VinziNest: Zu Hause bleiben, wo man nicht zu Hause ist

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Die Pandemie stellt das VinziNest vor besondere Herausforderungen. Neben dem Einhalten strenger Hygiene-Maßnahmen, muss mit dem steigenden emotionalen Druck der Bewohner umgegangen werden.

Stephan Steinwidder ist Mitbegründer des Kältetelefons in Graz, einer Initiative, durch die Anrufer*innen bei Beobachtung von frierenden Obdachlosen, Leben retten können. Seit über einem Jahr leitet er auch das VinziNest in der Kernstockgasse 14 und ist somit Nachfolger des legendären August “Gustl” Eisner. Dieser hatte die Notschlafstelle im Jahr 1992 gemeinsam mit Pfarrer Wolfgang Pucher von der Vinzenzgemeinschaft gegründet. In der Notschlafstelle kümmern sich sein Team und er um männliche Migranten, die von Armut betroffen sind und keinen Platz zum Schlafen haben. „In unsere Einrichtung kommen Männer aus rund 26 Nationen. Die meisten von ihnen sind Roma aus der Slowakei oder Rumänien. Unser jüngster Bewohner ist 18 Jahre alt, unser ältester 85“, sagt Steinwidder. Anders als sonst hat die Einrichtung aktuell für ihre Klienten rund um die Uhr geöffnet. Denn Menschen ohne fixe Bleibe haben es in Zeiten mit Ausgangsbeschränkungen natürlich besonders schwer.

Corona-Konzept funktioniert

„Bitte Abstand halten und Hände desinfizieren“, steht auf einigen Schildern im Eingangsbereich des VinziNests geschrieben. Neben der deutschen Version ist dieser Hinweis auch in unzähligen anderen Sprachen zu lesen. Zudem erinnern aufgehängte Fotos von Masken an jeder Ecke an das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. „Es ist schwierig den Menschen zu erklären, warum das alles nötig ist, aber das Verständnis ist größer als beim ersten Lockdown“, sagt Stephan Steinwidder.

Für Schutz vor einer möglichen Ansteckung sollen auch eigens für die Corona Pandemie eingerichtete Trennwände aus Holz sorgen. Diese sind zwischen den Stockbetten in den Schlafräumen angebracht. „Außerdem achten wir aktuell darauf, nicht mehr als 35 von unseren 80 Betten zu belegen, um den erforderlichen Abstand gewährleisten zu können.“

Am Foto ist ein Raum des VinziNest zu sehen. Die Betten sind durch Holzwände getrennt.
Wände aus Holz trennen die Betten der Bewohner – Foto: Markus Lösel

Psychische Belastung steigt

Die Männer, die sich bei meinem Besuch gerade in der Einrichtung befinden, halten sich an die vorgegebenen Maßnahmen. Sie tragen dort, wo es nötig ist, einen Mund-Nasen-Schutz und halten Abstand. „Die Hygiene-Richtlinien und ihre Umsetzung sind aktuell nicht unsere größte Herausforderung“, sagt Steinwidder. „Viele unserer Klienten haben ihren Job als Erntehelfer verloren. Sie können aktuell weder Geld verdienen noch in ihr Heimatland zurückkehren. Das drückt aufs Gemüt.“

Dies und die Tatsache, dass aufgrund der Ausgangsbeschränkungen die Männer länger als gewohnt gemeinsam an einem Ort verweilen müssen, führen zu einem hohen emotionalen Druck bei den Bewohnern des VinziNests. Zusammen mit dem ohnehin schwierigen Schicksal der Klienten resultiert dieser Druck häufig in Verzweiflung und Wut. Mit vielen Gesprächen möchte das Team des VinziNests versuchen, den Druck von den Menschen zu nehmen und so für psychische Entlastung sorgen. ”Die Menschlichkeit muss im Vordergrund bleiben”, sagt Steinwidder.

Ehrenamt nimmt wichtige Rolle ein

Im ersten Lockdown Anfang dieses Jahres konnte der dafür benötigte zusätzliche Personalaufwand sehr gut mit ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgefangen werden. „Es war wirklich beeindruckend, wie viele Grazerinnen und Grazer sich in dieser Zeit bei uns gemeldet haben.“ Auch nun hofft Steinwidder wieder auf ein derartiges Engagement der Bevölkerung, denn für ihn ist klar: Die wichtigsten Aufgaben im Lockdown nehmen die Ehrenamtlichen ein.“ Diese können sich Zeit nehmen, mit den Menschen in ein Gespräch zu treten, und so Menschlichkeit zeigen. „Für unsere Klienten, die zu Hause bleiben müssen, ohne tatsächlich zu Hause zu sein, hat das einen wirklich deeskalierenden Aspekt.“ Viele Freiwillige aus dem ersten Lockdown sind der Einrichtung glücklicherweise erhalten geblieben. Dennoch suchen Steinwidder und sein Team auch aktuell wieder Ehrenamtliche, da unter freiwilligen Mitarbeitern eine natürliche Fluktuation herrscht.

(Titelbild: Markus Lösel)

Infobox
Ehrenamtliche Helfer*innen können sich unter +43 676 / 8742 31 30 oder vinzinest@vinzi.at bei Leiter Stephan Steinwidder melden.

 

 

1 Comment

  1. […] Markus Lösel/ww.annenpost.at: Stephan Steinwidder ist Mit­begrün­der des Kälte­telefons in Graz, einer Initia­tive, durch die An­ru­fer/in­nen bei Be­obach­tung von frieren­den Obdachlosen Le­ben ret­ten kön­nen. Seit über einem Jahr lei­tet er auch das VinziNest in der Kern­stock­gasse 14 und ist somit Nach­folger des legen­dä­ren August „Gustl“ Eisner. Dieser hatte die Not­schlaf­stelle im Jahr 1992 ge­mein­sam mit Pfar­rer Wolfgang Pucher von der Vinzenz­gemein­schaft ge­grün­det. In der Notschlafstelle küm­mern sich sein Team und er um männ­li­che Migranten, die von Armut be­trof­fen sind und kei­nen Platz zum Schlafen ha­ben. „In unse­re Ein­richtung kom­men Män­ner aus rund 26 Nationen. Die meis­ten von ihnen sind Roma aus der Slowakei oder Rumänien. Unser jüngs­ter Be­woh­ner ist 18 Jahre alt, unser ältes­ter 85“, sagt Stein­widder. Anders als sonst hat die Ein­richtung aktuell für ihre Klienten rund um die Uhr ge­öffnet. Denn Men­schen ohne fixe Bleibe haben es in Zeiten mit Aus­gangs­be­schrän­kungen natür­lich be­sonders schwer. […]

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