Die Theatergruppe und Kulturinitiative InterACT hat zwei Wochen lang brisante gesellschaftspolitische Probleme mit dem Publikum verhandelt. Trotz Lockdown.
von Alina Magerl und Eva Riener
„So wird sich auf jeden Fall nix ändern!“ Das Licht geht aus und die Szene ist beendet. Der Aufschrei, der am Ende des Stücks “Cosmed Austria – Die Wertschöpfer” steht, bringt eindrucksvoll die Ausweglosigkeit auf den Punkt, die viele Menschen in ihrer Arbeit empfinden können. Das Stück der Theater- und Kulturinitiative InterACT spielt im Unternehmen „Cosmed“, einem Logistikdienstleister für Pharma- und Kosmetikprodukte. Die Firma ist unterbesetzt, die Mehrheit der Mitarbeiter ist atypisch beschäftigt, es gibt Kündigungen, Fixanstellungen werden versprochen, aber nicht umgesetzt, und die Überstunden werden auch nicht bezahlt. Zuletzt findet eine Mitarbeiterin die Courage den Chef auf diese Probleme anzusprechen, wird aber von ihren Kolleg*innen, die sich ihre Zukunft nicht verbauen möchten, hängen gelassen.
Zwei Wochen lang hat InterACT mit Stücken wie „Cosmed“ “brisante” Themen im Theater am Lend behandelt. Während des Lockdowns war die Reihe, die sich mit Arbeit, aber auch mit den vielfältigen Herausforderungen des Alltags in Bezug auf Familie oder nachhaltige Stadtentwicklung, via Zoom zu erleben. „In Zeiten der Digitalisierung, der Globalisierung und den damit verbundenen Problemen ist der Bedarf an Austausch enorm“, sagt Michael Wrentschur, der künstlerische Gesamtleiter und Geschäftsführer von InterACT.
Mit Theater Grenzen überwinden
Das Besondere am Austausch, den das Theater von InterACT bietet: „Die Gruppe versucht, aktuelle Themen gemeinsam mit dem Publikum zu verhandeln und dabei auch konkrete Lösungen zu finden. Zu den Aufführungen gehören auch Workshops, um die Themen zu erarbeiten und die Grenzen zwischen Alltag und Kunst zu überwinden. „Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, gesellschaftliche Konfliktfelder aufzuarbeiten und diese anhand des Forum- und Legislativtheaters zu beleuchten und zu möglichen Veränderungen beizutragen“, sagt Michael Wrentschur im Gespräch.
Wrentschur ist künstlerischer Leiter der Gruppe und greift selbst manchmal als “Joker” und Moderator ins Geschehen ein. Auch hier bei „Cosmed“ nimmt Wrentschur den Platz des Vermittlers zwischen Publikum und Stück ein. Diese Rolle wird aufgrund des Lockdowns noch wichtiger, da die Zuseher*innen jetzt nur per Livestream anwesend sein können. Auch virtuell gab es viel Interaktion. Zur Lösung der „Cosmed“-Misere kam den Beteiligten die Idee einen Betriebsrat einzusetzen, sich gesetzlich zu informieren und eine neutrale Person miteinzubeziehen.
Publikum sucht Lösungen
Bereits seit 1999 hat sich InterACT einer etwas anderen Theaterform verschrieben – dem Forum- und Legislativtheater. Forumtheater ist ein interaktives Theaterkonzept, bei dem das Publikum dazu animiert wird, aktiv am Stück teilzunehmen – wie bei „Cosmed“. Nach der Bühnenszene hatte das Publikum die Möglichkeit zum Austausch in Break-Out-Sessions. Danach war jede*r dazu eingeladen, eine Situation auszuerwählen, die sie oder er gern geändert hätte, um den Konflikt zu lösen. Die Schauspieler*innen testen die Lösungsvorschläge dann auf der Bühne aus. Das Legislativtheater ist eine noch weiter entwickelte Form des Forumtheaters. Dort geht es darum, die demonstrierten Lösungsvorschläge mit Expert*innen zu diskutieren. Diese Expertenrolle übernahmen bei „Cosmed“ Lisa Wassner (Arbeiterkammer Steiermark) und Sandra Stern (Bureau für Selbstorganisation). Schlussendlich werden die ausgearbeiteten Resultate dann an politische Entscheidungsträger*innen herangetragen.
Mit Theatererfolg etwas bewegen
InterACT hat in dieser Hinsicht auch österreichweit schon einiges erreicht. Mehrmalige Auftritte im Parlament und im steirischen Landtag, bei denen Lösungsvorschläge präsentiert, die dann auch umgesetzt wurden, kann die Theatergruppe als Erfolge verbuchen. Einer der größten war die Erweiterung des öffentlichen Raums im Fröbelpark. Die Initiative bemerkte, dass die Jugendlichen und Sportbegeisterten zu wenig Platz auf den öffentlichen Sportplätzen hatten es deshalb zu Konflikten kam. Nach sorgfältigen Recherchen und einer Reihe von Theateraufführungen kam es zu einem Round Table mit Politiker*innen, an dem die im Theater erarbeiteten Lösungen präsentiert wurden. Danach wurde ein neues Raumnutzungskonzept für den Fröbelpark entwickelt. Dieses Konzept war so erfolgreich, dass es auch in anderen Bereichen der Stadt zur Anwendung kam, erzählt Wrentschur. Die Sportplätze der Schulen beim Fröbelpark wurden für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die Konflikte nahmen ab.
„Aber der eigentlich größte Erfolg“, lacht Wrentschur zum Abschluss, „ist das langjährige Bestehen der 1999 gegründeten Gruppe.“
Beitragsbild: Rappel/InterACT
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