Murbreak will die „Welle ohne Schnickschnack”

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Mit dem Baubeginn des Murkraftwerks vor fünf Jahren verlor der Hobbysurfer*innen-Verein „Murbreak“ sein Zuhause im Fluss. Nach einiger Zeit im Stillstand hat der Verein dank der vielbeachteten Aktion „Welle für Alle” nun wieder Hoffnung, bald in der Mur surfen zu können – am Liebsten naturverbunden.

Graz, an einem ungewöhnlich warmen Wintertag. Die Sonne spiegelt sich in der Mur. Der Wind zeichnet sanfte Wellen in das Grün des Flusses. Zwei Enten schwimmen geruhsam umher und tauchen hin und wieder unter. Einige Meter über dem Wasser erhebt sich der Stadtbalkon, ein klobiges Wartungsgebäude, das zum zentralen Speichernetzwerk des Flusses gehört. Sein steinernes Grau ist mit Graffitis verziert. Eines davon liest sich: „Schade, dass Beton nicht brennt.“

Eine Kraftwerkskontroverse

Es sind Erinnerungen daran, dass die Harmonie der Mur vor gar nicht allzu langer Zeit gestört wurde. Denn das Wasser fließt nicht mehr so wie einst. Nun diktiert das Murkraftwerk in Puntigam seinen Lauf, drosselt seine Geschwindigkeit. Im Jahr 2017 wurde mit dem Bau begonnen, eine Entscheidung, die damals Umweltschützer*innen wie politische Opposition entrüstete. Der Disput über eine mögliche Bürgerbefragung löste sogar vorzeitige Neuwahlen aus. Auch für Lucas Hammerer hatte der Bau nachhaltige Konsequenzen.

Faszination Flusssurfen

Bis 2017 existierte für den hauptberuflichen Fotografen hier noch ein Platz, an dem er seine ganz persönliche Leidenschaft ausleben konnte: das Surfen. „Wasser war schon immer mein Element“, sagt er. Zum Surfsport kam der gebürtige Klagenfurter jedoch erst in Graz. Nach seinem ersten Surfurlaub in Indonesien fand er 2009 dann schließlich zum Verein „Murbreak“, der bereits zehn Jahre davor gegründet worden war. Seine Mitglieder trafen sich mehrmals in der Woche, um unter der Radetzkybrücke auf einer natürlichen Welle im Fluss zu reiten. Auch das Surfen in der Mur gemeinsam mit Gleichgesinnten begeisterte Hammerer sofort, denn auf der perfekten Welle zu reiten sei ein „unbeschreibliches Gefühl“, wie er mit leuchtenden Augen erzählt. Dazu kommt, dass eine stehende Welle im Fluss – wenn es der Wasserstand erlaubt – nahezu konstant gesurft werden kann.

Surfsport auf der alten Welle – Foto: Verein Murbreak

Surfsport auf der alten Welle – Foto: Verein Murbreak

Ein Versprechen fällt ins Wasser

Als dann jedoch mit dem Bau des  Kraftwerks begonnen wurde, kam auch der Verein zur Ruhe. Einen Ersatz gab es seither nicht, obwohl er mehrmals versprochen wurde. Unter anderem sollte laut dem Plan der alten Stadtregierung (Koalition aus ÖVP und FPÖ 2017-2021) mithilfe von Betonrinnen eine Surf- und Kajakwelle installiert werden. Die Rücksichtnahme auf die Wünsche der Kajakfahrer*innen hätte die Planungen jedoch komplizierter gemacht, meint Hammerer. So seien nämlich auch zusätzliche Bebauungen ins Gespräch gekommen, wie zum Beispiel das Einrichten eines Kanals mit Gegenströmung. Je umfangreicher das Projekt wurde, desto größer wurden auch die Bedenken in den Planungsbüros der Stadtregierung. In Zukunft wünscht sich Hammerer eine „Welle ohne Schnickschnack“, wie er betont. „Sonst kommt gleich der Nächste, und will auch noch einen Hubschrauberlandeplatz dabei haben“, lacht er. Zudem gebe es für die Kajakfahrer*innen im Gegensatz zu den Surfer*innen schon genügend Infrastruktur.

