Unter neuer Leitung wollen die „Weasels“, das Formula-Student-Team der FH JOANNEUM, diese Saison den Umstieg vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb meistern.
Von Simon Auernig und Michaela Holzinger
Beim Betreten der Werkstatt fällt der Blick sofort auf die Unmengen an Werkzeug und alten Autoteilen. Reifen stapeln sich in einer Ecke. Im hinteren Teil der Halle schrauben Student*innen am neuen Rennwagen. Den Raum durchdringt Lärm, der auf Bohrmaschinen und Schleifgeräte zurückzuführen ist.
Im Konstruieren von Rennwagen zählen die Studierenden aus Graz zu den Besten der Welt. Jedes Jahr designen, planen und bauen sie einen neuen Prototyp, um sich mit anderen Hochschulen in einem Konstruktionswettbewerb zu messen. In den vergangenen Saisons bestritt joanneum racing graz die Wettkämpfe mit einem Verbrennungsmotor und konnte sich dabei im internationalen Spitzenfeld etablieren. Im kommenden Sommer geht das Team erstmals mit einem E-Motor an den Start.
Im Wandel der Zeit
Der Umstieg vom Verbrennungs- zum Elektromotor kommt für das Team nicht überraschend. Obwohl es das Reglement nicht vorschreibt, dass der Antrieb umgestellt werden muss, fassten sie schon 2019 den Beschluss in einer internen Abstimmung. Dies sei dem Umstand geschuldet, dass sich der Großteil der Autoindustrie in diese Richtung bewegt. „Es war nur mehr eine Frage der Zeit“, meint Alexander Zopf, Technical Director seit Herbst 2021 und Bachelor-Student an der FH JOANNEUM. Um jedoch die Ära des Verbrenners abzurunden und nicht abrupt enden zu lassen, absolvierten die „Weasels” das letzte Rennjahr noch mit dem altbewährten Motor.
Der Wechsel bringt sehr viele Herausforderungen mit sich. „Das Gesamtkonzept des Autos wird ein komplett anderes. Jetzt hat man nicht mehr eine angetriebene Achse, sondern Allrad“, führt Zopf weiter aus. Das Grundreglement ändere sich nicht großartig, es seien nur wesentlich mehr Regeln bezüglich der Energiezufuhr zu beachten. Vorrang hat das Gewicht des Autos, je leichter der Rennwagen desto schneller. „Unsere Erwartungen sind zumindest, dass wir unser Zielgewicht nicht überschreiten. Das Auto soll maximal 200 Kilo wiegen“, erklärt Zopf. „Außerdem gibt es technische Inspektionen vor jedem Event. Die wollen wir auf jeden Fall schaffen. Das ist ein großer Meilenstein“, fügt Master-Student und neuer Organizational Director Thomas Schmid an.
Dass die „Weasels” trotz Motorenwechsel wieder zur Spitzenklasse auf nationaler und internationaler Ebene zählen, ist nicht nur ein Traum, sondern ein realistisches Vorhaben. Joanneum racing graz kann nämlich auf Vorwissen bauen. „Es hat schon einmal ein kleines E-Projekt gegeben, den jre. Da hat man bereits Erfahrungswerte sammeln können“, sagt Zopf. Der jre steht für joanneum-racing-electric und war der erste Elektro-Prototyp der Studierenden in der Saison 2018/19.
Frischer Wind in der Teamleitung
In der Vergangenheit gab es mit einem Team-Captain immer eine*n Hauptverantwortliche*n bei joanneum racing graz. Mit nächster Saison ist die Verantwortung auf drei Personen aufgeteilt: Neben Alexander Zopf als Technical Director und Thomas Schmid als Organizational Director bildet Financial Director Wolfgang Schneider den abschließenden Teil der Führungsriege. Schmid begründet dies so: „Nachdem wir einen neuen Antriebsstrang haben, haben wir uns gedacht, dass wir uns diesmal bei der Konzeption an einer größeren Firma orientieren. Wir haben das so gelöst, damit sich jeder auf seine Kerntätigkeiten konzentrieren und spezialisieren kann.“ Der Beschluss erfolgte durch eine interne Wahl.
Die Zeit in der Mannschaft ist auf die Studiendauer begrenzt. Um nicht jedes Jahr wieder bei Null zu starten, herrscht ein reger Austausch zwischen den neuen und alten Teammitgliedern. Die Alt-„Weasels“ stehen bei Fragen oder Unklarheiten immer zur Verfügung. „Das ist schon sehr gemeinschaftlich. Man fällt nicht raus und ist dann für immer weg”, beteuert Schmid. Der Spitzname wurde bereits bei der ersten Formula-Student-Teilnahme verwendet, damals startete das Team noch unter dem Namen „joanneum weasels”.
Nicht nur die Schnelligkeit zählt
Die Formula Student ist kein klassisches Rennen, sondern ein Konstruktionswettbewerb mit statischen und dynamischen Disziplinen. Die Bewerbe finden auf der ganzen Welt statt. Im statischen Teil werden die Punkte in den Kategorien Entwurf, Kostenanalyse und Projektvorstellung vergeben. Zu den dynamischen Events zählen Querbeschleunigung, Beschleunigung, Treibstoffeffizienz, Autocross und Ausdauer. Je nach Disziplin können die Teams unterschiedlich viele Punkte ergattern. Maximal sind 1000 Punkte zu erreichen.
Die „Weasels” können auf eine tolle Saison 2020/21 zurückblicken. Die Ergebnisse waren für sie zufriedenstellend, denn es konnten zwei Gesamtsiege in Italien und den Niederlanden und ein dritter Platz beim Heim-Wettbewerb in Spielberg errungen werden. Trotz der Erfolge sind sich Thomas Schmid und Alexander Zopf bei den Verbesserungswünschen für das Team einig. Die interne Kommunikationen müsse noch verbessert werden. „Das hat leider nicht so hundertprozentig funktioniert, aber wir haben das Beste daraus gemacht und das Auto auf ein Top-End-Level gebracht”, findet Zopf doch lobende Worte. Die Kommunikationsprobleme seien aber auch den Umständen der Covid-19-Pandemie geschuldet gewesen, da Treffen nur in kleinen Gruppen erlaubt waren.
Alexander Zopf und Thomas Schmid stehen ihrer neuen Führungsaufgabe positiv gegenüber und freuen sich auf die Herausforderungen sowie das neue E-Auto. Das Rollout, das Event zur Enthüllung des Boliden, findet an der FH JOANNEUM im Frühjahr 2022 statt. Für Testzwecke soll der Wagen aber schon früher über die Rennstrecke rollen.
Titelbild: Thomas Schmid und Alexander Zopf (v. li. n. re.) neben dem jr21, dem Rennwagen der Saison 2020/21. – Foto: Michaela Holzinger