Poster mit der Aufschrift "MAKE LETTERPRESS GREAT AGAIN"

Infinitive Factory: Unsichtbares unter einem Gewölbe in Gries

Lesezeit: 3 Minuten

Das Projekt Unsichtbares Handwerk des Vereins ANNENViERTEL will auf traditionelle Betriebe im Viertel aufmerksam machen. Teil davon ist die Infinitive Factory, eine Druckerei im Gries, die auf Letterpress spezialisiert ist und dabei mit jahrzehntealten Druckmaschinen arbeitet.

Große Druckmaschinen unter einem alten Gewölbe, der Duft von Schmieröl liegt in der Luft. Ein lautes Brummen der arbeitenden Maschinen erfüllt die Werkstatt. Neben den eben gedruckten Visitenkarten stapeln sich weiter Entwürfe und Druckerzeugnisse auf einem Tisch in der Raummitte. Bestände bunter Folien zieren die Wand, Farbeimer stapeln sich in einer Ecke des Raums. Hier ist man in der Infinitive Factory angekommen.

Spaziergänge zu Unsichtbarem

Die Druckerei Infinitive Factory in der Schiffgasse im Bezirk Gries ist Teil des Projekts Unsichtbares Handwerk, welches traditionelle Handwerksbetriebe im Annenviertel wieder sichtbar machen will. Das Projekt ist eine Kooperation zwischen dem Stadtteilprojekt ANNENViERTEL und dem Wiener Eintagsmuseum. Im Annenviertel möchte Maria Reiner im Zuge des Kulturjahres 2020 traditionellen Handwerksbetrieben eine Bühne bieten, die Annenpost hat bereits darüber berichtet.

Im Zuge dessen fanden bereits fünf Spaziergänge zu einzelnen Projektpartnern statt. Vom Treffpunkt am Südtiroler aus spaziert man zu einem der teilnehmenden Handwerksbetriebe und wird dort durch das Unternehmen geführt. So fand auch unlängst ein Spaziergang zur Infinitive Factory mit anschließender Führung durch den Betrieb statt. Geleitet wurde die Führung von Mitarbeiter Marcelino Zus. Er hat selbst vor acht Jahren sein Pflichtpraktikum in dieser Druckerei absolviert und ist seither dort angestellt. Aktuell macht er unter Bildungskarenz seinen Master in Kommunikationsdesign an der FH JOANNEUM und ist somit nur einen Tag pro Woche im Betrieb. Er stellt aber klar: „Das Arbeiten hier dient für mich als Ausgleich.“

Die Druckerei befindet sich seit dem Gründungsjahr 2012 unter einem alten Gewölbe in Gries. Spezialisiert ist die Infinitive Factory auf das Druckverfahren Letterpress. Unter Letterpress versteht man eine Drucksorte, bei der man das Papier tiefgeprägt wird und man so das Gedruckte auch spüren kann. Neben dieser Art des Druckens gibt es auch die Möglichkeit mit einer Heißfolienprägung zu arbeiten. Die Folie lässt das Geprägte dabei glänzend erscheinen. „Alles, was bei uns gedruckt wird, wird auch geprägt“, erklärt Zus.

Heidelberger Druckmaschine in der Infinitive Factory
Die Werkstatt in der Infinitive Factory mit einer der Heidelberger Druckmaschinen. – Foto: Anja Treitler

Letterpress soll in Österreich an Bekanntheit gewinnen

Im Zuge des Projekts Unsichtbares Handwerk wurde vorab viel über traditionelle Handwerksbetriebe recherchiert. „Wir haben geschaut, welche Betriebe es gibt, wie es den Menschen dahinter geht und wer überhaupt dahinter steckt“, erklärt Reiner.  Aktuell erfahre der Handel laut ihr zusätzlich zu Corona eine Veränderung. Die Verdrängung der Handelsbetriebe durch Shoppingcenter an die Stadtränder, steigende Mietpreise und das steigende Interesse an Onlineshopping spielen hier eine Rolle. Dennoch würden kleine, familiäre Betriebe durchaus überleben und sich auch in Zeiten der Pandemie weiterentwickeln, so Reiner.

Letterpress auch in Österreich zu etablieren ist eines der Ziele der Infinitive Factory. “In Amerika gab es Letterpress, so wie es wir machen schon 10 Jahre früher”, erklärt Inhaber Christian Ursnik. Nachdem Ursnik den Studiengang Kommunikationsdesign an der FH JOANNEUM abgeschlossen hat, arbeitete er als Grafiker. “An Grafik und auch an Print war ich schon immer interessiert”, erklärt er. Gemeinsam mit Kollege Oliver Mitteregger, der ursprünglich die Idee hatte, haben sie anfangen, ihr Geschäftskonzept zu recherchieren. Ursnik ist dann selbst in die USA geflogen, um sich dort das Druckverfahren Letterpress anzusehen. “2010 habe ich die erste Druckmaschine gekauft”, erzählt er. Langsam hat sich alles entwickelt. Ursnik hat das Handwerk von einigen erfahrenen Druckern gelernt, da es die Lehre zum Buchdrucker es zu dieser Zeit gar nicht mehr gab.

Aufschrift "120 JAHRE HEIDELBERGER DRUCKMASCHINEN 1850-1970" auf einer der Druckmaschine
Die Druckmaschinen im Betrieb wurden in den 60ern und 70ern produziert. – Foto: Anja Treitler

Ein Druckverfahren aus dem 15. Jahrhundert

„Das Druckverfahren, mit dem wir hier arbeiten und das Prägen ist eines der ältesten Druckverfahren, welches es beim Auflagen- und Seriendruck gibt“, erklärt Zus. Mitte des 15. Jahrhunderts wurde dieses Druckverfahren von Johannes Gutenberg entwickelt. Drucken konnte man schon seit 2000 Jahren, aber durch die Methode von Gutenberg konnte der Text variabel gesetzt werden. Das erhöhte das Drucktempo massiv. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die ersten vollautomatischen Druckpressen verwendet. In diesem Bereich gab es eine stetige Weiterentwicklung. Das Prinzip blieb aber immer das gleiche. Die Infinitive Factory arbeitet mit originalen Heidelberger Druckmaschinen. Jene im Betrieb wurden in den 60ern und 70ern produziert. Jedoch meint Zus: „Die Druckmaschinen hier in unserem Betrieb sind um einiges neuer und auch moderner.“ 

 

Titelbild: Anja Treitler

Infobox

Mehr Informationen zu dem Projekt Unsichtbares Handwerk findet man hier.

Die Infinitive Factory befindet sich in der Schiffgasse 6 und ist Montag bis Donnerstag von 09:30 bis 17:30 geöffnet und Freitags von 09:30 bis 13:00.

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