Die einen horten Klopapier, die anderen Alkohol. Seit Ausbruch der Coronapandemie stellt die Suchtberatungsstelle b.a.s. eine Zunahme von Suchterkrankten fest. Der Verein im Annenviertel bietet Auskünfte und Beratungen rund um das Thema Sucht an.
Von: Viktoria Spitzbart, Alice Müller
„Alkohol ist das Antidepressivum der Männer“, sagt Manfred Geishofer, seit 25 Jahren Geschäftsführer des gemeinnützigen Vereins b.a.s. (betrifft abhängigkeit und sucht). Seinen Auswertungen zufolge seien 340.000 bis 370.000 Personen in Österreich alkoholabhängig. Männer seien häufiger betroffen als Frauen.
Laut Geishofer ist der Alkoholkonsum seit 1985 insgesamt aber leicht rückläufig. Doch seit Beginn der Coronakrise sei eine deutliche Veränderung von Abhängigkeiten zu vermerken. Nicht nur das Klopapier war Anfang März in den Supermärkten knapp, auch Grüner Veltliner und Bier. Die Getränkehändler verzeichneten eine Absatzsteigerung von bis zu 55 Prozent. Dies bestätigte zuletzt auch Oliver Scheibenbogen, Leiter des Bereichs Klinische Psychologie am Anton Proksch Institut, im Ö1-Journal.
Angst und Stress
Der Lockdown und die damit verbundene Angst vor Jobverlust seien für viele Menschen ein Stressauslöser, den sie mit Alkohol bekämpfen, meint Geishofer. „Im ersten Halbjahr sind die Alkoholberatungsgespräche in den b.a.s.-Beratungsstellen um 20 Prozent gestiegen. Die Gruppe der sozialen Trinker ist zwar kleiner geworden, jedoch ist die Zahl der depressiven, ängstlichen Trinker nach oben gegangen“, so Geishofer. Außerdem seien um 15 Prozent mehr Beratungssuchende im Zusammenhang mit illegalen Drogen festzustellen. Das Glücksspiel sei hingegen zurückgegangen. Dies liege vermutlich an den Schließungen der Wettbüros und Casinos.
Medikamentenabhängigkeit – die verschwiegene Sucht
So wie Alkohol werden auch Medikamente als Angstlöser eingesetzt. Ute Andorfer, Klinische und Gesundheitspsychologin ebenfalls vom Anton Proksch Institut, berichtete beim Fachtag “Die verschwiegene Sucht” des Vereins Jukus am 26. November: „150.000 Menschen sind in Österreich medikamentenabhängig, Frauen doppelt so oft wie Männer. Allein in der Steiermark sind 21.000 Personen betroffen. Die Coronapandemie lässt die Zahl steigen.“ Eine Besonderheit dieser Abhängigkeit sei die Verborgenheit. Der Internethandel ermögliche einen leichteren Zugriff, der die Sucht nach außen hin unsichtbar mache. Auch in den b.a.s.-Stellen seien Anfragen und Beratungen darüber, laut Geishofer, sehr unterrepräsentiert. „Dies mag vielleicht daran liegen, dass sich die Erkrankten gleich an Fachärzte wenden“, nimmt Geishofer an, der neben seiner Stelle beim Verein auch als Psychotherapeut arbeitet.
Beratung im Annenviertel
In 13 steirischen Bezirken bietet das b.a.s. Beratungen an, eine Stelle befindet sich in der Dreihackengasse im Gries. „b.a.s. ist die größte Beratungsstelle mit den meisten Standorten in der Steiermark“, sagt Geishofer. Die Beratungsstellen bieten Auskunft und Behandlungen sowohl zu stoffgebundenen als auch zu Verhaltenssüchten an. Ob Angehörige einer suchterkrankten Person oder diese selbst, jede*r kann einen Termin für ein unverbindliches Erstgespräch bei b.a.s. vereinbaren. Onlineberatungen können ebenfalls in Anspruch genommen werden.
Woher die Patient*innen aus dem Beratungszentrum stammen, sei unterschiedlich. In die Dreihackengasse kommen nicht nur Menschen aus der Umgebung, sondern aus der ganzen Steiermark. Grund dafür sei auch, dass sich die Abhängigen schämen und nicht von Nachbarn beobachtet werden wollen, wenn sie die Beratungsstelle besuchen. Seit Jahren nimmt die Zahl der Beratungen zu. „Die Schwelle, eine Beratungseinrichtung aufzusuchen, ist deutlich gesunken“, teilt Geishofer erfreut mit. Je früher eine Suchtberatung in Anspruch genommen wird, desto besser können Abhängigkeiten behandelt oder sogar vermieden werden.
Titelbild: 5 Prozent der Medikamente besitzen Missbrauch- und Abhängigkeitspotential – Foto: Viktoria Spitzbart
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