Seit dem 10. April kann man im Grazer Kunsthaus einen Blick in die Zukunft werfen. In der Ausstellung „was sein wird. Von der Zukunft zu den Zukünften” geht es um mögliche Zukunftsszenarien für die Steiermark und große Themen wie künstliche Intelligenz, Aktivismus, Klimakrise oder Digitalisierung.
Rauf ins All
Besucher*innen fahren mit der Rolltreppe nach oben in den ersten Ausstellungsraum und je weiter sie sich vom gut beleuchteten Foyer entfernen, desto düsterer wird es. Das Erste, was alle sehen, sind die schwebenden Erdkugeln, die vor einem schwarzen Hintergrund hängen. Man bekommt das Gefühl, als nehme man eine Rolltreppe ins All. Oben angekommen beginnt die Ausstellung mit dem Ende. „The End” prangt auf einem „Twentieth Century Fox“-Plakat und gibt einen düsteren Ton vor. Verschiedene Exponate, die von Fotoserien über kurze Videos zu Skulpturen reichen, sind auf der großen Fläche verteilt. Mehrere Projektoren tauchen den abgedunkelten ersten Stock in ein mechanisches Licht. Aus mehreren Richtungen kommt dumpfe Musik. Von irgendwo her klingt eine englische Frauenstimme.
Drei Museen schauen in die Steiermark
Die Ausstellung „was sein wird. Von der Zukunft zu den Zukünften” im Kunsthaus ist eine von drei, die im Rahmen der Steiermark Schau stattfinden. Im Auftrag des Landes Steiermark interpretieren Künstler*innen, Wissenschafter*innen, Unternehmer*innen und Aktivist*innen das vielseitige Leben in der Steiermark und laden zum Diskurs ein. Das Volkskundemuseum behandelt mit der Ausstellung „wie es ist” die Gegenwart, während sich das Museum für Geschichte unter dem Titel „was war” mit der Vergangenheit befasst. Ein mobiler Pavillon präsentiert eine Video-Rauminstallation mit dem Titel „wer wir sind” und bietet eine „Gegenwartsanalyse in Bildern”. Aufgrund von Covid-19 findet dieser Teil der Steiermark Schau jedoch vorerst nur im virtuellen Raum statt.
„Spartenübergreifende Projekte”
Der erste Ausstellungsraum des Grazer Kunsthauses führt von Videospielen, die den Streaming-Hype darstellen, zu künstlicher Intelligenz. Themen wie Abfall, Recycling und Ressourcen, werden von Start-ups behandelt, die ihre innovativen Zukunftskonzepte vorstellen.
Barbara Steiner, Direktorin des Kunsthaus Graz, beschreibt die Ausstellung als „spartenübergreifende Projekte”, die Themen wie „neue Ideen für die Pflege, den verantwortungsvollen Umgang mit Boden und Energie, Bauen mit nachwachsendem Holz, nachhaltige Verpackungen, schulübergreifende Bildung, behandeln”. Ebenso werden in der Ausstellung das „Lernen mit VR (Anm.: Virtual Reality), ökologisches Wirtschaften, Gemeinwohlökonomie, nachhaltige Mobilität, Mitbestimmung, Protest und Teilhabe” repräsentiert. Laut Steiner ist dabei ein wichtiger Teil der Ausstellung die „transformatorische Rolle von Kunst und Kultur zum Formen einer diskursfreudigen Gesellschaft”.
Heuer kein Rundgangerl
Ein großes Thema der Ausstellung ist die Zukunft von Stadt. Neben „tim.”, der seit 2016 aktiven Mobilitätsinitiative der Holding Graz und einem Plädoyer für die Realisierung der oft angekündigten „Fahrradhauptstadt Graz” der Radoffensive Graz 2030, werden auch verschiedene Initiativen zur zukünftigen Nutzung und dem Teilen von Wohnraum präsentiert.
Eine Gruppierung, die sich ebenfalls mit dem Teilen von Wohnraum beschäftigt, ist das Stadtteilprojekt ANNENViERTEL, das ebenfalls ein Exponat beigesteuert hat. Das „ANNENViERTEL-Mobil”, eine dunkle Kommode, die ein Stadtteilbüro ersetzt ist im Kunsthaus zu sehen. Auf der Kommode und in einer Schublade befinden sich Tischtennisschläger und -bälle. Gemeinsam mit Maria Reiner, Geschäftsführerin des Stadtteilprojekts, haben Viertelbewohner*innen kurze Notizen auf die Gummibeschichtung der Tennisschläger geschrieben, in Andenken an das Rundgangerl. Vor der Corona-Krise fand es einmal die Woche im Volksgarten statt. Der Text auf einem der Schläger lautet „Wann können wir endlich wieder Rundgangerl spielen?” Ein weiterer liest „Eines Tages stellt uns die Stadt Graz auf Anfrage einen 2. Tischtennistisch auf”.
Wo Bürger*innen aufstehen
Auf der anderen Seite des großen Raumes, hinter umweltfreundlichen und ressourcenschonenden Produkten verschiedener Unternehmen, befindet sich eine Wand, die dem Aktivismus gewidmet ist. Hier finden sich die Feminismus-Bewegung, #BlackLivesMatter, Fridays for Future und andere sozialpolitische Initiativen wieder. Videos, Banner, Plakate und Fotos bieten eine bunte Mischung, die die Kampfbereitschaft der Bürger*innen zeigt. „Die Beispiele in der Ausstellung machen (…) die Vielfalt von Aktivismen deutlich”, steht auf der Installationsbeschreibung. Es wird aber auch Kritik geübt: Nicht österreichische Staatsbürger*innen haben in Österreich nicht das Recht, Demonstrationen anzumelden.
Und am Ende lag alles in Trümmern
Den Abschluss der Ausstellung macht eine Installation von Martin Roth. „Eine posthumane Trümmerlandschaft” steht auf der Beschreibung neben der Fläche voller verwahrloster Ziegel, zerbrochener Statuen und Büsten. Trotzdem schaffen es vereinzelt Pflanzen, sich durch die Schutthaufen zu kämpfen. Dazu kommt eine Geräuschkulisse, zusammengestellt von Paul Remund. Es sind Vögel, deren Zwitschern Zivilisationsgeräusche wie Sirenen, Autolärm und Klingeltöne nachahmen. Damit vergleicht der Künstler die Sterblichkeit des Menschen mit der Unsterblichkeit der Natur, die die menschliche Zivilisation immer überdauern wird. Ein sehr ernüchternder Abschlussgedanke, der einem bis zum Hauptausgang folgt, bevor man in das Hier und Jetzt zurückkehrt.
Titelbild: Laura Wiener
Steiermark Schau von 10.04.2021 bis zum 31.10.2021
Kunsthaus Graz: “was sein wird. Von der Zukunft zu den Zukünften”, Mo-So, 10-18 Uhr
Volkskundemuseum: “wie es ist. Die Steiermark im Wandel”, Mo-So, 10-18 Uhr
Museum für Geschichte: “was war. Eine Wanderung durch Raum und Zeit”, Mo-So, 10-18 Uhr