philipps Arbeitstag auf der Sonderklassestation startete täglich bei der morgendlichen Teambesprechung. Durch seine Erfahrung beim Rettungsdienst arbeitete er nach der Einschulung sehr selbstständig. „Meine Aufgaben reichten von Fieber messen und Blutdruckkontrollen zu Betten machen und Essen austeilen“, erzählt Philipp. In Eggenberg, in der Bergstraße 27, ist er zusammen mit einem Kollegen für den Portierdienst zuständig. Dazu gehören momentan Corona-Schutzmaßnahmen wie das Verteilen von Masken an Krankenhausbesucher.

Zivildienst, Krankenhaus, BHB
Philipp Dieter Faller möchte auch in Zukunft im Krankenhaus arbeiten. Foto: Nina Gyger

Beruflicher Neustart

Philipps freiwilliger Zivildienst endet am 1. Juli. Für den 23-Jährigen kennzeichnet das Datum allerdings einen neuen Anfang: „Ich habe mich hier in Eggenberg vorübergehend als Serviceassistenz beworben und will mich durch eine Bildungskarenz hocharbeiten. Mein Ziel ist es, irgendwann als Pfleger im OP zu stehen!“

Derzeit sind in Österreich noch 4500 außerordentliche Zivildiener tätig. Aufgrund der niedrigen Infektionszahlen und der stabilen Corona-Lage gab es keinen erneuten Aufruf zum freiwilligen Zivildienst. Auch Freiwillige, die erst ab Juni tätig gewesen wären, werden nicht mehr benötigt. Sollte es zu einer erneuten Infektionswelle kommen, werde man sich wieder an freiwillige Helfer wenden, so Ministerin Elisabeth Köstinger.

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