Vor zwei Jahren machte Fridays for Future die Klimakrise global zum Thema. Mit einer Aktionswoche am Hauptplatz meldet sich die Bewegung nun auch in Graz zurück. Ein Gespräch mit Aktivistin Alena Zöch.
Von: Fanny Gasser, Friedrich Hainz
„Don’t be a Fossil Fool” steht auf einem der Banner am Grazer Hauptplatz. Es regnet an diesem Montagvormittag, doch das schreckt die Gruppe junger Aktivist*innen nicht ab. „Schon kalt, aber zu warm für Februar”, sagt einer der Teilnehmer*innen. „Es sollte schneien und nicht regnen”, antwortet Alena Zöch. Die Boxen spielen „Schüsse in die Luft” von Kraftklub. Im Instagram-Livestream von Fridays for Future Graz schwenkt Alena die Kamera weiter zu einem Banner mit der Aufschrift „There’s no Planet B”.
„There’s no Planet B” stand auch auf dem braunen Pappkarton, den Alena auf der ersten Demonstration vor zwei Jahren in die Höhe hielt. Um fünf vor zwölf am 15. Februar 2019, als sich rund 2.000 Schüler*innen am Grazer Mariahilferplatz versammelten, wurde Fridays for Future Graz erstmals öffentlich sichtbar. Die Jugendlichen gingen für die Zukunft unseres Planeten auf die Straße anstatt in die Schule. „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft raubt!” Energisch aber friedlich skandierten die Aktivist*innen ihre Parolen, während sie in Richtung Hauptplatz zogen. „Viele fühlten sich davon angegriffen, dass wir streiken”, sagt Alena, die damals in die 5. Klasse der Modellschule im Annenviertel ging.
Warum es notwendig ist, weiterhin auf die Straße zu gehen
Durch Corona wurde Fridays for Future die wichtigste Waffe genommen: der Straßenprotest. Die Beteiligung an den Demos ging stark zurück und neue Formen des Aktivismus mussten her. Weniger energische und aufgebrachte, dafür strukturierte Herangehensweisen. Die Aktivist*innen protestierten fortan online oder mit Maske. Wie auch in der aktuellen Jubiläumswoche. Bis zum 12. Februar stehen täglich Aktionen am Grazer Hauptplatz an, man will das Bewusstsein wieder auf die „Jahrhundertkrise Klimawandel” lenken. Begonnen hat die Woche mit einem Lichtermeer zur schwindenden Biodiversität, am verregneten Montag ging es um fossile Großprojekte und enden soll die „Week of Change” mit einer Abschlussdemonstration, die fordert, Klimaschutz in der Verfassung zu verankern.
Das Team von Fridays for Future Graz hat sich in den letzten zwei Jahren bestens vernetzt und strukturiert. Die Mitglieder tauschen sich mit Wissenschafler*innen, Expert*innen und anderen Aktivist*innen weltweit aus, um sich besser über den Klimawandel zu informieren und ihr Handeln zu optimieren. Ernst genommen von der Grazer Stadtregierung fühlen sie sich aber nach wie vor nicht, auch wenn Bürgermeister Siegfried Nagl sie neulich zu einem Gespräch ins Rathaus einlud. „Sie haben uns einfach ignoriert!”, meint Alena. Nicht ernst genommen zu werden, ist auch für Alena die enttäuschendste Reaktion. Sei es mit der Politik oder nur unter Nachbar*innen, sie sucht die Konfrontation und will diese Diskussionen führen. Heute genauso wie vor zwei Jahren.
Jung, engagiert und entschlossen
Anfang 2021 trafen wir Fridays for Future-Aktivistin Alena per Videochat. Gut gelaunt, optimistisch und froh, von Anfang an dabei gewesen zu sein, erzählte sie uns von den Anfängen der Bewegung: „Wenn man jetzt sieht, wie wenige Schulstunden wir im Online-Unterricht haben, dann sind die Schulstunden, die wir für’s Demonstrieren geschwänzt haben ja lächerlich dagegen. Aber die Protestbewegung hat dadurch viel mehr Aufmerksamkeit erhalten – es war extrem wichtig, das so durchzuziehen.”
Alena ist heute 16 Jahre alt und inzwischen fest im Team von Fridays for Future Graz integriert, sie kümmert sich um Mails und Social Media-Accounts. Nachdem sie bei einigen Demos mitgemacht hatte, entschied sie sich, auch bei der Organisation der Proteste mithelfen. „Mich hat das total fasziniert, weil dort alle sehr jung sind, aber alles total strukturiert abläuft. Und unabhängig vom Alter – manche sind erst 14, andere schon 26 – demonstrieren alle gemeinsam für eine Sache.” Teil des Teams wurde sie kurz vor dem zweiten weltweiten „Earth Strike” vor eineinhalb Jahren. Damals gingen 10.000 Teilnehmer*innen allein in Graz auf die Straße.
Die Modellschule unterstützt Alena und ihre Mitstreiter*innen
Was sie antreibt? „Ich war oft sehr frustriert darüber, was auf der Welt gerade so passiert. Dann habe ich für mich beschlossen, ich muss etwas verändern und selbst die Initiative ergreifen. Deshalb entschloss ich mich, bei Fridays for Future aktiv mitzuhelfen.” Für Graz wünscht sie sich vor allem eine autofreie Innenstadt. Überwindung habe sie das Engagement anfangs schon gekostet, auch wenn man Alena heute ihren schüchternen Charakter kaum mehr anmerkt. Anklang fand ihr Aktivismus sowohl bei Mitschüler*innen als auch bei Lehrer*innen. Die Modellschule im Bezirk Lend, in der Alena mittlerweile die 7. Klasse besucht, hatte ohnehin zahlreiche Projekte zum Umweltthema am Laufen. Die „Fridays” begrüßte die Schule mit offenen Armen. Lehrer*innen nahmen Rücksicht auf Stundenpläne, die Direktorin sorgte für Essen vor den Demonstrationen und teilweise nahmen sie auch selbst an den Protesten teil. „Ich lebe in einer Bubble, in der es nicht so schwierig ist, Aktivistin zu sein”, erklärt uns Alena. Sie ist hochmotiviert, auch wenn sie meint: „Es ist kurios, was Kinder in der Welt gerade leisten müssen”.
Titelbild: Fridays for Future Graz