Ursprünglicher Plan für eine Surf- und Kajakwelle – Foto: Kratzer und Partner ZT GmbHH

Ursprünglicher Plan für eine Surf- und Kajakwelle – Foto: Kratzer und Partner ZT GmbHH

„Welle für Alle“

Als auch die neue Stadtregierung Zweifel an der Errichtung einer Welle nach dem alten Modell bekam, rief Hammerer gemeinsam mit den verbliebenen neunzehn Mitgliedern von „Murbreak“ die Aktion „Welle für Alle“ ins Leben. „Wir wollten zeigen, dass sich durchaus mehrere tausend Leute dafür interessieren“, sagt er. Zusammen mit einem Vereinskollegen, der hauptberuflich als Grafikdesigner arbeitet, sorgte er für einen professionellen Auftritt auf Social Media. Und dieser sollte sich bald auszahlen. Denn die Surfer*innen konnten mit ihrer Aktion in Windeseile auf sich aufmerksam machen. Zugleich starteten sie auch eine Petition, in der die Umsetzung des Projekts nach den Plänen der alten Stadtregierung gefordert wurde. Mittlerweile hat „Welle für Alle“ schon über dreitausend Unterschriften gesammelt, wovon ungefähr neunzehnhundert aus Graz kommen. Ein kalkulierter Erfolg der Betreiber, die mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen bewusst hohe Wellen schlugen.

Voller Einsatz für die Surfoase

Diese sollten ihr Anliegen bis ins Rathaus spülen. Schon bald nach den ersten Erfolgen wurden Vertreter des Vereins zu Gesprächen eingeladen, die aus deren Sicht sehr zufriedenstellend verliefen. Der Verein zeigte Verständnis für die entstandenen Bedenken seitens der Stadtregierung, die sich auf die Nachhaltigkeit des in der Petition vorgeschlagenen Plans bezogen. Nun, nach den Gesprächen, hat auch Hammerer eine andere Vorstellung für die künftige Welle. „Am liebsten wäre uns eine kleine ‘Surfoase’ mit ein paar Bäumen und so wenig Beton wie möglich“, sagt er. Somit soll das Projekt mit einem besonderen Augenmerk auf seine Umweltverträglichkeit doch noch realisiert werden, sogar einen idealen Platz hat man dafür schon auserkoren. Zwischen Erzherzog-Johann-Brücke und Mursteg soll in Zukunft mit Blick aufs Kunsthaus gänzlich „grün” gesurft werden.

In diesem Bereich soll die neue Welle entstehen – Foto: Mathias Huber

In diesem Bereich soll die neue Welle entstehen – Foto: Mathias Huber

Hier treffen innerhalb weniger Meter zwei „Stufen“ der Mur (Gefälle im Fluss) aufeinander, die ihre Fließgeschwindigkeit erheblich verstärken und den Bau einer Welle somit erleichtern würden. Das Projekt würde zudem nicht nur das Wasser im Fluss, sondern auch die städtische Umgebung rundherum beleben, meint Lucas Hammerer. Auch die hiesige Surfcommunity könne durchaus noch stark wachsen: „Jeder, der die Petition unterschrieben hat, ist ein potenzielles Vereinsmitglied.“ Zudem wollen sie das Projekt auf jeden Fall zur Vollendung bringen: „Wir werden keine Kosten und Mühen scheuen“, ist er sich sicher. Wie in der Petition erwähnt, solle Graz wieder zur „Surfhauptstadt Österreichs“ werden. An der Ambition soll es also schon mal nicht scheitern.

 

 Titelbild: Die Vereinsmitglieder fordern die Welle – Foto: Verein Murbreak

Aus einem kleinen Dorf in der Obersteiermark, jetzt heimisch in der Murmetropole. Politik- und sportbegeistert und 24/7 am Singen. Sorry, Nachbarn.

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